Rechte-Streit um Rock'n'Roll-Lieder:Zoff um Elvis

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Der King of Rock'n'Roll verkaufte einst die Rechte an seinen Liedern für einen Spottpreis an die Plattenfirma. In Deutschland ist nun ein Streit über Elvis Presleys musikalisches Erbe entbrannt: Hat ihn seine Plattenfirma in den Siebzigern über den Tisch gezogen?

Jennifer Lange

Graceland - es war Elvis' Heimat. In dem pompösen Säulenbau in Memphis häuft er Spielzeug an, Kostüme, Autorennbahnen, Waffen, Flugzeuge. Vor einem Wasserfall stehen Möbel aus Wurzelholz, der rote Teppich ist knöcheltief, die Lampenschirme mit Leder bezogen. In jedem Winkel steht ein Fernseher. Auf die schießt Elvis gern, wenn dort Sänger wie Robert Goulet zu sehen sind, die er einfach nicht leiden kann.

Das muss Liebe sein: Ein Fan von Elvis Presley ließ sich ein Portrait des ewigen "King of Rock'n'Roll" auf die Haut tätowieren. (Foto: REUTERS)

An Weihnachten schenkt er seinen Freunden und Mitarbeitern Schecks, erzählt ein Ex-Leibwächter. Für den kleinen Hunger brät sich der King of Rock'n'Roll Toasts mit Erdnussbutter und Bananenmus. Als Elvis Presley im August 1977 im Alter von 42 Jahren tot im Badezimmer seiner Villa aufgefunden wird, wiegt er an die 150 Kilo. Die Sucht nach Arzneien und ungesundem Essen haben ihm das Leben gekostet. Elvis liebte diesen verschwenderischen Lebensstil - doch der musste finanziert werden.

Kein Wunder, dass Elvis Presley am 28. Februar 1973 die Rechte an mehr als tausend bis dahin aufgenommenen Songs an seine Plattenfirma RCA Records verkauft - für einen Spottpreis von 5,4 Millionen Dollar (rund 7,38 Millionen Euro). Nach Angaben des britischen Prozesskostenfinanzierers Calunius bekam Elvis für die Rechte in Deutschland eine Pauschal-Lizenz pro Song und Jahr in Höhe von etwa zehn bis 15 Dollar.

Dieser Ausverkauf beschäftigt 34 Jahre nach dem Tod des Musikers das Münchner Landgericht. Die Firma Elvis Presley Enterprises, die sich um den Nachlass des Musikers kümmert, hat die Plattenfirma Arista Music (ehemals RCA Records) verklagt, die heute zu Sony Music Entertainment gehört. Die Rechtsnachfolger von Elvis Presley wollen vor dem Landgericht München Nachzahlungen in Millionenhöhe erstreiten. Der Vorwurf: Der King of Rock'n'Roll sei von seiner Plattenfirma ausgebeutet worden.

In dem Zivilverfahren geht es ausschließlich um die Verwertungsrechte von Elvis-Aufnahmen in Deutschland. Die erste mündliche Verhandlung fand vergangene Woche statt. Die amerikanischen Kläger wählten für die Verhandlungen München; möglicherweise, weil die deutsche Musiksparte Sony Music dort ihren Sitz hat.

Anlass für die Klage ist eine Änderung im deutschen Urheberrecht von 2002, der sogenannte Bestseller-Paragraph. Er besagt, dass ein Urheber dem Erfolg "angemessen" vergütet werden muss - und dass Verträge gegebenenfalls angepasst werden müssen. Mit Liedern wie "Heartbreak Hotel", "Hound Dog" und "Jailhouse Rock" schrieb Elvis Presley Musikgeschichte. Der Star aus armen Verhältnissen hat die Popkultur des 20. Jahrhunderts revolutioniert und ist noch immer einer der erfolgreichsten Solo-Künstler aller Zeiten. Mit der hoch geföhnten Tolle, seiner besonderen Stimme und dem lasziven Tanzstil hat er weltweit über eine Milliarde Platten verkauft, etwa die Hälfte davon nach seinem Tod. Die Kläger argumentieren heute, dass dieser enorme Erfolg nicht absehbar war und ihnen mehr Geld zustehe, als sie aus dem Rechteverkauf 1973 erhalten haben.

Der Anwalt der Gegenseite, die Plattenfirma Arista Music, sieht das anders. "Es war damals ein sehr vorteilhafter Deal, da Elvis ein bisschen auf dem absteigenden Ast war", sagt Anwalt Henning Harte-Bavendamm. "Elvis war einfach daran gelegen, möglichst schnell viel Geld zu bekommen. Der Ausverkauf war endgültig gemeint."

1974 ging es mit dem Weltstar tatsächlich weiter bergab. Er musste immer öfter ins Krankenhaus, seine Gewichtsprobleme waren unübersehbar, Konzerte fielen aus. Elvis passte fast nicht mehr in seine strassbesetzten weißen Hosenanzüge. Es ist umstritten, ob ihn die Plattenfirma damals ausbeutete, sein Manager auf jeden Fall. "Colonel" Tom Parker steckte die Hälfte der Einnahmen ein. Statt auf die Intensivstation schickte er den schwer tablettenabhängigen Elvis auch in seinen letzten Monaten immer wieder ins Studio, auf Konzerttourneen oder ins Fernsehen.

Dem laufenden Verfahren vor dem Landgericht München gingen zwei andere voraus. Die erste Runde startete 2005. Sie wurde abgewiesen, da die Rechtsnachfolger das falsche Plattenlabel verklagt hatten. In der zweiten Runde 2006 entschied das Oberlandesgericht München ebenfalls für die Beklagten, da der Kläger wegen eines Verkaufs seiner Rechte nicht mehr klagen durfte. In der dritten Runde scheint alles zu passen: Der richtige Kläger steht dem richtigen Beklagten gegenüber. Am 18. November soll eine Entscheidung verkündet werden. Anwalt Harte-Bavendamm sieht in dem Urteil noch kein Ende des Streits. Er rechnet mit Berufung und eventuell dem Gang zum Bundesgerichtshof.

© SZ vom 31.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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