Die rot-grüne Landesregierung von Rheinland-Pfalz will aus dem Nürburgring-Debakel ihre Lehren ziehen. Dazu will sie einen "Beauftragten für Wirtschaftlichkeit" bestellen sowie die Beteiligung des Landes an Unternehmen "auf das notwendige Maß reduzieren". Dies sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Dienstag der Süddeutschen Zeitung; fünf Tage nachdem der frühere sozialdemokratische Finanzminister des Landes, Ingolf Deubel, vom Landgericht Koblenz zu dreieinhalb Jahren Haft wegen Untreue verurteilt worden war.
Eigentlich wollte Dreyer sich zu dem Urteil erst äußern, wenn es rechtskräftig ist; also zum Beispiel, falls der Bundesgerichtshof die Revision des früheren Ministers verwirft. Über Ostern scheint ihr aber klargeworden zu sein, dass diese Linie kaum durchzuhalten ist; dass sie permanent darauf angesprochen würde. Am Dienstag wollte Dreyer zwar das Urteil als solches weiterhin nicht kommentieren; "das gehört sich nicht". Aber sie fügte an, es lasse sie "nicht unberührt", was das Urteil für Deubel bedeute, dass es für dessen Ansehen "ein Desaster" sei. Dreyer sagte, sie sei froh, dass der Ex-Minister Revision eingelegt hat: "Das Urteil wirft schließlich Rechtsfragen auf, die grundsätzlich beantwortet werden müssen."
Während Steuerhinterziehung schon immer strafrechtlich verfolgt wurde, war dies das erste Mal, dass einem Politiker in Deutschland Steuerverschwendung als Untreue ausgelegt wurde. Der stellvertretende FDP-Chef Wolfgang Kubicki nannte das Urteil an Ostern "überfällig und bahnbrechend".
Mehr Transparenz, mehr Kontrolle
Die Anklage hatte Deubel vorgeworfen, mehrere Hunderttausend Euro veruntreut zuhaben, indem er Provisionen bewilligte, für die die Empfänger nichts geleistet hätten. Außerdem habe er Landesgeld in Höhe von zwölf Millionen Euro gefährdet. Deubel, 64, war bis 2009 Finanzminister von Rheinland-Pfalz. Weil sein Finanzierungsmodell, mit dem er aus dem Nürburgring einen Freizeitpark machen wollte, gescheitert war, trat er zurück.
Der neue "Beauftragte für Wirtschaftlichkeit" könnte beim Landesrechnungshof angesiedelt sein, sagte Dreyer der SZ. Das müsse mit der Behörde aber noch besprochen werden. Der Beauftragte soll vor Entscheidung zu Großprojekten unabhängig von der Regierung prüfen, ob deren Vorhaben und die Vorgehensweise überhaupt sinnvoll ist. So will die Ministerpräsidentin mehr Transparenz und Kontrolle bei den Ausgaben sicherstellen - trotz des in der Landesverfassung festgelegten Prinzips, dass jeder Minister sein Ressort "selbständig und unter eigener Verantwortung leitet".
Die Lehre aus dem Nürburgring soll nicht sein, dass das Land künftig von Infrastruktur-Projekten die Finger lässt; wohl aber nach Dreyers Worten, dass es sich diese Projekte genauer überlegt. "Wir müssen keine Hotels betreiben oder Achterbahnen bauen", sagte sie. Und wenn das Land sich doch an Wirtschaftsunternehmen beteiligt, solle künftig das Vier-Augen-Prinzip gelten: Der Minister, der ein Projekt federführend betreibt, soll nicht auch noch eine Funktion in dem Unternehmen haben.
Beim Nürburgring war alles auf Deubel zugeschnitten: Der Finanzminister betrieb nicht nur im Auftrag des damaligen Regierungschefs Kurt Beck die Finanzierung des Projekts. Sondern er war auch Aufsichtsratsvorsitzender des Nürburgrings. Eine solche Verknüpfung will Dreyer nicht mehr zulassen.
Darüber hinaus wies die Ministerpräsidentin auf einen Kodex zur Führung von landeseigenen Firmen hin, auf den sich das Kabinett im Dezember verabredet hatte; ebenfalls als Folge des Scheiterns am Nürburgring. Darin ist unter anderem festgelegt, dass die Mitglieder von deren Aufsichtsräten "nicht in einer geschäftlichen oder persönlichen Beziehung" zu dem Unternehmen oder dessen Leitung stehen "sollen".
Malu Dreyer ist seit Januar vergangenen Jahres Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, zuvor war sie Sozialministerin. Ihr Vorgänger Beck war nach knapp 19 Jahren zurückgetreten; unter anderem das Debakel am Ring hatte seiner Gesundheit zugesetzt. Die nächste Landtagswahl ist im Frühjahr 2016.