Namen im Netz veröffentlicht:Darum enttarnt die Schweiz mutmaßliche Steuerhinterzieher

Schweiz,  Zuwanderung

Die Schweizer halten die Fahne hoch - und das Bankgeheimnis. Doch nun veröffentlichen die Behörden Namen von möglichen Steuersündern.

(Foto: REUTERS)
  • Die Schweizer Regierung hat auf ihrer Internetseite mutmaßliche Steuerhinterzieher veröffentlicht. Bisher war die Schweiz sehr diskret, wenn es um geheime Bankkonten ging.
  • Wahrscheinlich handeln die Schweizer Behörden in dieser Sache formal korrekt. Es handelt sich um eine Art der "öffentlichen Zustellung".
  • Ein Bismarck-Nachfahre ist bislang der einzige halbwegs prominente Fall.

Von Bastian Obermayer

Man findet die mutmaßlichen Steuerhinterzieher mit nur ein paar Klicks, ihre Daten sind jederzeit und für jeden aufrufbar im Internet. Und zwar erstaunlicherweise auf der Internseite der Schweizer Regierung. Die Schweizer Sonntagszeitung hatte davon berichtet, und die Nachricht machte schnell die Runde.

Es sind einige Hundert Namen, etliche aus Indien, einige aus Frankreich, Russland oder Schweden, zahlreiche davon aber auch aus Deutschland. Einer von ihnen ist ein Nachfahre des deutschen Reichskanzlers Otto von Bismarck, und damit wohl der bisher prominenteste Fall.

Ausgerechnet die Schweiz. Das Schicksal kaum eines anderen Landes ist so eng an das Bankgeheimnis geknüpft wie das der Schweiz. Kaum ein Land ist bis heute so diskret und verschwiegen, wenn es um geheime Bankkonten geht. Und jetzt veröffentlicht diese Schweiz die Namen mutmaßlicher Steuerhinterzieher - stellt sie also ohne Weiteres damit an den Pranger?

Nun, die Idee war eigentlich eine andere. Tatsächlich will die Schweiz in ihren etwas sperrig "Mitteilungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung" genannten Amtsblättern eigentlich helfen: Das Land informiert so mögliche Steuersünder, die nicht kontaktiert werden konnten - etwa weil den Schweizer Behörden keine Adresse bekannt ist - darüber, dass eine ausländische Behörde ein Amtshilfeersuchen gestellt hat. Ist das Amtsblatt veröffentlicht, hat der oder die Betroffene zehn Tage Zeit, sich mit seiner Adresse zurückzumelden - und Widerspruch einzulegen.

Die öffentlich gemachten Personen mit Steuerproblemen sind nicht verurteilt

Nur: Wie soll ein Betroffener davon erfahren? Kaum jemand dürfte regelmäßig die Internetseiten der Schweizer Behörden danach durchforsten, ob der eigene Name irgendwo genannt wird. Wie unbekannt diese Praxis ist, lässt sich gut daran ablesen, dass das Verfahren nach SZ-Recherchen tatsächlich schon mindestens seit Anfang 2012 läuft. Ohne mediale Reaktion. Und es wäre wohl auch länger unentdeckt geblieben, wäre nicht ein Redakteur der Sonntagszeitung darauf gestoßen.

So aber verkehrt sich das Anliegen ins Gegenteil. Alexandre Dumas von der Eidgenössischen Steuerverwaltung, der für die SZ am Montag nicht erreichbar war, nannte es im Interview mit der Sonntagszeitung "speziell", dass seine Behörde die Namen der möglichen Steuersünder öffentlich macht. Aber "speziell" trifft es nicht ganz. Eher schon könnte man das Vorgehen vielleicht vollkommen absurd nennen.

Wer weiß, welche Namen in den Archiven schlummern

Die Schweiz ist eben nicht irgendein Land, in der Schweiz ist das Nachbeben des "Swiss-Leaks" noch immer zu spüren: Ein Rechercheteam von mehr als 100 Journalisten, darunter auch Reporter des Guardian, von Le Monde und der Süddeutschen Zeitung, hatte gemeinsam mit dem Internationalen Consortium für Investigative Journalisten (ICIJ) gestohlene Kundendaten der Schweizer HSBC ausgewertet und darüber großflächig und tagelang berichtet. Ein Desaster für die Schweiz.

Im Land wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass der HSBC-Whistleblower Hervé Falciani nichts weiter als ein Dieb sei und dass die Privatsphäre von Bankkunden unrechtmäßig verletzt worden sei - noch dazu, wenn diese bisher nicht verurteilt worden seien. Das gleiche Argument wurde bemüht, als das ICIJ vor zwei Jahren die Namen von Tausenden Personen veröffentlicht hat, die Briefkastenfirmen in Steueroasen besaßen. Die Kritik daran war nirgends so heftig wie in der Schweiz.

Die Auswertung dieser Daten wird nicht mehr zu stoppen sein

Auch die von der Schweizer Regierung öffentlich gemachten Personen mit Steuerproblemen sind nicht verurteilt. Und wenn die Schweiz ausländischen Ämtern in Steuerdingen Amtshilfe gewährt, fehlt nur selten der Zusatz, dass die erlangten Unterlagen geheim zu halten seien.

Sicher ist: Die öffentliche Auswertung dieser Daten wird nicht zu stoppen sein. Zwar ist der Bismarck-Nachfahre bisher der einzige halbwegs prominente Fall, aber wer weiß, welche Namen in den Archiven der Eidgenössischen Steuerverwaltung noch schlummern.

Interessant übrigens: Nicht alle Namen werden vollständig genannt. Ausgenommen sind offenbar US-Bürger, etwa ein gewisser R. A. R., geboren am 5. April 1943, den die Schweizer Behörde über das Rechtshilfeersuchen der US-Steuerfahndung informierte. Und möglicherweise hat diese Information den Mann auch erreicht. Allerdings müsste er dafür die Internetseite der Schweizer Steuerbehörde nach seinem Kürzel durchsucht haben.

Wahrscheinlich handeln die Schweizer Behörden in dieser Sache formal korrekt - im hiesigen Beamtendeutsch kennt man ähnliche Vorgänge als "öffentliche Zustellung". Tatsächlich kann aber niemand der zuständigen Amtsträger im Ernst glauben, die über diesen Weg angeblich Informierten würde diese Information auch wirklich erreichen. Dass für den formalistischen Akt aber derart diskrete Informationen preisgegeben werden, noch dazu aller Welt, das ist für Schweizer Verhältnisse äußerst erstaunlich.

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