Süddeutsche Zeitung

Nahaufnahme:Mein Song gehört mir

Der Unternehmer Steve Stoute hat eine Plattform für unabhängige Musiker gegründet - die etablierten Labels bleiben außen vor.

Von Helmut Martin-Jung

Steve Stoute weiß, wie es läuft im Musikbusiness: "Die Labels sagen den Künstlern, ,wir geben euch Geld, wir finanzieren euch am Anfang.'" Doch dafür müssten die auch ihre Rechte an den Songs abtreten. Stoute, 50, weiß das, weil er selbst lange in dem Geschäft gearbeitet hat. Bei Sony, bei Columbia und bei Interscope Geffen A&M Records, unter anderem betreute er den Rapper Eminem und half Mariah Carey bei ihren ersten Schritten. Ein durchaus hartes Geschäft, wenn auch nicht immer so hart wie die Champagnerflasche, die ihm der Konkurrent Sean Combs alias Puff Daddy alias P. Diddy mal an den Kopf geknallt haben soll.

Doch heute, sagt Stoute, heute, wo alle Musik fast ausschließlich digital verbreitet wird, da gehe es doch bloß noch um den Vertrieb. "Wenn alles digital ist", sagt Stoute, "ergibt es keinen Sinn mehr, die Rechte abzutreten." Vor fünf Jahren hat er deshalb United Masters gegründet, ein Start-up, das genau das anbietet: Vertrieb. Die Künstler behalten die Rechte an ihren Werken, Stoutes Firma kassiert zehn Prozent der Einnahmen oder fünf Dollar pro Monat im Abo. "Für Netflix oder Spotify zahlt man ja auch nur zehn Dollar", sagt Stoute.

Was die Künstler dafür bekommen, ist eine Art Netzwerk. United Masters hat Verbindungen zum Beispiel zum Sportsender ESPN, zur Basketballliga NBA oder zum sozialen Netzwerk Tiktok. Ein Song, der dort gespielt wird, zum Beispiel bei einem wichtigen Baseballspiel, oder einer, der auf Tiktok viral geht, hat gute Chancen, es ganz nach oben zu schaffen - so wie etwa Tobe Nwigwe, der bei den Feiern zum Amtsantritt von Joe Biden auftrat. Ein Computer oder sogar Smartphone genügt, um mitzumachen.

Das Konzept des New Yorker Unternehmers fand man offenbar auch im Silicon Valley spannend: Apple führt eine Finanzierungsrunde für United Masters im Umfang von 50 Millionen Dollar an, dabei sind zudem der Google-Mutterkonzern Alphabet und der Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz. Die beiden Internetkonzerne betreiben eigene Musikplattformen - sie mit interessanten neuen Künstlern aufzuwerten, ist für sie kein schlechter Deal. Und gerade Apple hat sich ja schon immer als Hort der Kreativen gesehen.

Es hat ihn früh zur Musik gezogen

Stoute, im New Yorker Stadtteil Queens geboren, hat es früh zur Musik gezogen. Bei Sony Music war er in den 1990er-Jahren für den Bereich Urban Music verantwortlich. Bei Interscope war er nicht bloß für hochkarätige Künstler zuständig, sondern war auch dessen Chef Jimmy Iovine sehr nahe: "Von ihm habe ich viel über das Business gelernt", sagt Stoute. Iovine hat zusammen mit dem Rapper und Produzenten Dr. Dre auch Beats Electronics mitgegründet, das von Apple gekauft wurde.

Danach gründete Stoute das Werbeunternehmen Translation, dessen Chef er noch immer ist, er investierte in das Start-up Carol's Daughter, das Kosmetikprodukte für Women of Color herstellte und vertrieb, schrieb ein Buch darüber, wie Hip-Hop die Regeln der New Economy verändert habe. Das Magazin Black Enterprise zählt ihn zu den führenden Anzeigenbossen.

Doch dann reizte ihn auch wieder die Musik und die Arbeit mit Musikern. "Ich habe viel Respekt vor ihnen", sagt Stoute, "ich möchte ihnen gerne nahe sein." Etwa eine Million Künstler sollen bereits auf United Masters sein, viele davon übrigens Jazzmusiker - "die wurden als Erste in die Unabhängigkeit getrieben", sagt Stoute. Nun will er mit seinem Unternehmen auch in Deutschland und Japan Fuß fassen. Und sein eigenes Musiktalent? Ist eher bescheiden, gibt er zu: "Ich hatte sieben Jahre Klavierunterricht, aber mehr als ein paar Akkorde kann ich nicht spielen."

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