Nach Stracke-Rauswurf:Gesucht: Neuer Chef für Opel

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Der angeschlagene Autohersteller Opel wählt heute einen neuen Vorstandsvorsitzenden. Wahrscheinlich fällt die Entscheidung auf Thomas Sedran. Der amtierende Strategiechef beschwört das Wunder von Rüsselsheim - davon allerdings ist Opel weit entfernt.

Thomas Fromm

Gerade mal eine Stunde ist für die Aufsichtsratssitzung am Dienstag veranschlagt. Mehr nicht. Irgendwann zwischen 12:30 Uhr und 13:30 Uhr werden die Kontrolleure von Opel einen Übergangschef wählen. Und vieles spricht zur Stunde dafür, dass am Ende ein neuer Opel-Chef den Saal in Rüsselsheim verlässt, der erst seit April im Vorstand sitzt.

Düstere Zeiten für Opel: Der Autohersteller bekommt zwar einen neuen Chef, Wunder sind aber auch von ihm nicht zu erwarten. (Foto: dpa)

Thomas Sedran, 47, gilt als Mann für schwierige Sanierungsfälle. Er war es, der die Kooperation mit dem angeschlagenen französischen Partner PSA Peugeot Citroën in den vergangenen Monaten begleitete. Schon seit 2009 hatte er für seine damalige Unternehmensberatung Alix Partners den Kunden Opel betreut. Und er ist offenbar derjenige, dem die Opel-Mutter General Motors (GM) jetzt am ehesten zutraut, Opel zu sanieren.

Im Konzern weiß man aber auch, dass der frühere Unternehmensberater an diesem Dienstag zwar zum Nachfolger des zurückgetretenen Opel-Chefs Karl-Friedrich Stracke gekürt werden könnte - aber das nur auf Zeit. Denn mehr als eine Übergangslösung dürfte auch Sedran nicht sein. Ein endgültiger Chef soll dann in den nächsten Monaten bestellt werden - dieser könnte Sedran heißen, aber auch ganz anders. Was GM derzeit fehle, sagen Insider, sei ein langfristiger Plan für Opel und seine Spitzenjobs. "Sedran ist der wahrscheinliche Kandidat, aber es könnte auch noch im letzten Moment eine Überraschung geben", heißt es aus Aufsichtsratskreisen.

Wie schon so oft bei Opel. Ganz ausgeschlossen wird auch eine andere Lösung derzeit nicht: Dass GM-Vizechef und Opel-Aufsichtsratschef Stephen Girsky für eine längere Zeit den Opel-Chef gibt. Dafür müsste er aber zunächst den Kontrolleursposten abgeben. Beides gleichzeitig ginge nicht.

Einige Tage nach dem Abgang Strackes hat GM also ein veritables Personalproblem: Man braucht langfristig einen neuen Chef. Nur: So viele, die den wohl härtesten Job der Automobilindustrie machen wollen, gibt es nicht. Einer, der kaum in Frage komme, sei Produktionsvorstand Peter Thom, dessen Name zuletzt öfter fiel. Dass der Manager Anfang des Jahres durch Europa zog und mit den Werken über ihre Beiträge zum Sanierungsplan verhandelte, nehmen ihm viele heute übel. Thom, das ist für viele derjenige, der die Werke gegeneinander ausgespielt hat. So einer kann eigentlich nicht mehr Chef werden.

Bleibt also fürs erste nur Sedran. Geholt hatte den Berater ein anderer langjähriger Berater, nämlich Stephen Girsky. Opel-Chef von Girskys Gnaden, das würde Sedrans Job etwas sicherer machen, andererseits aber auch härter.

