Nach dem Gebühren-Urteil:Nun ist Phantasie gefragt

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Die Karlsruher Richter haben ARD und ZDF den Rücken gestärkt. Nach der langwierigen Diskussion über die Gebührenfinanzierung müssen die Öffentlich-Rechtlichen die Skeptiker jetzt mit Qualität überzeugen.

Claudia Tieschky

Neulich sprachen Fritz Raff und Markus Schächter bei der Internationalen Funkausstellung in Berlin von den schönen neuen digitalen Welten ihrer Sender. Viel Wunderbares trugen der ARD-Vorsitzende und der ZDF-Intendant da im Backsteinhäuschen mit der Aufschrift "Funklounge" dem Publikum vor: das Angebot der Digitalkanäle, Abruf-TV im Internet, hochauflösendes HDTV-Fernsehen.

Hoffnungsträger: Anne Will und Frank Plasberg sollen das Image der Öffentlich-Rechtlichen retten. (Foto: Foto: AP)

Vieles, wovon die Privatsender meinen, dass es den Öffentlich-Rechtlichen nicht erlaubt sei.

Wenn Raff und Schächter dieser Tage auf solche Fragen manchmal wenig einfühlsam antworten, dann hat das womöglich mit den vergangenen drei Jahren zu tun, in denen ihnen das Recht auf fast alles abgesprochen wurde, was ihre Sender so tun.

Am Tiefpunkt dieser für ARD und ZDF gefährlichen Legitimationskrise stellte die Wettbewerbskommission in Brüssel auf Betreiben der Privatsenderlobby das öffentlich-rechtliche Finanzierungssystem komplett in Frage.

Zuhause in Deutschland forderten die Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), Georg Milbradt (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) in einem als SMS-Papier bekannt gewordenen Planspiel öffentlich die Streichung von Digitalkanälen und des Kultursenders Arte. Außerdem verlangten sie erhebliche Gebührenkürzungen und den Verzicht auf teure Sportrechtekäufe.

Rückendeckung für Verlassene

Es war in vielerlei Hinsicht eine gute Zeit für Privatsender: Auf dem Höhepunkt der Erregung machte der Medienunternehmer Haim Saban im Herbst 2004 sogar Platz auf seinem Sender Sat1 für eine Talkshow, in der unter anderem Thomas Gottschalk, Günther Jauch, der damalige Premiere-Boss Georg Kofler und Klaus Wowereit über die Gebühren streiten sollten. Zu sehen war eher ein Gespräch höflicher Entertainer, zum Showdown kam es in Sabans Schau nicht.

Wenn man so will, wurde der jetzt im Urteil von Karlsruhe nachgeholt. Die Rundfunkgebühr sei kein Instrument, um die Rundfunkordnung zu steuern, stellten die Richter fest und sie setzten hohe Hürden für eine Abweichung der Gebührenbewilligung durch die Länder von den Vorgaben der unabhängigen KEF.

Das Urteil fiel viel entschiedener aus, als es ARD und ZDF zu hoffen gewagt hatten. Das ist für die Sender umso wichtiger, als im Herbst die Gespräche zur neuen Gebührenrunde beginnen. Der Zeitpunkt passt also hervorragend.

Tatsächlich spielt sich die dramatische Geschichte vom Imageverlust momentan eher auf der Seite der Privatsender ab. Nach dem Verkauf der einst stark kreativen Pro-Sieben-Gruppe an die Finanzinvestoren von KKR und Permira geht zum Beispiel in diesen Medienunternehmen die Phantasie nicht mehr so auf Reisen. Dafür müssen andere auf Reisen gehen, zum Beispiel der Sat-1-Nachrichten-Anchorman Thomas Kausch zu Arte nach Straßburg - ein krasser Jobwechsel.

In dieser Lage kommt die Planungssicherheit aus Karlsruhe den Öffentlich-Rechtlichen wie gerufen. Zumal auch das Verfahren aus Brüssel seit April unter Auflagen eingestellt ist. Brüssel verlangt klare Profilabgrenzung von den Kommerzsendern: Transparenz, Besinnung auf den Grundauftrag und gesellschaftlichen Mehrwert.

Das unterstützt diejenigen in den Sendern, die ohnehin fanden, dass die Quotenkonkurrenz mit den Privaten nur dazu geführt habe, dass sich die Öffentlich-Rechtlichen längst in zu seichte Gewässer begaben, wo zwar niemand ertrinkt, aber fette Schiffe wie ARD und ZDF auch nicht schwimmen können.

Alle schauen auf Anne Will

Man kann die Krise der vergangenen Jahre an solchen Fehlern festmachen, auch an Schleichwerbung oder am Kauf überteuerter Sportrechte. Man kann aber auch voraussehen, dass jetzt offenbar die Öffentlich-Rechtlichen bald wieder obenauf sind. Auch weil ihnen die Digitalisierung erlaubt, ihr Programmpotenzial voll auszuspielen - mit gebührenfinanzierter Planungssicherheit und zum großen Verdruss der Verlegerverbände und Privatsender.

Deren Verband VPRT fordert nach dem Gebührenurteil einen "klaren Rahmen" für den Grundversorgungsauftrag. Karlsruhe dürfe kein "Freibrief für eine ungehinderte digitale Expansion" sein.

Darüber, wie nach Brüsseler Vorgabe die Digitalsender und Online-Angebote von ARD und ZDF wettbewerbsfair gestaltet werden, laufen derzeit Gespräche mit den Ländern. Sicher ist: Nach dem Ende der Gebührendebatte müssen die Sender eine Qualitätsdebatte führen.

Auch aus diesem Grund sind mit den neuen Sendungen von Anne Will und Frank Plasberg in der ARD hohe Erwartungen verbunden. Markus Schächter sagte in Berlin: "In den nächsten 30 bis 40 Wochen wird über die Zukunft des dualen Systems entschieden."

© SZ vom 12.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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