Nach der Übernahme durch Microsoft:Was von Nokia übrig bleibt

Windows Nokia Phone is seen on display at Microsoft's annual shareholder meeting in Bellevue

Wie sieht die Zukunft von Nokia aus, ohne Handys?

(Foto: REUTERS)

Nokia verkauft die Handysparte an Microsoft. Was bleibt übrig? Da wäre zum Beispiel der Navigationsdienst Here: Er steckt schon jetzt in vielen Autos. Samsung sieht darin eine Chance, die eigenen Produkte von Google zu emanzipieren.

Von Varinia Bernau

Im Internet gibt es zu jeder Frage eine Antwort. Was? Das weiß Google am besten! Wer? Da kennt sich Facebook aus. Und wo? Dafür soll Here zuständig sein. Dass den Navigationsdienst, anders als die Suchmaschine und das soziale Netzwerk, nur wenige kennen, liegt daran, dass er bislang ganz gut versteckt ist. Beispielsweise in vier von fünf Autos, die weltweit, mit einem Navi ausgestattet, unterwegs sind.

Das Kartenmaterial, aber auch das Wissen, wie man es am besten an den Mann bringt, stammen von Nokia. Genauer genommen von dem amerikanischen Unternehmen Navteq, das sich die Finnen vor sechs Jahren gesichert haben. Damals haben sie eine ähnliche Summe gezahlt wie jene, die sie nun von Microsoft für ihre Handysparte erhalten. Die Navi-Sparte Here ist heute mit ihren 6000 Mitarbeitern und einem jährlichen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro die große Hoffnung, dass Nokia eine Zukunft hat - auch ohne Handys.

"Derzeit ist erst jeder vierte Neuwagen weltweit mit einem integrierten Navigationsdienst ausgerüstet. Da ist also noch Luft nach oben", sagt Michael Halbherr, Nokias oberster Manager für Here. Und er lässt keine Zweifel daran, dass er ein paar Ideen hat, wo er sein Kartenmaterial in Zukunft noch einbringen könnte: Fitnessarmbänder, die Joggern in fremdem Gelände helfen; Datenbrillen, die Touristen Orientierung geben - oder, wie schon heute, auf dem Smartphone. Wie sich ein einfacher Wegweiser dort aufhübschen lässt, hat Nokia bereits im Sommer mit dem Dienst Live Sight gezeigt: Wenn man das Handy wie eine Kamera vor die Straßenkulisse hält, erklärt es einem auch, vor welcher Sehenswürdigkeit man gerade steht.

"So gut wie wir ist sonst nur Google"

Auf den Smartphones, so sagt Halbherr, hätte das Unternehmen auch weitere Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Wenn Audi oder Honda Nokias Navigationstechnologie verwendet, zahlen die Autohersteller Lizenzgebühren. Apps aber, die einem auf dem Smartphone den Weg weisen, lässt sich auch der Privatmann heute schon einiges kosten. Und in Zukunft wäre dort auch Werbung denkbar: Sobald Nokia jemanden, der neue Schuhe sucht, durch ein Einkaufszentrum leitet, könnte auch ein Schnäppchenangebot für Deichmann auf dem Smartphone aufploppen - und Nokia könnte dann von dem Schuhhändler eine Provision verlangen.

Gewiss, das könnten auch andere Anbieter. Aber die anderen fürchtet Halbherr nicht. "Man behält einen Dienst nicht Erinnerung, wenn man ans Ziel gekommen ist. Man behält ihn in Erinnerung, wenn man nicht dort angekommen ist", sagt er. Soll heißen: Ein Navi muss gut sein. Und das traut Halbherr kaum einem anderen zu: "So gut wie wir ist sonst nur Google." Amazon hat das bereits erkannt - und lässt die Kunden auf seinem Kindle Nokias Navigationsdienst nutzen; auch Samsung will diesen in sein eigenes Betriebssystem Tizen einbinden, an dem die Koreaner tüfteln, um sich von Google zu emanzipieren.

Auch Apple hat schon angeklopft

Warum aber ausgerechnet Apple nach all den Pannen mit miesem Kartenmaterial auf dem iPhone im vergangenen Jahr nicht bei Nokia angeklopft hat? "Wir haben signalisiert, dass wir bereitstehen für alle, die unsere Dienste benötigen", betont Halbherr. Nun, da Nokia-Handys die Sache von Microsoft sind, wird er es wohl etwas leichter haben, mehr Gerätehersteller davon zu überzeugen, dass er Nokia keinen besseren Service bietet als all den anderen.

Here erwirtschaftet zwar bereits einen Gewinn. Gemessen an den Erlösen war die Sparte aber nur eine kleine Nummer im Reich von Nokia. Deshalb braucht der Navigationsspezialist wohl auch die finanzielle Unterstützung von der zweiten Sparte, die bei den Finnen bleibt und mehr als das Doppelte an Umsatz macht: dem Netzwerkausrüster.

Bis vor wenigen Monaten hat Nokia diese Sparte gemeinsam mit Siemens betrieben. Und zwar, ebenfalls bis vor wenigen Monaten, nicht sonderlich erfolgreich. Sylvain Fabre, Analyst bei dem auf IT spezialisierten Beratungsunternehmen Gartner, glaubt aber, dass die Netzwerksparte NSN auf dem richtigen Weg ist: "Rajev Suri hat einen guten Job gemacht." Der Inder war angetreten, um den Netzwerkausrüster zu einem Spezialisten für LTE zu machen, also für jenes neue Mobilfunknetz, das auch schnelles Surfen im Internet ermöglicht. Suri sortierte alles aus, was nicht dazu passte.

Und er strich weltweit mehr als 20.000 Stellen. Gleichzeitig aber gewann er Aufträge - vor allem in Japan, Südkorea und Nordamerika. Dort, wo die ersten Netze auf den neuen Mobilfunkstandard umgerüstet wurden, hatte NSN gegenüber den Rivalen die Nase vorn. Nun gelte es, in den nächsten Ländern Pflöcke einzuschlagen, sagt Fabre. "Von den 800 Mobilfunkanbietern weltweit hat sich noch nicht einmal die Hälfte daran gemacht, die neuen Netze auszubauen."

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