Süddeutsche Zeitung

Nach dem Aus von South Stream:Russland und Türkei schließen Gas-Pakt

63 Milliarden Kubikmeter Gas sollten jährlich aus Russland nach Europa fließen - doch jetzt stoppt Putin den Bau der South-Stream-Pipeline. Stattdessen will er die Türkei besonders billig mit Energie versorgen.

Von Markus Balser, Moskau

Der Energiestreit zwischen Russland und der europäischen Union eskaliert. Überraschend kündigte Russlands Präsident Wladimir Putin am Montag an, das milliardenschwere Pipeline-Prestigeprojekt South Stream durch das Schwarze Meer derzeit nicht fertig bauen zu lassen. Als Grund nannte er die Blockadepolitik der Europäischen Union. Das South-Stream-Projekt sei wegen des Widerstands der Europäischen Union für Russland nicht durchführbar, sagte Putin bei einem Staatsbesuch in der Türkei.

Die Pipeline sollte Gas an der Ukraine vorbei von Russland nach Europa bringen. Ihr Bau war zuletzt angesichts der russischen Ukraine-Politik heftig umstritten. In Brüssel wuchs die Sorge, Europa könne noch abhängiger von russischem Gas werden. Das South-Stream-Projekt wurde im Jahr 2012 ins Leben gerufen und sollte eigentlich 2016 fertig werden. Die 2400 Kilometer lange und 16 Milliarden Euro teure Pipeline sollte unter Führung des russischen Energiekonzerns Gazprom gebaut werden und jährlich bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas über das Schwarze Meer in die EU transportieren. Auch Gazprom sieht offenbar keine Zukunft. "Das Projekt ist geschlossen. Das war's", sagte Gazprom-Chef Alexej Miller.

Bulgarien hatte im Juni die Vorarbeiten ausgesetzt

Russland wirft der EU vor, Druck auf Mitgliedsstaaten auszuüben, die an der Pipeline beteiligt sind. Nach Bedenken aus Brüssel und Washington hatte das Transitland Bulgarien im Juni die Vorarbeiten an der Pipeline ausgesetzt. Die USA hatten insbesondere kritisiert, dass Bulgarien ein russisches Konsortium ausgewählt hatte, um den Teilabschnitt durch das Land zu bauen.

"Wenn Bulgarien außerstande ist, sich wie ein souveräner Staat zu benehmen, so soll es von der EU-Kommission das Geld für den nicht erhaltenen Vorteil einfordern", sagte Putin nun. Allein aus dem Transit von russischem Gas könnte Bulgarien mindestens 400 Millionen Euro im Jahr einnehmen.

Für westliche Partner kommt der Vorstoß überraschend

Selbst für westliche Gazprom-Partner kommt der Vorstoß nach SZ-Informationen vollkommen überraschend. Demnach wurde die BASF-Tochter Wintershall, die zu 15 Prozent an der Pipeline beteiligt ist, von der Entscheidung ebenso überfahren wie der italienische Eni-Konzern und Frankreichs Versorger EdF. Formell ist für einen Stopp ein Beschluss des Aufsichtsrats aller South-Stream-Investoren nötig. Allerdings hat dort Gazprom als Mehrheitseigner das gewichtigste Wort. Zuletzt waren Zweifel laut geworden, ob sich die Trasse nach Europa angesichts fallender Gaspreise für Gazprom noch rentiere.

Russland will das für Europa bestimmte Gas offenbar der Türkei liefern. Gazprom-Chef Miller sagte, Russland und die Türkei hätten ein Memorandum für den Bau einer Offshore-Pipeline für jährlich 63 Milliarden Kubikmeter Gas unterzeichnet - exakt das Volumen von South Stream. Putin stellte der Türkei, die der Nato angehört, zudem von 2015 an eine Senkung des Preises für russisches Gas um sechs Prozent in Aussicht. Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Abnehmer von russischem Erdgas. Das Land könnte künftig die Rolle eines Gasumschlagplatzes für Südeuropa spielen.

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SZ vom 02.12.2014/sks
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