Süddeutsche Zeitung

Nach Skandalen:Radikaler Umbau bei der Deutschen Bank

  • Die Deutsche Bank baut Vorstand und Führungsstruktur des Instituts radikal um.
  • Fünf von acht Spitzenmanagern aus dem Vorstand und dem erweiterten Vorstand werden ausgetauscht, um die "Komplexität im Management" zu verringern.
  • Gehen müssen die Vorstände Stefan Krause (zuständig für Zahlungsverkehr) und Henry Richtotte (Digitales) sowie Colin Fan (Investmentbanking) und Michele Faissola (Vermögensverwaltung), die bislang dem erweiterten Vorstand angehörten.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Nur etwas mehr als eine Woche ist es her, dass der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan die Öffentlichkeit mit einer Milliardenabschreibung überraschte, nun folgt der nächste Paukenschlag: Wie Deutschlands größtes Kreditinstitut am Sonntagnachmittag im Anschluss an eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung mitteilte, werden Vorstand und Führungsstruktur des Instituts radikal umgebaut.

Die Bank wagt damit einmal mehr den Befreiungsschlag: Erst im Sommer war Co-Chef Anshu Jain zurückgetreten, nachdem die Bank zum Ärger ihrer Anteilseigner Milliarden für Rechtsstreitigkeiten hatte bezahlen müssen. Nun verlieren weitere Manager ihre Aufgaben. Sie alle waren in die Skandale der vergangenen Jahre verwickelt und für ihre Rolle in der Affäre um manipulierte Referenzzinsen unlängst auch von der Finanzaufsicht Bafin kritisiert worden. "Eine derartig grundlegende Reorganisation hat es selten zuvor in der Geschichte der Deutschen Bank gegeben", sagte Aufsichtsratschef Paul Achleitner. Das gehe nicht ohne Härten einher. Vorstandschef Cryan fügte an: "Wir wollen eine besser kontrollierte, kosteneffizientere und stärker fokussierte Bank schaffen."

Laut der Mitteilung werden fünf von acht Spitzenmanagern aus dem Vorstand und dem erweiterten Vorstand ausgetauscht. Leitgedanke des Aufsichtsrats beim Umbau sei, die "Komplexität im Management" zu verringern und damit den Kundenbedürfnissen sowie den Anforderungen der Aufsichtsbehörden besser gerecht zu werden.

Mit dem Konzernumbau gehen weitreichende Veränderungen in der Führungsstruktur einher. Der erweiterte Vorstand, das Group Executive Committee, werde ebenso aufgelöst wie zehn der derzeit 16 Vorstandsausschüsse.

Wer gehen muss

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt hatte der neue Vorstandschef Cryan die komplizierten Strukturen des Konzerns kritisiert. Cryan hatte den Umbau daher bereits in Aussicht gestellt. Erst vor wenigen Tagen hatte die Deutsche Bank angekündigt, sie erwarte wegen gigantischer Abschreibungen auf Firmenwerte für das dritte Quartal einen Verlust von 6,2 Milliarden Euro. Cryan will nun unter anderem das Investmentbanking verkleinern, aber auch 200 von 700 Filialen im deutschen Privatkundengeschäft schließen. Im Raum steht außerdem der Abbau von rund 10 000 der knapp 100 000 Arbeitsplätze. Die Tochter Postbank wird verkauft. Jain und der noch amtierender Co-Chef Jürgen Fitschen hingegen hatten lange geglaubt, sie könnten so weitermachen wie vorher. Trotz des Drucks der Regulatoren hielten sie anders als viele Konkurrenten an einem umfangreichen Investmentbanking fest. Jain gab außerdem vor, die Skandale selbst aufarbeiten zu können, die aus der Zeit stammten, als er Chef des Investmentbankings war. Ihre Ämter verlieren nun die Spitzenmanager Stefan Krause, früher Finanzchef und zuletzt zuständig für den Zahlungsverkehr, Digitalvorstand Henry Ritchotte, der im Konzern bleibt und dort eine neue Digitalbank aufbauen soll, sowie Colin Fan (Investmentbanking) und Michele Faissola (Vermögensverwaltung). Die beiden letzteren gehörten dem erweiterten Vorstand an. Personalvorstand Stephan Leithner verlässt den Konzern auf eigenen Wunsch. Im Mittelpunkt der Neuorganisation stehen die Kernsparten Investmentbanking und Vermögensverwaltung, die jeweils aufgeteilt werden und erstmals seit langem erneut Vorstandsrang bekommen. Die Bank will dadurch wieder kundennah werden, eine eigentlich selbstverständliche Tugend, die das Institut in den Hochzeiten des Investmentbankings aber aus den Augen verloren hatte. Die Verantwortung im Investmentbanking teilen sich daher künftig die Manager Jeff Urwin (Unternehmenskunden) sowie Garth Ritchie (Handel)

. In der Vermögensverwaltung übernimmt vom Jahreswechsel an Quintin Price, der bislang bei der Fondsgesellschaft Blackrock tätig war, die Zuständigkeit für die Deutsche Asset Management, in der das Fondsgeschäft gebündelt ist.

Um die vermögenden Kunden kümmert sich künftig Privatkundenvorstand Christian Sewing. Zudem übernimmt Sylvie Matherat die Vorstandsverantwortung für die Bereiche Regulierung, Compliance und Finanzkriminalität. Die Deutsche Bank hat damit zum ersten Mal seit Mitte der Neunziger Jahre wieder eine Frau im Vorstand.

Die Generalbevollmächtigte Nadine Faruque, die global für Compliance verantwortlich ist, wird an Matherat berichten

Ebenfalls neu im Vorstand ist Karl von Rohr, der die Personalverantwortung von Stephan Leithner übertragen bekommt und nun als Arbeitsdirektor mit den Betriebsräten den geplanten umfangreichen Stellenabbau verhandeln muss. Perspektivisch in den Vorstand aufrücken wird Kim Hammonds mit Zuständigkeit für das operative Tagesgeschäft. Da Hammonds derzeit noch die nötige Krediterfahrung fehlt, wird sie vorerst als Generalbevollmächtigte tätig sein.

Auch einen neuen Chefkommunikator wird es geben, es ist der Welt-Journalist Jörg Eigendorf, der Thorsten Strauß ablöst. Strauß soll sich künftig um das weltweite Kunst- und Kulturengagement kümmern, hieß es in der Mitteilung.

Weitere Details der geplanten Neuausrichtung will Cryan nun am 29. Oktober erklären. Da er jetzt wesentliche Eckdaten zu Bilanz und zum Personal bereits genannt hat, dürfte es dabei im Wesentlichen um die Kosten gehen. Im Rahmen einer der Neujustierung, genannt "Strategie 2020", will der Konzern noch einmal 3,5 Milliarden Euro jährlich einsparen. Nicht ohne Grund hatte Cryan bereits zu seinem Amtsantritt die ausufernd hohen Kosten des Instituts kritisiert.

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Quelle:
SZ vom 19.10.2015
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