Murdoch-Dynastie in Bedrängnis:Der Patriarch hat ausgedient, der Nachwuchs auch

Dem Murdoch-Imperium droht der Kollaps. Wer könnte den noch verhindern? Murdochs Sohn James? Zu nahe am Abhörskandal. Seine Tochter Elisabeth? Die hatte sich vor einigen Jahren bewusst von ihrem Vater abgewendet - und sie hat gezeigt, was sie kann. Als Nachfolgerin kommt sie dennoch nicht in Frage.

Lutz Knappmann

Man könnte ihm eine prophetische Gabe unterstellen. Als Rupert Murdoch vor kaum einem halben Jahr die britische Fernsehproduktionsfirma Shine kaufte, horchte die Branche auf. Bahnte sich da etwa eine neue Volte in Murdochs Nachfolgeplänen an? Vertraute er seinem Sohn und Kronprinzen James nicht mehr - und suchte eine Alternative? Die Shine Group gehörte Murdochs Tochter Elisabeth. Mit der Übernahme holte der Patriarch sein Kind in den Konzern zurück und versprach ihr sogleich einen Posten im Vorstand.

Rupert Murdoch, Chairman of News Corporation

Elisabeth Murdoch hatte sich zehn Jahre lang dem Familienclan entzogen und ihr eigenes, unabhängiges Unternehmen aufgebaut.

(Foto: dpa)

Zweifel an der Führungsrolle seines Sohnes James, der seit Jahren auf die Machtübernahme im Familienkonzern hinarbeitet, zerstreute Murdoch zwar. Er beorderte James nach New York, machte ihn zur Nummer drei. Doch die Spekulationen über Elisabeths Rolle hielten an.

Jetzt könnte der Patriarch seine Tochter dringend brauchen. Denn seine Nachfolgepläne sind Makulatur. Der Abhörskandal in Großbritannien, der wie eine Epidemie vom inzwischen eingestellten Revolverblatt News of the World auf andere Murdoch-Titel übergegriffen hat, bringt den gesamten Konzern in Gefahr. Ein Top-Manager nach dem nächsten muss nun gehen, die Verbindungen zur britischen Print-Sparte News International ziehen sich durch die gesamte Mediengruppe.

Spätestens mit dem Rücktritt und der Festnahme der engen Murdoch-Vertrauten und Ex-News-International-Chefin Rebekah Brooks ist klar: Die Konzernspitze wird sich der Verantwortung nicht entziehen können. Mit jedem Manager aus der zweiten und dritten Reihe, der über den Skandal stürzt, bröckelt der Schutzwall um Rupert und James Murdoch, der bislang noch die schärfsten Angriffe von der Familiendynastie ferngehalten hat.

Selbst die einstigen Eigner des Wall Street Journal, die US-Unternehmerfamilie Bancroft, denen Murdoch das Blatt 2007 für fünf Milliarden Dollar abgetrotzt hatte, gehen auf Distanz. Hätten sie geahnt, auf wen sie sich da einlassen, hätten sie sich heftiger gegen die Übernahme gewehrt, gab ein Familienmitglied vergangene Woche zu Protokoll. Les Hinton, Chef der News-Corp.-Tochter Dow Jones, zu der das renommierte Journal gehört, reichte am Wochenende den Rücktritt ein. Auch er hat eine Vergangenheit bei News International. Damit sind längst auch Geschäftsbereiche von dem Skandal betroffen, die objektiv ein unternehmerischer und journalistischer Erfolg sind.

News Corp. braucht deshalb jetzt einen Wechsel an der Konzernspitze.

Großbritannien im Banne von Murdoch

Man muss sich das vorstellen: Der Spitzelskandal reicht mittlerweile so weit, dass auch der Chef der Londoner Polizeibehörde Scotland Yard zurücktreten musste - und Großbritanniens Premierminister David Cameron bedenklich wackelt.

Kann es sein, dass über die schmierigen Auswüchse des Gossenjournalismus am Ende sogar ein Regierungschef stürzt, nicht aber der Medienmogul Murdoch, der wie jeder Konzernchef die letztgültige Verantwortung für seine Geschäfte trägt? Auch die ganz eigenen Spielregeln patriarchalischer Mediendynastien kommen in einem solchen Fall an ihre Grenzen.

Rupert Murdoch ist 80 Jahre alt. Er hat ein mehr als eindrucksvolles Lebenswerk geschaffen. Er müsste sich das schon lange nicht mehr antun. Und er ist der Falsche, um den Konzern aus seiner tiefsten Krise zu führen. Der Zeitpunkt für den Generationswechsel ist endgültig gekommen.

Es gibt nur ein Problem: Wer soll es richten? Tragischerweise hat sich Murdoch gleich beide familieninternen Lösungen verbaut. Europa-Statthalter James kann nicht sein Nachfolger werden. Seine jahrzehntelange Aufbauarbeit ist zerstört. Das britische Zeitungsimperium News International steht vor dem Kollaps, die Milliardenschwere Komplettübernahme des Bezahlfernsehanbieters BSkyB ist gescheitert. Der smarte Europa-Statthalter ist als Führungsfigur untragbar geworden, weil sich die nun aufgeflogenen Auswüchse des Boulevardjournalismus unter seiner Verantwortung abgespielt haben. Egal, wie viel er davon wusste.

Also seine Schwester Elisabeth? Sie wäre für die Murdoch-Dynastie eine Idealbesetzung. Mit dem rasanten Aufbau ihrer Produktionsfirma Shine zu einem der führenden TV-Produktionshäuser Europas hat sie ihre unternehmerischen Fähigkeiten unter Beweis gestellt. Und das ohne die Hilfe ihres übermächtigen Vaters: Denn Elisabeth hat sich im Jahr 2000 bewusst von ihm abgewendet und den News-Corp.-Konzern verlassen. Zehn Jahre lang entzog sie sich dem Familienclan und baute ihr eigenes, unabhängiges Unternehmen auf.

Elisabeth Murdoch ist unverdächtig, in die unappetitlichen Machenschaften um News of the World verstrickt zu sein. Sie könnte im Konzern aufräumen, die Skandale aufarbeiten und die News Corp. vor dem Zerfall oder der Zerschlagung bewahren - während der Konzern dabei weiter in Familienhand bliebe.

Elisabeth wäre die naheliegende Kandidatin für die Konzernführung - hätte Murdoch mit ihrer Heimholung Anfang dieses Jahres nicht schon den nächsten Konfliktherd eröffnet: 675 Millionen Dollar ließ der Patriarch sich die Firma seiner Tochter kosten - und köderte Elisabeth zudem mit einem Vorstandsposten.

Einflussreiche Investoren wittern dahinter Vetternwirtschaft. Der Preis sei überzogen und begünstige ein Familienmitglied; die Begründung für den Deal, die Rückkehr der Tochter in den Konzern, sei strategisch wenig nachhaltig, kritisierten sie - und reichten Klage ein. Käme Elisabeth tatsächlich an die Macht, wäre die nächste öffentliche Auseinandersetzung programmiert.

Auch Murdochs gelebte Praxis, verdiente Konzernmanager zu Feuerwehreinsätzen in andere Konzernsparten zu entsenden, etwa zum deutschen Probleminvestment, dem Bezahlfernsehanbieter Sky, scheidet diesmal aus. Um die News Corp. als Ganzes vor der Zerschlagung zu bewahren, die immer mehr Politiker nun öffentlich fordern, braucht es frisches Blut: Murdoch wird einen externen Nachfolger finden müssen. Am besten jemanden, den bislang niemand auf der Rechnung hat.

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