Nach dem Bahn-Streik:GDL verlangt Eingreifen der Regierung

Auch nach dem bundesweiten Streik bleiben Deutsche Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL unversöhnlich. Die Gewerkschaft fordert nun ein Eingreifen der Bundesregierung.

Nach dem dreistündigen Lokführerstreik am Freitag zeigen sich beide Tarifparteien weiter unversöhnlich. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) will in der kommenden Woche notfalls auch ohne größere Ankündigung streiken, wenn ihr bis Dienstagmittag kein neues Angebot vorliegen sollte. Bahn-Personalvorstand Margret Suckale schloss Zugeständnisse an die GDL aus.

GDL-Chef Manfred Schell sagte der Passauer Neuen Presse: "So, wie die Bahn mit uns umgegangen ist, werden wir anderenfalls Streiks nur noch kurzfristig ankündigen". "Der Bahnvorstand hat die Lokführer ständig diskreditiert."

Schell sprach sich außerdem für ein "klärendes Gespräch" mit dem Bahnvorstand und der Bundesregierung aus. "Als Eigentümer hat der Bund eine Verpflichtung. Die Bundesregierung kann sich dieses Spiel nicht länger ansehen. Die Aufrufe, man solle sich am Riemen reißen, verhandeln und Streiks vermeiden, helfen nicht mehr."

Gefordert seien Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Tiefensee lehnt eine Einmischung ab. Suckale sagte der Bild am Sonntag: "Wir lassen uns weder erpressen noch einschüchtern. Unser Angebot steht: Jeder Lokführer, der will, kann zehn Prozent mehr Geld verdienen. Das ist fair." Unfair sei es hingegen, "wenn GDL-Chef Manfred Schell weiterhin seine absurden Lohnforderungen von 31 Prozent auf dem Rücken von Millionen Bahnkunden und der anderen 220 000 Bahnmitarbeiter durchsetzen will", kritisierte Suckale.

Arbeitsplätze in Gefahr?

Sie betonte, dass die "GDL-Streikwilligen gerade einmal drei Prozent aller Konzernbeschäftigten" repräsentierten. Suckale warf der GDL vor, durch ihre Streiks den Verlust von Arbeitsplätzen in Kauf zu nehmen. "Offenbar scheut GDL-Chef Manfred Schell nicht davor zurück, Arbeitsplätze bei der DB AG in Gefahr zu bringen".

Am Freitag hatte die Gewerkschaft im morgendlichen Berufsverkehr für drei Stunden Nahverkehrszüge und S-Bahnen in ganz Deutschland bestreikt. Die Bahn hatte aber bereits einen ganztägigen Notfahrplan aktiviert. Dadurch fuhr nur die Hälfte der üblichen knapp 40 000 Züge. Millionen Pendler mussten Verspätungen hinnehmen.

Das Arbeitsgericht Chemnitz hatte einen Streik der GDL erst in der Nacht zum Freitag für den Nahverkehr zugelassen, nicht aber ebenfalls geplante Aktionen im Güter- und Fernverkehr. Der Ausstand dauerte von 8.00 bis 11.00 Uhr. Weder auf den Bahnhöfen noch im Straßenverkehr der Ballungszentren gab es ein Chaos. Viele Pendler machten sich offenkundig früher auf den Weg und vermieden so die Streikzeit. Es war die erste Arbeitskampfmaßnahme der GDL seit zwei Monaten.

31 Prozent mehr Lohn

Die GDL will einen eigenständigen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Geld für das Fahrpersonal durchsetzen. Die Bahn lehnt einen separaten Vertrag ab und verweist auf ihr bereits vorgelegtes Angebot. Demnach soll die GDL den mit den anderen Gewerkschaften Transnet und GDBA erzielten Abschluss mit 4,5 Prozent Einkommensplus übernehmen. Durch bezahlte Mehrarbeit könnten die Lokführer am Ende bis zu zehn Prozent mehr Geld in die Tasche bekommen.

Die Bahn hatte vorsorglich Notfahrpläne bis zum Betriebsschluss am Freitag aufgestellt. "Die Entscheidung des Gerichts kam so spät, dass wir keine andere Wahl hatten, als die Ersatzfahrpläne anzuwenden", sagte Suckale. Solche Pläne sollen auch zum Einsatz kommen, falls die Lokführer nochmals streiken. Die Bahn sah ihre Rechnung aufgegangen: Zwei Drittel der 750 Fernzüge seien gefahren. Im Regionalverkehr habe man im Durchschnitt etwa die Hälfte des normalen Verkehrs angeboten. Blockaden seien verhindert worden.

Streikende mußten Bahnhöfe verlassen

Der Fahrgastverband Pro Bahn bescheinigte der Bahn eine richtige Reaktion. "Ein geplanter Ausfall ist immer noch kalkulierbarer", sagte der Vorsitzende Karl-Peter Naumann der Deutschen Presse-Agentur dpa. In einigen Regionen habe die Bahn jedoch "etwas überreagiert", etwa beim Streichen von Intercity-Zügen.

In mehreren großen Bahnhöfen forderte die Bahn nach eigenen Angaben streikende Lokführer zum Verlassen des Geländes auf. Sie hätten versucht, "massiven Einfluss auf fahrbereite Lokführer zu nehmen und sie bedrängt, sich am Streik zu beteiligen", berichtete das Unternehmen. GDL-Mitglieder hätten versucht, Servicepersonal daran zu hindern, Kunden Auskünfte zu geben.

Deshalb habe die Bahn von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht und die Streikenden aus den Bahnhöfen gewiesen, sagte ein Bahnsprecher. Die Entscheidung des Chemnitzer Arbeitsgericht löste eine politische Diskussion über die Mittel des Tarifkonflikts aus. Der DGB-Vorsitzende Michael Sommer sprach von einem Angriff auf das Streikrecht, mit dem auch die grundgesetzlich garantierte Tarifautonomie attackiert werde. Es sei "höchst problematisch", dass das Gericht bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit bestimmte Streikmaßnahmen für unzulässig erklärt habe. "Das Streikrecht ist nicht teilbar", stellt Sommer in Berlin fest.

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