Nach Trumps Ankündigung von Strafzöllen:Europa wappnet sich für einen Handelskrieg

Salzgitter AG

Nicht nur in Europa provoziert Trumps Ankündigung, die heimische Stahl- und Aluminium-Industrie mit Strafzöllen auf Importe zu schützen, heftige Gegenwehr - Gelände der Salzgitter AG in Niedersachsen.

(Foto: dpa)
  • EU-Kommissionschef Juncker teilt mit, man bereite Strafzölle auf US-Produkte vor.
  • Nicht nur in Europa provoziert Trumps Ankündigung, die heimische Stahl- und Aluminium-Industrie mit Strafzöllen auf Importe zu schützen, heftige Gegenwehr.
  • Kanada und Brasilien sind entschlossen, "entsprechende Maßnahmen" zu ergreifen und China warnt vor "schwerwiegenden Auswirkungen auf den internationalen Handel".

Von Christoph Giesen und Alexander Mühlauer

Jean-Claude Juncker wusste, dass der Tag kommen wird. Seitdem Donald Trump im Weißen Haus regiert, hat der EU-Kommissionschef damit gerechnet, dass der US-Präsident seine Drohungen wahr macht. Schon im Sommer erklärte Juncker, dass Europa "sofort und adäquat" reagieren würde, sollten die Vereinigten Staaten Zölle auf europäische Stahlimporte einführen. Diesen Satz hat er nun wiederholt. Und noch deutlich verschärft: "Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie unsere Industrie durch unfaire Maßnahmen getroffen wird, die Tausende europäische Arbeitsplätze gefährden." Da spricht nicht nur der Präsident jener Behörde, die für Europas Handelspolitik verantwortlich ist. Da spricht auch der Sohn eines Luxemburger Stahlarbeiters.

Nicht nur in Europa provoziert Trumps Ankündigung, die heimische Stahl- und Aluminium-Industrie mit Strafzöllen auf Importe zu schützen, heftige Gegenwehr. Die USA schüren weltweit die Angst vor einem globalen Handelskrieg. Kanada und Brasilien, die beiden wichtigsten Stahllieferanten der Vereinigten Staaten, sind entschlossen, "entsprechende Maßnahmen" zu ergreifen. Und auch der weltweit größte Stahlproduzent China warnt vor "schwerwiegenden Auswirkungen auf den internationalen Handel".

Der Internationale Währungsfonds (IWF) ließ verlauten, man sei besorgt, dass nun auch andere Länder Gründe der nationalen Sicherheit anführen könnten, um weitreichende Handelsbeschränkungen zu verhängen. Anlass für Trumps Schritt ist die staatlich gelenkte Politik der Volksrepublik China, die den Weltmarkt seit Längerem mit Billigstahl flutet.

Die chinesischen Überkapazitäten und daraus folgenden Dumpingpreise stören auch die Europäer. Doch bislang versuchten sie, den Streit im Kreis der G 20 zu lösen. Von diesem konsensorientierten Ansatz hat sich Trump verabschiedet. Ihm geht es um die schwächelnde US-Industrie, die neue Arbeitsplätze für seine Landsleute schaffen soll. Insofern bleibt Trump seiner "America first"-Ideologie treu. Er ist der Meinung, dass die USA von anderen Staaten "unfair" behandelt würden; deshalb will er die Amerikaner vor "schlechter" Globalisierung schützen. Konkret bedeutet das: ein Strafzoll von 25 Prozent auf Stahlimporte, Aluminium-Einfuhren sollen mit zehn Prozent belegt werden.

Vergeltungszöllen wären mit den Regeln der WTO vereinbar

Die offizielle Begründung des Weißen Hauses, diese Zölle dienten der nationalen Sicherheit, wird weltweit infrage gestellt. "Dies scheint eine unverhohlene Intervention zum Schutz der eigenen Industrie zu sein", sagt Juncker. Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland nennt Trumps angebliche Beweggründe "absolut inakzeptabel". Die EU verweist auf den US-Verteidigungsminister, der erklärt habe, die Bedürfnisse des US-Militärs machten nicht mehr als drei Prozent der heimischen Produktion aus und die US-Regierung sei in der Lage, genug Stahl und Aluminium für die Verteidigung zu beschaffen.

