Munich-Re-Chef:"Wer als Philanthrop auftritt, wird nicht gehört"

Eindeutiges Urteil: Für Nikolaus von Bomhard ist der Klimawandel gefährlicher als die Finanzkrise. Und das auch in ökonomischen Kategorien.

C. Busse u. M. Hesse

Nikolaus von Bomhard, 53, ist seit 2004 Chef der Munich Re. Von den großen Problemen der Welt, die in Davos diskutiert werden, ist der größte Rückversicherer der Welt doppelt betroffen: Die Finanzkrise belastet die Munich Re als Vermögensverwalter und die Klimakatastrophe als Versicherer. Gerade hat sich Warren Buffett an der Munich Re beteiligt.

Skulptur Walking Man des US-Künstlers Jonathan Borofsky vor dem Verwaltungsgebäude der Münchener Rück, Foto: dpa

Die Skulptur "Walking Man" des US-Künstlers Jonathan Borofsky vor dem Verwaltungsgebäude der Münchener Rück.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr von Bomhard, der Klimagipfel von Kopenhagen ist gescheitert, die Finanzkrise hat bislang nicht zu grundlegenden Änderungen geführt. Sind wir unfähig, Antworten auf die großen Herausforderungen zu finden?

Bomhard: Ein Phänomen dieser Krisen ist ihr globaler Charakter. Dem müssen auch die Lösungen gerecht werden. Die Probleme sind nicht mehr national zu lösen, wir brauchen die Staatengemeinschaft. Deshalb ist es ein Schritt in die richtige Richtung, dass die G-20-Staaten die Finanzkrise, aber auch die Erderwärmung auf ihre Agenda gesetzt haben.

SZ: Reagiert die Politik schnell genug?

Bomhard: Die Frage ist, ob unsere Demokratien in der Lage sind, mit solchen Krisen umzugehen. Nehmen Sie das Klimaproblem: Die Krise hat einen sehr langen Zeithorizont. Lösungen, die wir jetzt finden, wirken erst in weiter Zukunft. Der Politiker, der in einer Demokratie als Repräsentant des Volkes die Dinge gestaltet, ist für einen viel kürzeren Zeitraum mandatiert, bei uns für vier Jahre. Ich sage nicht, dass er immer nur kurzfristig denkt, weise aber auf diesen Konflikt hin.

SZ: Was ist die Folge?

Bomhard: Wenn man zugleich eine schnelle und eine nachhaltige Lösung will, muss der Schmerz im Wahlvolk relativ groß sein. Wenn Probleme sich aber langsam aufbauen, wie beim Klimawandel, oder wenn der unmittelbare Druck sinkt, wird es schwieriger. Das ist der Grund, warum es mit der Lösung der Finanzkrise nicht mehr so gut vorangeht wie vor einem Jahr. Sobald der Druck nachlässt, treten auch nationale Interessen wieder stärker in den Vordergrund.

SZ: Aber in China, das keine Demokratie ist, geht es auch nicht schneller.

Bomhard: Richtig, ich plädiere ja auch nicht für eine autokratische Gesellschaftsform. Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit - auch vom Wahlvolk. Hier müssen wir alle unser Wahlverhalten hinterfragen. Und wir brauchen Politiker, die länger an ihrem Kurs festhalten. Das ist wie bei Unternehmen, die sollten ja auch über die Quartale hinweg eine gute Unternehmenspolitik betreiben.

SZ: Was macht Ihnen mehr Angst: Die Finanzkrise oder die Klimaproblematik?

Bomhard: Ganz klar, das Klimaproblem bereitet mir die größere Sorge.

SZ: Warum?

Bomhard: Die Klimaproblematik hat eine andere Dimension: Sie ist wirklich global, ihre Folgen sind erheblich und wohl auch irreversibel. Aber sie scheinen sehr weit weg, deshalb neigen wir dazu, die Gefahr zu unterschätzen.

SZ: Wie reagieren Sie darauf?

Bomhard: Wir versuchen, dieses Risiko greifbar zu machen, es - wenn Sie so wollen - mit Preisschildern zu versehen. Als Versicherer können wir verdeutlichen, was der Klimawandel jetzt schon kostet, und darauf hinweisen, dass er immer teurer wird. Es ist deutlich billiger, jetzt etwas zu unternehmen, als später die Folgen zu tragen.

SZ: Vom Klimawandel sind auch die ökonomischen Interessen der Munich Re betroffen. Ist das Ihr Beweggrund?

Bomhard: Ich bin mir nicht sicher, ob der Klimawandel künftig unsere Gewinne schmälert oder nicht. Ich weiß nur, dass unser Kerngeschäft betroffen ist und wir deshalb ein Interesse haben, dass das Risiko berechenbar bleibt. Das schmälert nicht das Gewicht unserer Stimme in der öffentlichen Diskussion. Wer nur als Philanthrop auftritt, wird nicht gehört.

