Brennelementesteuer: RWE prüft Klage:Genug ist nicht genug

Die Atombranche gibt ihren Widerstand gegen die Brennelementesteuer trotz längerer Laufzeiten für Kernkraftwerke nicht auf. Eine Klage sei noch nicht vom Tisch, sagt RWE-Vizechef Schmitz.

Markus Balser

RWE-Vizechef Rolf Martin Schmitz ist Herr über den größten Kraftwerkspark Deutschlands. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung übt er trotz längerer Laufzeiten harte Kritik am Energiekonzept der Regierung. Es beruhe auf illusorischen Annahmen. Im Streit um die Atomsteuer legt die Branche nach: Eine Klage ist nicht vom Tisch. Auch eine zweite Laufzeitverlängerung in einigen Jahren hält Schmitz für möglich.

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Die Meiler bleiben länger am Netz, doch zufrieden ist er mit der Atom-Einigung der Bundesregierung nicht: Rolf Martin Schmitz, RWE-Vizechef.

(Foto: Getty Images)

SZ: Herr Schmitz, lange Laufzeiten, niedrigere Steuer: Nach Ihrem zähen Widerstand schont die Bundesregierung die Atombranche. Ökostromanbieter sprechen von Kniefall. Hat der Druck der vergangenen Monate gewirkt?

Rolf Martin Schmitz: Das war kein Kotau der Bundesregierung vor den Energiekonzernen. Im Gegenteil. Wir hatten uns längere Laufzeiten gewünscht. Aber wir tragen das langfristige Energiekonzept mit.

SZ: Acht Jahre mehr für alte Meiler und 14 für neue Kraftwerke sind mehr als gedacht. Das reicht Ihnen noch nicht?

Schmitz: Technisch geht mehr, das zeigen die Laufzeiten baugleicher Meiler im Ausland. In acht Jahren wird man nun analysieren müssen, ob wir beim Umbau der Energiebranche dann weit genug gekommen sind. Ich sehe einige Punkte im Zukunftskonzept kritisch. Weder die Energieszenarien, noch das Konzept der Regierung haben mich zuversichtlicher gemacht, dass ein schneller und radikaler Umstieg allein auf erneuerbare Energien technisch machbar, zuverlässig und auch noch bezahlbar ist.

SZ: Was lässt Sie zweifeln?

Schmitz: In den Energieszenarien findet sich die Annahme, dass sich der Stromverbrauch durch mehr Effizienz in Deutschland um 28 Prozent senken lässt. Daran glauben wir nicht. Neue Elektrogeräte verbrauchen meist weniger als alte. Das heißt aber nicht, dass der Verbrauch sinkt, weil wir Strom in immer mehr Bereichen einsetzen. Beispiel Elektroautos. Mir scheinen das Annahmen zu sein, um einen sehr schnellen Umbau zu rechtfertigen.

SZ: Was spricht dagegen?

Schmitz: Wir brauchen konventionelle Kapazitäten und wir brauchen neue Netzkapazitäten. Denn mit dem steigenden Anteil schwankungsanfälligen regenerativen Stroms wachsen Risiken für die Stabilität. Dem müssen wir begegnen. Ein einstündiger Blackout würde die deutsche Wirtschaft eine Milliarde Euro kosten. Ein ganzer Tag dreißig Milliarden Euro. Das wäre fatal.

SZ: Die Brennelementesteuer fällt niedriger aus als gedacht. Die Branche zahlt statt 3,1 weniger als 2,3 Milliarden Euro. RWE hatte mit einer Klage gegen die Steuer gedroht. Wird RWE nun juristisch dagegen vorgehen?

Schmitz: Das werden wir im Zusammenhang mit einer Gesamtbewertung des beschlossenen Pakets entscheiden. Klar ist: Die Steuer trifft uns hart. Wir sind als Vorstand gehalten, die Interessen unserer Aktionäre zu schützen. Dies bedarf einer entsprechenden Abwägung.

SZ: Was haben die Verbraucher vom Atomkompromiss? Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle erwartet sinkende Strompreis. Sie auch?

Schmitz: So einfach ist es nicht. Die Laufzeitverlängerung wirkt dämpfend auf den Strompreis. Dennoch wird er in den kommenden Jahren tendenziell steigen, weil Emissionszertifikate teurer werden und die Umlagekosten für Erneuerbare Energien steigen. Aber der Anstieg wird weniger stark ausfallen als ohne Laufzeitverlängerung. Der Umbau ist nicht zum Nulltarif zu haben.

SZ: Die Opposition will das Rad bei einem Regierungswechsel zurückdrehen und kündigt Ihnen einen heißen Herbst an. Fürchten Sie die nächste Wende in der Energiepolitik?

Schmitz: Es gilt der Primat der Politik. Zu entscheiden hat die Bundesregierung, das war auch beim Ausstieg 2001 so. Wenn die Opposition von vornherein sagt, dem Ergebnis ist nicht zu trauen, finde ich das kritisch.

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