Aus den Hauptstädten der EU-Länder kommt am Freitag Unterstützung für den Kurs der Kommission. Sie vertritt die Interessen aller Mitgliedstaaten und ist für die gemeinsame Handelspolitik zuständig. Und so lassen Juncker und Handelskommissarin Cecilia Malmström keinen Zweifel daran, dass sie bereit sind für eine Antwort in Richtung Washington. Juncker teilte am Freitagabend mit, man bereite Strafzölle auf US-Produkte vor. Dass die EU mit Vergeltungszöllen reagiert, ist mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Junckers Botschaft ist jedenfalls eindeutig: Die Kommission werde "die Situation wieder ins Gleichgewicht bringen". Er sagte weiter: "Das ist alles nicht vernünftig, aber Vernunft ist ja ein Gefühl, das sehr unterschiedlich verteilt ist in der Welt."

Brüssel ist für einen Handelskrieg gewappnet. Sollten die Importbeschränkungen auch europäische Unternehmen treffen, könnte die EU binnen weniger Tage zurückschlagen. Die Kommission hat seit Trumps ersten Drohungen geprüft, welche US-Produkte die EU am ehesten mit Zöllen belegen sollte. So gibt es eine fertige Liste mit Produkten. Dabei geht es nicht nur um Stahl, auch andere Industrie- und Agrarprodukte finden sich darauf.

Die Europäer haben insbesondere jene Produkte ins Visier genommen, die in Wahlkreisen von Trump-Verbündeten hergestellt werden. Zum Beispiel Motorräder. Der Hersteller Harley-Davidson hat seinen Firmensitz im US-Bundesstaat Wisconsin - dort ist Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, zu Hause. Oder Whiskey aus Kentucky, wo der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, seine Wahl gewonnen hat.

Staatlich verordnete Stille in China

Im Kern geht es jedoch um viel mehr als nur um ökonomische Vergeltung. Die EU will Trumps nationalistischer Politik entgegentreten und sich als Verfechterin offener Märkte positionieren. Handelskommissarin Malmström ist sicher: "Die US-Maßnahmen werden sich negativ auf die transatlantischen Beziehungen auswirken." Die EU werde so bald wie möglich ein Streitschlichtungsverfahren bei der WTO anstreben. Die Ursache für die Probleme im Stahl- und Aluminiumsektor seien "globale Überkapazitäten, die durch nichtmarktbasierte Produktion verursacht werden".

Damit ist China gemeint. Malmström will den Streit im Gespräch lösen: "Diese Alleinaktion der USA wird nicht helfen." Die EU möchte auf jeden Fall vermeiden, zwischen die Fronten zu geraten. Denn wenn chinesischer Stahl seinen Absatzmarkt in den USA verliert, wird mehr davon nach Europa verkauft werden. Trumps Kalkül: Die Europäer würden dann ebenfalls Zölle erheben. Das will die EU zwar nicht, aber es könnte dazu kommen, um die europäische Stahlindustrie mit ihren mehr als 300 000 Arbeitsplätzen zu schützen.

In Peking beginnt am Montag der Nationale Volkskongress, das wichtigste politische Ereignis des Jahres. Und das soll auf keinen Fall gestört werden. Schließlich werden die gut 3000 Delegierten den allmächtigen Staats- und Parteichef Xi Jinping für eine weitere Amtszeit als Präsident der Volksrepublik bestätigen, und auch Premierminister Li Keqiang darf fünf Jahre weitermachen. Hinzu kommt eine wohl historische Verfassungsänderung, die die Macht von Xi Jinping zementieren wird. Auf Wunsch der Kommunistischen Partei soll der Volkskongress beschließen, dass der Präsident künftig nicht wie bisher nach zehn Jahren abtreten muss. China ist also gut mit sich selbst beschäftigt. Volkskongress auf allen Kanälen. Eine Krise, ein Streit mit den Vereinigten Staaten? Falscher Zeitpunkt. Trumps Strafzölle sind kein Thema, stattdessen Schweigen.