SZ: Können wir die globalen Risiken überhaupt noch unter Kontrolle bringen oder ist es schon zu spät?

Bomhard: Die Menschheit hat immer wieder vor vergleichbaren Herausforderungen gestanden, denken Sie nur an die verheerenden Epidemien im Mittelalter. Was damals als Schicksal hingenommen wurde, ist heute oft beherrschbar. Andererseits sind wir heute besser informiert über mögliche Probleme, zugleich weltweit vernetzt, so dass manches heute dramatischer erscheint, was früher als Herausforderung gar nicht erkannt wurde. Sind wir also bei objektiver Betrachtung heute größeren Gefahren ausgesetzt? Ich bezweifele das.

"Es geht um die richtige Krisenprävention"

SZ: Machen wir denn genug aus unserem Wissen?

Nikolaus von Bomhard, Foto: dpa

Nikolaus von Bomhard ist seit 2004 Chef der Münchener Rück.

(Foto: Foto: dpa)

Bomhard: Die Herausforderungen sind heute oft sehr komplex, wie etwa die Klimaproblematik, das muss sich auch in den Lösungen widerspiegeln. Es kommt darauf an, die besten Köpfe aus unterschiedlichen Disziplinen an einen Tisch zu bekommen. Dann verliert das Risiko etwas von der Bedrohlichkeit, die aus Nichtwissen entsteht. Aber Wissen allein reicht nicht. Unverzichtbar ist es, dann auch zu handeln. Hier braucht man nicht immer, aber oft die Politik.

SZ: Präsident Obama versucht jetzt zu handeln, er will von den Banken Geld zurück. Ist das der richtige Weg?

Bomhard: Der Vorschlag hat die Diskussion sicher angereichert, aber wir brauchen auch hier eine internationale Lösung. Kapital ist sehr flüchtig, Alleingänge führen nicht weiter.

SZ: Ist es richtig, die Verursacher zur Kasse zu bitten?

Bomhard: Viel wichtiger noch ist es, dass Lösungen gefunden werden, die eine Wiederholung der Krise verhindern. Es geht um die richtige Krisenprävention. Wir müssen das Übel an der Wurzel packen, eine solche Finanzkrise darf nicht noch einmal eintreten. Der Schlüssel liegt im Umgang mit dem Risiko.

SZ: Was meinen Sie?

Bomhard: Es muss, um bei der Finanzindustrie zu bleiben, ausreichend Eigenkapital für das jeweils eingegangene Risiko vorhanden sein. Da waren viele Regeln unangemessen. Eine Lösung muss dafür sorgen, dass Risiken transparent werden und damit berechenbar sind.

SZ: Ist die Devise: "Wachsen um jeden Preis" noch sinnvoll?

Bomhard: Nein, zu keiner Zeit.

SZ: Müssen wir uns also von Wachstum verabschieden?

Bomhard: Nein. Aber keiner darf und soll wachsen, ohne zu berücksichtigen, auf wessen Kosten das Wachstum erfolgt - zu Lasten der Umwelt, zu Lasten kommender Generationen. Wenn sich Staaten zum Beispiel Wachstum über eine sehr hohe Verschuldung erkaufen, ist das auf Dauer nicht hinnehmbar.

SZ: Geht es ganz ohne Wachstum?

Bomhard: Schon die wachsende Weltbevölkerung führt jedenfalls zu Wachstum. Auch gilt es, unerträgliche Lebensumstände in vielen Teilen der Welt zu verbessern. Wir können auch in Deutschland noch wachsen, weil die Innovationsfähigkeit unserer Wirtschaft noch lange nicht an ihre Grenzen gestoßen ist. Aber wir müssen darauf achten, dass das ökologische Gleichgewicht durch unser Wachstum nicht aus den Fugen gerät.

SZ: Müssen Unternehmen immer wachsen?

Bomhard: Es gibt ja Unternehmen wie die Munich Re, die in einzelnen Jahren bewusst nicht wachsen, weil Größe allein im Versicherungsgeschäft kein Qualitätskriterium ist. Und trotzdem sind wir für Anleger attraktiv.

SZ: Ist die Orientierung rein an Aktionärsinteressen, am Shareholder Value, noch zeitgemäß?

Bomhard: Ich sehe immer weniger Unternehmen, die unreflektiert den Shareholder-Value-Gedanken im engeren Sinne propagieren. Das ist auch kaum durchzuhalten. Wer sich nur daran orientiert, ist schnell nicht mehr wettbewerbsfähig.

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