Nach zehn Jahren als Deutsche-Bank-Chef:Ackermanns Eigenbilanz

Josef Ackermann ist noch drei Wochen Chef der Deutschen Bank. In seinem letzten Interview vor seinem Abschied spricht er über die Verwirrung um seine Nachfolge, das Privatkundengeschäft als Modell für die Zukunft und erklärt, warum ihn die Krise Europas beunruhigt.

Harald Freiberger

Er ist gut gelaunt und sieht erholt aus. Gerade war er dienstlich drei Tage in Istanbul, wunderbar sei es am Bosporus gewesen. "Sie sind ja schön gebräunt", stellt jemand fest. "Nein, das ist die Schminke fürs Fernsehen", sagt Josef Ackermann. Drei Wochen lang ist er noch Chef der Deutschen Bank. Mit der Hauptversammlung am 31. Mai ist Schluss - nach zehn Jahren.

Zurich Financial Services Group newly elected Chairman Ackermann arrives on stage to deliver  his speech during his company's annual general meeting in Zurich

Kann sich in Zukunft auch ein politisches Engagement vorstellen. "Das interessiert mich", sagt Josef Ackermann.

(Foto: REUTERS)

Am Donnerstag kam er zu seinem letzen Interview als Bankchef zum "Forum Manager", einer Diskussionsrunde der Süddeutschen Zeitung und des Fernsehsenders Phoenix vor Studenten der Frankfurt School of Finance and Management.

Neulich habe er "so ein bisschen meine Wohnung aufgeräumt", erzählt er, bald zieht er um, von Frankfurt nach Zürich. Beim Ausmisten seien ihm alte Zeitungsartikel von vor zehn Jahren in die Hände gefallen. Darin habe es geheißen, die Deutsche Bank ziehe bald nach London und werde von Investmentbankern übernommen, die kein Interesse an kleinen Privatkunden haben. Ackermann genüsslich: "Alles ist nicht wahr geworden, im Gegenteil: Wir haben dieses Geschäftsfeld massiv ausgebaut", sagt er, man sei heute stärker "commited gegenüber Deutschland, als wahrscheinlich irgendjemand erwartet hat".

Ackermanns Bilanz, kein Wunder, ist positiv: "Wir haben viel erreicht." Oft habe man vor zehn Jahren gelesen, die Deutsche Bank sei unprofitabel, sie werde im Investmentbanking weltweit nicht unter die ersten Fünf kommen und im Privatkundengeschäft nie wirklich Geld verdienen. "In vielen Bereichen haben wir gezeigt, dass man aus Deutschland heraus ein globales Unternehmen führen kann", sagt Ackermann. "Bei allen Fehlern, die man macht, können wir schon sagen, dass die große Richtung stimmt."

Stichwort Fehler: Die vergangenen Monate waren überschattet von den Wirren um Ackermanns Nachfolge, die Medien titeln: "Chaostage in der Deutschen Bank" oder "Intriganten-Stadl". Gegen seinen Willen kam es zu einer Doppelspitze mit Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Den Plan, Aufsichtsratschef zu werden, musste er aufgeben, die Aktionäre zogen nicht mit. Im März ersetzte Jain zwei Getreue Ackermanns im Vorstand durch eigene Gefolgsleute. "Ist alles rund gelaufen?", fragt er selbst und antwortet: "Nein, sicher nicht."

Indirekt kritisiert er, dass man ihn beim Wechsel nicht einbezogen habe: "Vor zehn Jahren haben wir es anders gemacht. Wir haben eine Klausurtagung organisiert mit den Topleuten der Bank, auch mit meinem Vorgänger Rolf Ernst Breuer." Es habe "einen kollegialen Übergang" gegeben. Strategie und Struktur seien noch vor der Hauptversammlung festgelegt worden. Jetzt äußern sich die Nachfolger offiziell erst nach Amtsantritt, "und das führt natürlich zu einer Übergangsphase, weil ein gewisses Vakuum entsteht".