Explosive Mischung an der Konzernspitze

Insider geben zu Bedenken, dass sich Sedran auf eine kaum zu gewinnende Mission einlasse: Jahrelang gab es hohe Verluste, auch in diesem Jahr wird es ein Minus geben. 14 Milliarden Euro Verlust in zehn Jahren, dazu ein unaufhaltsam schrumpfender Marktanteil in Europa sowie ein forderndes GM-Management im fernen Detroit, das macht den Top-Job bei Opel aus. Sedran unter seinem Mentor Girsky, der wiederum unter dem strengen GM-Boss Dan Akerson - alles zusammen ergäbe eine explosive Mischung.

Schon vor über einem Jahr saß Akerson beim Genfer Autosalon und ließ keinen Zweifel daran, was mit Opel-Chefs passiert, die nicht liefern. Neben ihm saß der damalige Opel-Chef Nick Reilly, der über die Sanierung sprach. Und er, Akerson, schaute nicht Reilly an, sondern in die Luft und hämmerte mit den Fingern auf den Tisch. Ob er ungeduldig sei, wurde Akerson damals gefragt: Seine Antwort: "Jeder, der Geld verliert, verliert irgendwann auch ein bisschen die Geduld."

Akerson hatte sie dann schnell verloren, die Geduld. Zuerst mit Reilly, der kurz nach dem gemeinsamen Auftritt mit Akerson an der Opel-Spitze einpacken musste. Dann auch mit dessen Nachfolger Stracke, der Ende vergangener Woche ging. Wie lange also wird es Sedran aushalten? Einer, dem einerseits die Hausmacht fehlt. Der andererseits "ohne Emotionen", wie es ein Arbeitnehmervertreter formuliert, an die Sanierung herangehen kann. Die Frage, die sich die Mitarbeiter stellen: Wird sich Strackes Nachfolger noch an die Zusage halten und auf Stellenstreichungen und Werksschließungen bis 2016 verzichten?

"Wir erwarten, dass sich der neue Vorstandschef an die Verträge hält", sagt der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel. Sein Werk steht seit langem auf der Streichliste des Konzerns. Opel-Insider sind jedoch skeptisch. Wenn alles so bleiben soll wie es ist, dann hätte man auch bei Stracke und seinem vorsichtigen Sanierungsplan bleiben können.

Es spricht also vieles dagegen, dass der Nachfolger einen weichen Kurs bei Opel fahren wird. In Kürze werden die Arbeitnehmervertreter mehr wissen: Schon in den nächsten Wochen müssen sie die Verhandlungen mit dem Management über die weitere Sanierung Opels wieder aufnehmen. Dann geht es um die Frage, was aus dem Werk Bochum wird.

"Schon Sepp Herberger fuhr Opel"

Noch beschäftigt sich Sedran mit anderen Themen. Neulich wurde er gefragt, warum Opel jetzt wieder in Fußball mache. Ausgerechnet Opel, der Autobauer, der Millionen verliert, will wieder Millionen als Sportsponsor ausgeben. Da sagte der Strategievorstand: Opel und Fußball würden doch gut zusammen passen. Begründung: "Schon Sepp Herberger fuhr Opel."

Opel und Bayer 04 Leverkusen, Opel und Mainz 05, SC Freiburg sowie Fortuna Düsseldorf - der Strategiemann Sedran denkt an Herberger, die Fußball-Weltmeisterschaft von 1954 und das Wunder von Bern. Und hofft dabei auf ein neues Wunder. Das Wunder von Rüsselsheim.

Ob es ihm oder einem anderen überhaupt noch gelingen kann, ist mehr als fraglich. Seit Jahren kämpft Opel nicht nur gegen seinen eigenen Bedeutungsverlust am europäischen Automarkt an. Auch das Image des Herstellers bricht ein. Wochenlange Kämpfe über die Werksschließungen und Jobabbau - zuletzt war es den Konzernstrategen nicht einmal mehr gelungen, ihren neuen Kleinwagen Adam richtig in Szene zu setzen. Da war ihnen vergangene Woche der Rücktritt ihres Konzernchefs dazwischen gekommen. Es wäre wohl ein Wunder, wenn es Strackes Nachfolger noch mal rasch schaffen würde.

© SZ vom 17.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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