Börse:Musk beschimpft Börsenmilliardär

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Elon Musk hat Tesla aufgebaut, heute einer der weltweit führenden Hersteller von Elektroautos. (Foto: Jonathan Ernst/Reuters)

Eigentlich ist es keine große Sache: Fondsmanager George Soros verkauft alle seine Tesla-Aktien. Doch dann wird Gründer Elon Musk persönlich. Viele sagen sogar: antisemitisch.

Von Victor Gojdka

Wenn Vermögensverwalter vierteljährlich bei der US-Börsenaufsicht ein Formular mit dem Kürzel "13F" einreichen müssen, wissen wohl nur Eingeweihte um die Brisanz dieser Dokumente. Hedgefondsmanager, Fondssternchen und Anlage-Gurus müssen in dem Formular offenlegen, was sie eigentlich lieber geheim halten würden: Welche Aktien sie gekauft haben und welche hochkant aus den Depots geflogen sind. Was Unternehmenslenker Elon Musk in diesen Dokumenten entdeckte, schien ihn tagelang nicht losgelassen zu haben. Bis es am Dienstagmorgen um 04.02 Uhr deutscher Zeit aus ihm herausplatzte. Auf Twitter, wo sonst.

Bereits am Freitag hatte der bekannte Börsenmilliardär George Soros, 92, Erstaunliches offengelegt: Seine Aktien des E-Autobauers Tesla im Wert von 16,3 Millionen Euro hat er in den vergangenen Monaten verkauft, nicht mal ein einziges Tesla-Papier hat der Investor noch behalten. "Soros erinnert mich an Magneto", twitterte Musk nun am Dienstagmorgen, um wenige Minuten später in Richtung Soros nachzusetzen: "Er will die Grundfeste der Menschheit untergraben. Er hasst die Menschheit."

Rein äußerlich gibt es wenig Ähnlichkeiten zwischen Soros und Magneto, dem Superschurken aus den US-amerikanischen Marvel-Comics. Die Fantasiefigur kann Magnetfelder erzeugen, elektromagnetische Pulse schießen und anderen ihren Willen aufzwingen. Doch insbesondere mit der letzten Eigenschaft hatten viele die Parallele zu Soros gefunden. Vor rund 30 Jahren wettete er nämlich gegen das britische Pfund und zwang dabei sogar die Bank of England zum Einlenken.

Wer sich Musks Äußerungen jedoch genauer anschaut, kann dabei einen klaren antisemitischen Subtext erkennen. Die SZ hat mehrere Antisemitismus-Experten um eine Analyse der Tweets des US-Unternehmers gebeten. Sie alle kommen zu einem klaren Urteil: Musk knüpfe in seinen Äußerungen an antisemitische Codes an, für die er eigentlich sensibilisiert sein müsste. "Wir haben die Aussagen von Elon Musk mit Sorge beobachtet", sagt Benjamin Steinitz vom Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias). Auch der frühere UN-Sonderberichterstatter für Meinungsfreiheit, David Kaye, sprach in einem Tweet von "Soros-verhetzendem Antisemitismus".

So wird Magneto in den Marvel-Comics eine Vorgeschichte als Holocaust-Überlebender zugeschrieben, der die Menschheit fortan verabscheut und an die Überlegenheit der sogenannten Mutanten glaubt. An diesen Hintergrund knüpfe Musk Experten zufolge indirekt an, wenn Soros aus seiner Sicht "die Menschheit hasst". Statt konkret den Verkauf der Tesla-Aktien zu kritisieren, operiere Musk mit verbalem Grobgerät und stilisiere Soros zum geheimen Strippenzieher einer weltweiten Verschwörung gegen die Menschheit. "Als bekannte jüdische Person wird er herausgehoben und ihm unbegrenzte Macht zugeschrieben. So wird abstrakt das Bild der jüdischen Weltverschwörung bedient", sagt Experte Benjamin Steinitz. Musk Äußerungen seien anschlussfähig für Verschwörungsmythen, die Musk damit hundertmillionenfach normalisiere.

Musks Tweet könnte schon bald ein Nachspiel haben

Als ungarischer Jude ist der Börsenmilliardär Soros schon seit Jahren zur Reizfigur geworden. "Der Milliardär und Philanthrop dient seit 2015 immer wieder als Feindbild verschwörungsideologischer Kreise", sagt Antisemitismus-Experte Steinitz. Um Soros spinnen Antisemiten und Rechtsextreme mannigfache Verschwörungsmythen, die zuletzt Faktenchecker der Nachrichtenagentur Reuters widerlegten. Wie andere Großinvestoren auch muss Soros turnusmäßig seine Käufe und Verkäufe der US-Börsenaufsicht nachträglich offenlegen, dennoch sorgen sie regelmäßig für Aufsehen und Gerüchte.

Musks Äußerungen kommen für das Unternehmen Tesla zum falschen Zeitpunkt - falls es für so etwas überhaupt einen guten Zeitpunkt gibt. Am Dienstag stand bei Tesla nämlich die alljährliche Aktionärsversammlung an, bei der diesmal auch ein besonderer Antrag debattiert werden sollte: Eine irische Investorin schlug vor, das Tesla-Management müsse dringend das sogenannte "Schlüsselpersonenrisiko" analysieren. Stimmen die Aktionärinnen und Aktionäre dem Vorschlag zu, müssten die Manager bestimmte Einzelpersonen wie Musk benennen, von denen der E-Autobauer Tesla übermäßig abhängig ist. Und von deren Verhalten.

Sogar einflussreiche Kapitalmarktakteure wie die Ratingagentur Morningstar empfahlen Anlegerinnen und Anlegern im Vorfeld, Tesla genau zu dieser Analyse zu zwingen. Musks Tweet könnte also schon bald ein Nachspiel haben. Dabei dürften sich manche auch daran erinnern, dass Musk unlängst selbst Tesla-Aktien verkaufte. Bei ihm ging es übrigens anders als bei Soros nicht um Millionenbeträge, sondern um Milliardensummen.

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