Süddeutsche Zeitung

Nach dem BGH-Urteil:"Einfach anschreiben funktioniert nicht"

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Wie können Bankkunden vom BGH-Urteil profitieren? Zunächst wohl überhaupt nicht, denn sie brauchen viel Geduld, sagt Finanzexperte Arno Gottschalk.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die Sparkassen-Klausel, derzufolge Zinsen und Entgelte nach eigenem Ermessen festgelegt werden, ist nicht rechtens. Verbraucherschützer raten Bankkunden daher, Kreditverträge rückwirkend überarbeiten zu lassen und Gebühren zurückzuverlangen.

Arno Gottschalk leitet den Bereich Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Bremen.

sueddeutsche.de: Herr Gottschalk, einem BGH-Urteil zufolge dürfen Banken die Zinsen nicht länger nach eigenem Ermessen erhöhen. Was muss ich als Kreditnehmer machen, wenn meine Sparkasse mich abgezockt hat?

Arno Gottschalk: Im Moment konnen Sie überhaupt nichts machen. Das Urteil klingt zwar gut, wir müssen aber zunächst einmal abwarten.

sueddeutsche.de: Warum?

Gottschalk: Wir müssen schauen, wie das Urteil im Volltext ausfällt, auf welche Kreditverhältnisse es anzuwenden ist und inwieweit sich Gelder von Banken überhaupt zurückfordern lassen.

sueddeutsche.de: Was heißt das konkret? Muss ich beweisen, dass meine Bank abkassiert hat?

Gottschalk: Im aktuellen Urteil ist nur eine Klausel verworfen worden. Die Berechnung von Erstattungsvorwürfen setzt aber voraus, dass der Kunde darstellen muss, wie die Anpassung richtigerweise hätte aussehen müssen. Ein Beispiel: Sie haben einen variablen Kredit und in den Kreditbedingungen steht nichts Genaues zur Zinsanpassung. Dann ergibt sich folgendes Problem: Wie lautet der entsprechende Referenzzinssatz? Doch das ist in der Rechtsprechung bislang nicht geklärt, und das ist das Problem.

sueddeutsche.de: Klingt nach viel Arbeit und viel Zeit, bis die Kunden ihr Geld wiedersehen ...

Gottschalk: Das wird wieder über Verbraucherzentralen und Anwälte laufen. Der Kunde muss seinen Schaden aufzeigen. Einfach die Bank anschreiben, wird nicht funktionieren. Es gibt in Deutschland kein Urteil, das besagt, dass die Bank auf die Kunden zugehen muss.

sueddeutsche.de: Wie groß ist der Anteil der Kredite mit variablen Zinssätzen in Deutschland denn überhaupt?

Gottschalk: In Deutschland haben die meisten Kredite keine variablen Zinssätze, denn der ist ja für eine bestimmte Dauer festgeschrieben. Höchstens fünf Prozent der Konsumentenkredite und weniger als zehn Prozent der Hypothekenkredite verfügen über einen variablen Zinssatz.

sueddeutsche.de: Das BGH-Urteil richtet sich speziell gegen Sparkassen. Inwieweit sind auch andere Geldinstitute von der Karlsruher Entscheidung betroffen?

Gottschalk: Das Urteil betrifft alle Banken, die mit dieser Willkürklausel arbeiten.

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