Nach einem Jahr BER-Chef:Kämpfer auf Nebenschauplätzen

Hartmut Mehdorn

Ein Prellbock für die Politik: Hartmut Mehdorn, damals noch Air-Berlin-Chef, auf dem künftigen Berliner Flughafen.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Seit einem Jahr soll der einstige Bahn-Chef Mehdorn das Chaos auf dem Hauptstadtflughafen ordnen. Das Problem mit dem Brandschutz hat er nicht gelöst, einen Eröffnungstermin gibt es ebensowenig. Dafür bietet er viel Angriffsfläche.

Von Jens Schneider

Auf dem Rollfeld putzen sich zwei Reiher. Sie haben ihre Ruhe hier, ein paar Hundert Meter weg vom neuen Terminal, wo lange schon groß steht: "Berlin Brandenburg Airport Willy Brandt". Die Kunst am Bau ist schon da, weiße Ballons wie an einer Traube hängen neben dem Namenszug. Der Tower ist fertig, die Landebahn, vor dem Terminal zeigen an den Fluggastbrücken rote Lampen ihre Funktionsbereitschaft an. Fast alles ist, als könnte es morgen losgehen.

Auch drinnen, im Terminal, erscheint vieles, als stünde die Eröffnung für morgen bevor. Man könnte einchecken, am Check-in funktionieren die Waagen für das Gepäck und die Laufbänder. Es ist wie in einem düsteren Traum, in dem alles zum Leben da zu sein scheint, und es doch nicht weitergeht.

Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn, bekannt als notorisch ungeduldig, muss sich fühlen wie ein Sprinter, der kurz vorm Ziel auf der Stelle tritt, als hielte ihn ein Gummiband fest. Vielleicht hat er sich deshalb auch Nebenschauplätze gesucht in den letzten Monaten. Vor einem Jahr hat der inzwischen 71 Jahre alte einstige Bahn-Chef die Führung auf Deutschlands heikelster Baustelle übernommen. Der Hauptstadtflughafen in Schönefeld brauchte nach dem gescheiterten Start einen Neuanfang, den sollte Mehdorn mit seiner Art bringen, die einige direkt, andere ruppig nennen.

Seither hat er viel umgekrempelt, vor allem das "Sprint-Beschleunigungsoffice" gegründet, das im Terminal sitzt. Hier trafen sich die Experten für alle Bereiche anfangs jeden Morgen. Sie sollten direkt ansprechen, wo es hakt, nachdem zuvor auf der Baustelle viel nebeneinander gelaufen war. Reden, statt E-Mails zu verfassen, lautet eine von Mehdorns Maximen.

Doch der Sprint wird ein längerer Lauf. Nach einem Jahr unter Mehdorn gibt es keinen Eröffnungstermin, keinen Betriebsplan, auch keinen Termin, an dem der Eröffnungstermin verkündet werden könnte. Und so schön das meiste aussieht, so war vieles schon vor zwei Jahren, als die Eröffnung wegen der Probleme beim Brandschutz verschoben werden musste.

Es ist einiges bewegt, manches gebaut worden danach. Aber der Brandschutz für den Terminal ist noch nicht gelöst. Man arbeite daran, sagt Mehdorn. Im Gespräch malt er, während er Probleme erklärt, ständig Dreiecke, Kreise und Pfeile, um das schwierige Projekt begreiflich zu machen. Seit dem Baubeginn 2006 habe sich die Zahl der Fluggäste in Berlin fast verdoppelt, erklärt er - auf jetzt schon annähernd 27 Millionen. Und wenn man statt eines Einfamilienhauses eines für zwei Familien baue, dann sei das eben komplizierter, dauere länger, und koste mehr.

Ministerpräsident Woidke und Mehdorn fremdeln

"Wo ist der Skandal?" fragte er deshalb in Interviews zum Jahrestag. Am Ende werde man im internationalen Vergleich einen der preiswertesten Flughäfen bauen. Es gibt Geraune über einen arg direkten Führungsstil; aber der war von ihm zu erwarten. "Ich lasse mir keine Noten geben von Leuten, die mich und meine Arbeit nicht kennen", sagt er. "Dieser Jahrestag spielt für mich keine Rolle. Aber gefühlt waren es drei Jahre." Fachleute zögern, seine Arbeit im schwer durchschaubaren Projekt zu beurteilen. Angesichts der komplexen Aufgabe empfiehlt sich eine gewisse Demut.

Kritikern bietet Mehdorn dafür auf Nebenschauplätzen Angriffsfläche. Will er ablenken? Es könnte auch sein Temperament sein, das keine Toleranz für Niederlagen zulässt. Da ist der abgesagte kleine Probebetrieb: Er plante ihn für diesen Sommer. Den Aufsichtsräten aus den Regierungen in Berlin und Brandenburg erschien das zu teuer und zweifelhaft, sie bremsten. Als Mehdorn absagen musste, verband er das mit heftiger Kritik am Aufsichtsrat. Das gleiche Spiel wiederholte sich, als die Sanierung einer Startbahn wegen strikter Lärmschutzauflagen verschoben werden musste. Mehdorn maulte über mangelnde Unterstützung aus der Politik, vor allem aus Brandenburg.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der im letzten Herbst von Matthias Platzeck das Amt übernahm, und der Flughafenchef fremdeln. Woidke bedenkt offenbar sehr seine bevorstehende Landtagswahl im Herbst. Da kommt bei Mehdorn das Gefühl auf, dass für den Potsdamer Regierungschef die Flughafen-Eröffnung von nachrangiger Bedeutung ist.

Das alles spielt für den Brandschutz und Lösungen für sonstigen Pfusch keine Rolle. Aber der Zusammenarbeit hilft es kaum. Dabei dient Mehdorn inzwischen als eine Art Prellbock für die Politik. Er zieht Kritik auf sich, Woidke und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit stehen als seine Kontrolleure da.

Doch ob er nun über Probleme mit ängstlichen Behörden klagt, oder über Ausschreibungsregeln der EU, am Ende landet auch Mehdorn stets bei der Erkenntnis, dass allein der Tag der Eröffnung zählt.

Das interne Ziel ist, in diesem Jahr fertig zu werden mit dem Bau, spätestens im Frühjahr 2015. Danach aber wird es noch eine Abnahme geben, die sehr lange dauern kann. Am 11. April tagt der Aufsichtsrat das nächste Mal. Ein Eröffnungstermin soll auch da noch nicht verkündet werden.

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