Mutmaßlicher Finanzbetrüger: Florian Homm drohen 225 Jahre Haft

Florian Homm

Der mutmaßliche Millionenbetrüger und ehemalige Hedgefond-Manager 2006 in einer Talkshow.

(Foto: Steffen Kugler/dpa)

Der frühere Finanzjongleur Florian Homm steht kurz vor seiner Auslieferung aus Italien in die USA, wo ihm 225 Jahre Gefängnis drohen. Anwälte hatten versucht, ihn zurück nach Deutschland zu holen - doch die hiesige Justiz hat kein Interesse an dem mutmaßlichen Betrüger.

Von Klaus Ott und Markus Zydra

Es war ein aufwühlender Brief, den Maria Barbara Homm, die Mutter des früheren Finanzjongleurs, am 13. Januar 2014 an die italienische Justiz und an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg geschickte hatte. Die 81 Jahre alte, schwer kranke Frau bat um Milde für ihren ebenfalls sehr mitgenommenen Sohn, der in Pisa im Gefängnis sitzt und der in Kalifornien vor Gericht gestellt werden soll. Eine Auslieferung in die USA wäre "sein Todesurteil", schrieb die besorgte Mutter, nachdem sie ihren Sohn in der Haftanstalt besucht hatte.

Florian Homm leidet an Multipler Sklerose. Man habe ihm die notwendige Behandlung verweigert und er sei wegen falscher Ernährung so stark abgemagert, dass er nicht mehr laufen könne, klagte die Mutter. In den USA drohen dem Ex-Spekulanten formal 225 Jahre Gefängnis, also faktisch lebenslange Haft. Homm soll Anleger bei Wertpapiergeschäften um 200 Millionen Euro betrogen haben, was er zurückweist. Der Beistand der Mutter hat bislang nichts genutzt. Jetzt entschied das italienische Justizministerium, dass Homm in die USA überstellt werden darf. Das bestätigte sein Anwalt Mario Zanchetti auf Anfrage.

Sein Mandant habe ein entsprechendes Schreiben aus Rom erhalten, sagte Zanchetti. In den nächsten Wochen schon könne Homm ins Flugzeug gesetzt werden, erklärte der Anwalt. Er will das noch verhindern, per Einspruch bei Gericht in Rom und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Doch der Rechtsweg in Italien ist schon weitgehend ausgeschöpft, und ob sich die Straßburger Richter des Falles annehmen und Homms Auslieferung stoppen, ist zweifelhaft. Den Rest seines Lebens würde der 54-Jährige dann hinter Gittern verbringen, als kranker Mann. Er war im März 2013 nach mehr als fünf Jahren Flucht in Italien festgenommen worden.

Welch ein Leben, welch ein Absturz.

Homm hatte erfolgreich an der Börse gezockt, war mit fragwürdigen Geschäften vermögend geworden, er besaß eine Villa auf Mallorca, posierte gerne mit einer dicken Zigarre, und er ließ sich zwischenzeitlich sogar als Retter des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund feiern. Ohne ihn, behauptete der neureiche Kapitalist, wäre der einstige Arbeiterklub "in der Oberliga gelandet". Nun ist der 2,03 Meter große, frühere Junioren-Nationalspieler im Basketball selbst unten gelandet, ganz unten. Die Haftbedingungen in Pisa sollen katastrophal sein.

Ihm seien wichtige Medikamente verweigert werden, schrieb seine Mutter in dem Brief an die Justiz, der in Kopie auch an die Gefängnisärzte und den deutschen Botschafter in Rom ging. "Ich klage Sie alle an wegen unterlassener Hilfeleistung." Vielleicht kommt das alles zu spät, vielleicht hat Homm in seinem schillernden Leben ja zu viele Leute vor den Kopf gestoßen oder gar hintergangen. "Ich bin ein Trouble-Maker, der in Risiken Chancen sieht", tönte der Spekulant in wilden Zeiten. "Schon okay, wenn man mich Plattmacher oder Aasgeier nennt."

Der Sohn eines Handwerksmeisters aus dem hessischen Bad Homburg hatte nach seinem Abschluss an der Elite-Universität Harvard bei der internationalen Großbank Merrill Lynch begonnen und 1993 eine Investmentgesellschaft gegründet. Sein Großonkel war der legendäre Versandhauskönig und Dressur-Olympiasieger Josef Neckermann. Doch der Familie machte Homm nicht viel Ehre. Er soll Aktienkurse manipuliert haben. Eine Geldstrafe über 70 000 Euro und eine Geldbuße über 50 000 Euro steht in seinen deutschen Akten, die aber längst geschlossen sind. Zu Homms heutigem Leidwesen, denn in die Heimat würde er sich viel lieber ausliefern lassen als in die USA. Einer seiner Anwälte hatte versucht, nach der Verhaftung in Italien noch schnell ein Verfahren in Hessen wegen Steuerhinterziehung loszutreten.

Ein Frankfurter Staatsanwalt zeigte offenbar Interesse, doch das hessische Justizministerium spielte nicht mit. Das Ministerium sei an einem Auslieferungsantrag für Homm nicht interessiert, erfuhr der Anwalt, der in Frankfurt vorgefühlt hatte. Deutsche Politiker wollten sich nicht die Finger verbrennen an einem öffentlichen Verfahren gegen den Ex-Finanzjongleur, mutmaßte dieser Anwalt in einer Mail an einen Kollegen. Vielleicht gebe es bei Homm noch "Leichen im Keller", vor denen sich manche Leute fürchteten. Wie dem auch sei, aus seiner Heimat darf sich der Auslieferungs-Häftling in Pisa keine Hilfe erwarten. Nun bleibt ihm nur noch die Hoffnung auf Mario Zanchetti, seinen Rechtsbeistand in Italien, und dessen juristische Künste. Zanchetti will bei Gericht in Rom und in Straßburg erreichen, dass die Auslieferungserlaubnis des italienischen Justizministerium nicht vollzogen werden darf, ehe sich die Justiz ausführlich mit dem Fall beschäftigt habe.

Die in den USA drohende lebenslange Haft verstoße gegen europäische Rechtsgrundsätze, sagt Zanchetti. Das müsse geklärt werden. Unter Juristen, die sich mit solchen Verfahren auskennen, gilt das als Griff nach dem Strohhalm. Homms Mutter befürchtet längst das Schlimmste für Ihren Sohn. Hier werde ein Menschenleben geopfert, schrieb sie in ihrem Brief vom 13. Januar 2014 an die Ärzte und Richter. "Gott möge Ihnen verzeihen, ich kann es nicht."

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