Süddeutsche Zeitung

Nach Razzia bei der Hypo-Vereinsbank:Die Spur führt in die Schweiz

Beim mutmaßlichen Steuerbetrug mit Aktiengeschäften führt nach SZ-Informationen eine Spur in die Schweiz. Erkenntnissen der Finanzbehörden zufolge war eine Schweizer Privatbank "Initiator der Aktiengeschäfte", bei denen der deutsche Staat ausgenommen worden sein soll.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Die Schweiz legt viel Wert auf Tradition. Zur jüngeren Historie gehört, Geld aus aller Welt gewinnbringend anzulegen. Die Banken dort werben mit ihrer Erfahrung und Expertise, mit ihrer Diskretion, und mit außergewöhnlichen, ideenreichen Kapitalanlage-Modellen. Besonders phantasievoll sind die eidgenössischen Finanzexperten offenbar bei komplizierten Börsendeals gewesen, die darauf abgezielt haben sollen, den deutschen Staat zu betrügen.

Nach Erkenntnissen der Finanzbehörden war eine Schweizer Privatbank "Initiator der Aktiengeschäfte", bei denen der Fiskus um knapp 124 Millionen Euro geschädigt worden sein soll. So steht es in einem Bescheid des Finanzamts Wiesbaden II vom 3. Februar 2011 für eine an diesen Geschäften beteiligte Firma. Auch die Hypo-Vereinsbank (HVB) war mit im Spiel.

Ermittelt wird gegen heutige und frühere Beschäftigte der Hypo-Vereinsbank (HVB) und weitere Beschuldigte. Nach einer Razzia der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Mittwoch in der Münchner HVB-Zentrale und an zwölf weiteren Orten werten die Ermittler nun das umfangreiche Material aus, das sichergestellt wurde. Ausgelöst worden war das Verfahren offenbar durch Erkenntnisse des Finanzamtes Wiesbaden II, dem bei der Betriebsprüfung einer hessischen Firma einiges aufgefallen war. Im Bescheid des Finanzamtes vom Februar 2011 für diese Firma ist eine Schweizer Privatbank namentlich genannt: Dieses Institut soll als Initiator der fragwürdigen Deals Kontakt zur HVB und zu einem Anwaltskanzlei aufgenommen haben. Diese drei Parteien hätten dann eine Anlagestrategie unter "Ausnützung" von Steuererstattungen entwickelt.

"Dividendenstripping"

Einer Strategie, die von Fachleuten "Dividendenstripping" genannt wird und die unter anderem ein spezielles Ziel haben soll: Kapitalertragssteuern auf Dividenden durch komplizierte Aktienkäufe und Aktienverkäufe kurz vor und nach der Dividenden-Ausschüttung von den Finanzbehörden mehrmals erstattet zu bekommen. Diese Steuern sind nach Erkenntnissen des Fiskus zuvor aber nur ein einziges Mal gezahlt worden, oder überhaupt nicht. Der Staat werde also kräftig ausgenommen, lautet der Verdacht der Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft.

Die Ermittler glauben, dass diese Geschäfte nur mit Hilfe ausländischer Partner möglich gewesen seien - nur so habe der Fiskus getäuscht werden können. In Finanzkreisen wird vermutet, dass der Fall HVB nur die Spitze eines Eisberges sei und die Schweiz dabei eine ganz besondere Rolle spiele. "In der Branche wird seit langem darüber gesprochen, dass vor allem Schweizer Institute bei solchen Geschäften mitmachen."

Eidgenössische Institute erneut verstrickt in systematische Steuerhinterziehung in Deutschland? In Zeiten, in denen Regierung und Opposition in Bundestag und Bundesrat über das Zustandekommen eines deutsch-schweizerischen Steuerabkommens streiten, ist dies ein pikantes Detail. Erst kürzlich war ein solches Abkommen am Widerstand von SPD und Grünen gescheitert. Die Bundesregierung setzt nun auf den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Bei der Ermittlungen geht es um ein Aktienhandels-Modell, von dem Insider sagen, dass es "irgendwo zwischen Steueroptimierung und Steuerhinterziehung" liege. Das könnte vielen Banken in der Bundesrepublik und im Ausland noch eine Menge Ärger einbringen. Das Frankfurter Verfahren betrifft zwar nur um Geschäfte rund um die HVB, die Schweizer Privatbank und die hessische Firma, die dem Berliner Immobilien-Milliardär Rafael Roth gehört. Doch weitere Verfahren könnten folgen. Die Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder prüfen zurzeit mehrere solcher Aktiendeals. In der Geldbranche wird davon ausgegangen, dass auch andere deutsche Banken ähnliche Kundengeschäfte wie die HVB getätigt haben. Möglicherweise sogar mit denselben Partnern.

Aktiendeal beschäftigt die Justiz schon länger

Der Aktiendeal, dem Staatsanwälte und Steuerfahnder nun bei der HVB und anderen Betroffenen nachspüren, beschäftigt die Justiz schon länger. Die hessische Firma des Milliardärs Roth hat die Hypo-Vereinsbank beim Landgericht München auf 155 Millionen Euro verklagt. Ausgangspunkt für die Klage sind die knapp 124 Millionen Euro, die der Fiskus von Roths Firma und per "Haftungsbescheid" ersatzweise auch von der HVB zurück verlangt; hinzu kämen weitere Schäden.

Roths Firma Rajon Financial Enterprises trägt bei Gericht vor, man habe auf Anraten der HVB einen Milliardenbetrag in ein von der Bank empfohlenes Geschäftsmodell mit dem Namen "German Basis Opportunity" investiert. Dieses Modell habe die Hypo-Vereinsbank sehr vermögenden Kunden empfohlen. Roth ist der Klage zufolge davon ausgegangen, dass es sich bei dem HVB-Vorschlag um ein "seriöses" Geschäft gehandelt hätte. "Unabdingbare Voraussetzung" und von "entscheidender Bedeutung" für eine erfolgreiche Kapitalanlage seien dabei auch Steuererstattungen gewesen. Nur so habe das Geschäft funktionieren können. Als Grundlage für dieses Modell wird von Roths Firma die früher "bekannte und verbreitete Praxis" von Aktiendeals rund um die Dividenden-Ausschüttung genannt.

Bekannt und verbreitet

Bekannt und verbreitet: Das bedeutet wohl, dass viele Banken mit vielen reichen Kunden versucht haben, auf diese Weise Geld zu vermehren. In Ermittlerkreisen wird sogar vermutet, einige Banken hätten solche Deals sogar im Eigenhandel betrieben, um zu ihren eigenen Gunsten vom Staat Steuererstattungen in beträchtlicher Höhe zu kassieren. Womöglich auf kriminelle Art und Weise, was nun aufzuklären ist.

Die HVB äußert sich derzeit öffentlich nicht mehr dazu, da es sich um laufende Verfahren handele, in die mittlerweile auch weitere Behörden eingeschaltet seien. Was die Behörden wollen, liegt nach Ansicht der juristischen Fachzeitschrift Juve auf der Hand. Die Razzia könnte ein "Signal" an Banken und Geschäftsleute sein, sich beim Fiskus schnell noch selbst anzuzeigen.

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Quelle:
SZ vom 30.11.2012/fzg
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