Ackermann erwartet aber nicht, dass die Deutsche Bank wieder "ins Investmentbanking zurückfällt, stärker als es heute der Fall ist". Wegen der harten Auflagen werde das Investmentbanking viel schwieriger, das Geschäftsmodell müsse neu erfunden werden. Deshalb sei "eine gut ausbalancierte Bank mit starkem Privatkundengeschäft und Transaktionsbanking gerade das, was man heute sucht in der Welt". Paul Achleitner, der künftige Aufsichtsratschef, werde das auch so sehen und sich dafür einsetzen.

Und dann ein Satz, der wohl an Investmentbanker Jain gerichtet ist: "Das Schlimmste für die Bank wäre, wenn die alten Gräben, die zwischen den verschiedenen Bereichen bestanden, die ja zu dieser Entwicklung von Silos geführt haben, wieder aufbrechen würden."

Schuldenschnitt: "Das hätte es ohne mich doch nicht gegeben"

Häufig wurde Ackermann in seiner Amtszeit für seine Renditevorgabe von 25 Prozent kritisiert, die zu besonders riskanten Geschäften geführt habe. "Nein, wir haben es sehr gut gemacht, wir müssen ja kein Staatsgeld in Anspruch nehmen", erklärt er. Die 25 Prozent seien der Maßstab gewesen. "Hätten wir das nicht gemacht, dann würde es die Deutsche Bank heute nicht mehr geben. Ich glaube, für Deutschland ist das unglaublich wichtig, noch eine globale Bank zu haben." Man habe so profitabel sein müssen wie die anderen. "Also, insofern ist man Getriebener, ja klar." Die Aktionäre bestimmten, ob man einen guten Job mache.

Das Ansehen der Bank in der Öffentlichkeit treibt Ackermann um, mit unmoralischen Geschäften möchte er nicht identifiziert werden. Geschäfte mit Herstellern von Streubomben etwa habe er gestoppt, sobald er davon erfahren habe, "aber man muss es ja erst einmal hören, dass wir dabei vielleicht tätig waren irgendwo in der Welt." Und noch einmal: "Wir machen keine Geschäfte, die unsere Reputation aufs Spiel setzen."

Sehr besorgt äußerte sich der Mann, der bei Präsidenten, Regierungschefs und Zentralbankern ein und aus geht, über die europäische Schuldenkrise. "Ich bin erstmals seit längerer Zeit beunruhigt", sagt er. Die Geldspritze der EZB über eine Billion Euro habe die Situation nur vorübergehend beruhigt. Ungelöst sei die Frage, wie sich Banken und Staaten in drei Jahren refinanzieren sollen. Das andere ungelöste Problem sei die soziale Frage in den Schuldenstaaten. Eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent wie in Spanien führe "irgendwann zu Spannungen, die natürlich auch explodieren können".

Ackermann lobt in diesem Zusammenhang Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der sich, in der Wirtschaft viel kritisiert, öffentlich für höhere Löhne in Deutschland als in anderen Euro-Staaten stark gemacht hat. Die Bundesbank wiederum wolle womöglich die Inflationsvorgabe nicht ganz so eng auslegen: "Das sind doch erste Signale, die in die richtige Richtung zeigen", meint Ackermann und warnt andernfalls vor Regierungskrisen und Sicherheitsproblemen.

Das Verhältnis zur Politik? "Von mir hat nie jemand ein schlechtes Wort über einen Politiker gehört, das mache ich grundsätzlich nicht", sagt er. Umgekehrt war es nach seiner Wahrnehmung nicht immer so. "Wenn die Elite sich gegenseitig kritisiert in aller Öffentlichkeit, das war manchmal auch etwas unter der Gürtellinie, wo soll dann der Mann auf der Straße das Vertrauen herbekommen, dass die Elite einen gemeinsamen Weg sucht?" Mit Kanzlerin Angela Merkel habe es in einigen Fragen aber auch einen "engen Schulterschluss" gegeben, zum Beispiel beim Schuldenschnitt für griechische Anleihen. "Das hätte es ohne mich doch nicht gegeben."

Und zum Schluss ein Angebot: Politische Arbeit habe ihn immer fasziniert, "fasziniert mich heute eigentlich noch stärker. Wenn ich Gelegenheit habe, mich irgendwo in Arbeitsgruppen einzubringen und man das wünscht - das interessiert mich."

Phoenix wiederholt das einstüdige Video am Sonntag, dem 20. Mai, um 17 Uhr.

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