Einen Tretroller stellen sich die meisten wohl anders vor - irgendwie kleiner, filigraner. Das, was die Firma Tretty da in Münster auf die Straßen bringt, erinnert mehr an ein Fahrrad. Vor allem, weil es entsprechend große Reifen hat. Doch das Funktionsprinzip ist wie bei jedem klassischen Tretroller, der nur mit Muskelkraft angetrieben wird: ein paar kräftige Tritte, und der Roller rollt dahin.
Seit dieser Woche hat das Start-up Tretty 20 dieser Fahrzeuge als freies Sharing-System in Münster in Nordrhein-Westfalen stehen. Im September sollen es 100 Stück sein. "Wir hatten wegen der Corona-Krise Probleme bei der Produktion, aber wir wollten unbedingt starten, solange das Wetter noch gut ist", sagt Maximilian Weldert. Das Projekt sammelte bei einem Crowdfunding mehr als 60 000 Euro ein. Die Roller haben Weldert, sein Mitgründer Amir Timo Marouf und ihr Team komplett neu entwickelt und produziert. "Es gibt zwar schon einige Modelle auf dem Markt, aber keines davon ist robust genug, um als Sharing-Roller zu funktionieren", sagt Weldert. Also tüftelten er (eigentlich studierter Wirtschaftspsychologe) und Marouf (eigentlich Zahnarzt) in ihrer Freizeit daran, einen wirklich widerstandsfähigen Roller zu bauen. Das Ergebnis ist ein Gefährt, das komplett aus Edelstahl besteht und nicht so schnell Macken bekommt wie eines aus Aluminium, wenn die Nutzer aus Versehen mal eine Bordsteinkante mitnehmen. Außerdem sind ein großer Korb für einen Rucksack oder ähnliches montiert und natürlich ein Schloss mit GPS-Einheit, das per App entsperrt werden kann.
Normale Tretroller gelten nicht als Fahr-, sondern als Spielzeug
Die Gründer sehen drei Vorteile ihrer Roller: Diese brauchen keine Batterien und keinen Strom, also weniger Ressourcen. Außerdem sind sie wesentlich wartungsärmer als Fahrräder, weil sie keine Gangschaltung oder andere sensible mechanische Teile haben. Und sie sollen besser für Nutzer mit unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen nutzbar sein. Schließlich müssen keine Sitz- oder Lenkerhöhen verstellt werden.
Ein Problem gibt es allerdings: Während für E-Tretroller mit der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung im vergangenen Jahr geregelt wurde, wie sie am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, sieht das bei klassischen Tretrollern anders aus. "Sie gelten rechtlich eigentlich als Spielzeuge, dürften also eigentlich nicht auf dem Radweg oder der Straße gefahren werden", sagt Weldert. Für den Bürgersteig sind die Tretroller, mit denen man schnell Geschwindigkeiten von 20 Kilometern pro Stunde erreicht, allerdings nicht geeignet. In Münster fand sich eine Ausnahmeregelung mit der Stadt. "Insgesamt war die Verwaltung sehr kooperativ", sagt Weldert.
"Wir wollen nicht, dass man erst den Taschenrechner rausholen muss."
Den Start am vergangenen Freitag feierte dann auch Oberbürgermeister Markus Lewe mit, der die Roller als ökologisches Fahrzeug pries, das gut nach Münster passe. Das Ausleihen funktioniert über eine App, die der Anbieter Moqo aus Aachen für Tretty entwickelt hat. Das Entsperren kostet im Gegensatz zu den meisten E-Scooter-Angeboten nichts, danach zahlen Nutzer 19 Cent pro Minute. "Wir wollen nicht, dass man erst den Taschenrechner rausholen muss, um zu gucken, wie viel eine Fahrt wohl kostet." Demnächst soll es auch Flatrate-Angebote geben, für 30 Minuten Fahrt oder als Abo für einen ganzen Monat.
In Münster, einer Universitätsstadt mit einem gut ausgebauten Radwegenetz, sind natürlich Studierende eine wichtige Zielgruppe. "Perfekt wäre eine Kooperation mit der Uni, bei der alle Studierenden ein paar Euro über den Semesterbeitrag zahlen und dafür die Roller jeden Tag für eine bestimmte Zeit ohne zusätzliche Kosten nutzen können", sagt Weldert. Am ersten Wochenende registrierten sich 250 Nutzer. Die Tretty-Gründer wollen nun beobachten, wie sich das Interesse entwickelt, und gegebenenfalls in andere deutsche Städte expandieren. Parallel arbeiten sie auch an einem zweiten Standbein: Künftig wollen sie die Roller auch für Firmen mit großen Werksgeländen, Flughäfen und Freizeitparks anbieten.