Parallel zum Volkskongress tagt in Peking die Konsultativkonferenz - ein Beratungsgremium, gespickt mit etlichen Unternehmern, viele davon sind Milliardäre. Dazu gibt es am Freitag die erste Pressekonferenz. Eigentlich die perfekte Bühne, um nachzufragen: Was bedeuten die Strafzölle für die chinesische Wirtschaft? Sind Chinas Firmen ausreichend gewappnet? Wie werden die Staatskonzerne reagieren, die gewaltige Überkapazitäten beim Stahl, aber auch für Zement, Aluminium oder Papier aufgebaut haben. Sind Vergeltungsmaßnahmen geplant? Droht ein Handelskrieg zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt? Keine Antworten, denn niemand stellt diese Fragen. Alles ist abgesprochen, jede Wortmeldung vorher festgelegt. Nicht ein einziger Journalist aus dem Ausland wird drangenommen.

Bei staatlichen Ausschreibungen kommen oft chinesische Hersteller zum Zug

Staatlich verordnete Stille in China. Noch. Die Propaganda kann auch ganz anders. Als Trump im vergangenen Sommer mit Strafzöllen drohte, war die Entrüstung groß. Für den Fall von Sanktionen drohte Peking mit Vergeltung. "Wenn die USA die Fakten und die Regeln des multilateralen Handels nicht respektieren und Maßnahmen ergreifen, die den Wirtschafts- und Handelsbeziehungen schaden, wird China nicht tatenlos zusehen, sondern angemessene Maßnahmen ergreifen, um die legitimen Rechte und Interessen Chinas zu schützen", hieß es in einer Erklärung des Handelsministeriums.

Dabei ist es vor allem die Volksrepublik selbst, die sich wie kaum eine andere Volkswirtschaft so systematisch abschottet. In vielen Branchen dürfen ausländische Unternehmen nur dann in China produzieren, wenn sie sich mit einem lokalen Partner zusammentun, die Gewinne müssen geteilt werden. Bei staatlichen Ausschreibungen kommen oft chinesische Hersteller zum Zug. Laut einer Erhebung des Industrieländer-Klubs OECD liegt China bei der Offenheit für ausländische Direktinvestitionen derzeit auf Platz 59 von 62. Soll heißen: Der Markt ist dicht. Und es könnte noch deutlich schwieriger werden.

Wie eine chinesische Reaktion aussehen kann, hatte das Parteiblatt Global Times bereits kurz nach Trumps Wahlsieg skizziert: "Eine Charge von Boeing-Aufträgen würde durch Airbus ersetzt, amerikanische Autos und iPhones hätten es schwer in China, die Importe von Sojabohnen und Mais würden gestoppt." Chinesische Studenten in den USA? Nicht mehr erlaubt. Der Staat und vor allem die Kommunistische Partei haben fast unbegrenzten Durchgriff in der Volksrepublik. Allerdings ist die Verhandlungsposition Chinas längst nicht so gut, wie die Regierung sie darstellt. Vor allem Strafzölle würden Chinas Exportwirtschaft, die bisher etwa 20 Prozent ihrer Güter in die USA verschifft, schwer treffen. Massenentlassungen und ein verringertes Wirtschaftswachstum könnten die Folge sein - eine Horrorvision für Präsident Xi und seine Mitstreiter.

In Europa gibt es wenig Hoffnung, dass Trump einlenkt. Nichtsdestotrotz dürfte es über das Wochenende viele Telefonate zwischen Paris, Berlin und Washington geben. Die Aussichten auf Erfolg sind gering. Schreibt Trump doch auf Twitter: "Wenn ein Land (USA) viele Milliarden Dollar verliert durch Handel mit fast jedem Land, mit dem es Geschäfte macht, sind Handelskriege gut und leicht zu gewinnen."

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