Munich Economic Debates:"Wir lähmen uns selbst"

Lesezeit: 2 min

Ifo-Präsident Clemens Fuest (Foto: Friedrich Bungert)

Hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und bürokratischer Wirrwarr belasten Unternehmen in Deutschland. Einen Lichtblick gibt es jedoch.

Von Jakob Arnold

Eine gewisse Ironie hat es schon, dass die Gewerkschaften gerade an diesem Montag zum größten Arbeitskampf seit mehr als 30 Jahren aufgerufen haben. Am selben Tag diskutierten die Teilnehmer der "Munich Economic Debates", die vom Ifo-Institut und der Süddeutschen Zeitung veranstaltet werden, über den Wirtschaftsstandort Deutschland und ob er wegen hoher Energiekosten gefährdet ist. Letztere sind es schließlich vor allem, die die Inflationsraten nach oben und die Angestellten des öffentlichen Dienstes für mehr Lohn auf die Straße treiben.

Nicht nur die Beschäftigten sind von steigenden Energiekosten betroffen, auch die Arbeitgeber mussten ihr Geschäft auf Preissprünge einstellen. Davon weiß Denise Schurzmann zu berichten, die in zweiter Generation das Familienunternehmen Krause Industrieschaltanlagen führt und mit dem Jahreswechsel eine Verzehnfachung des Strompreises für ihre Firma von vier auf 40 Cent pro Kilowattstunde hinnehmen musste. Da ihr Betrieb jedoch nicht energieintensiv ist, könne das Unternehmen das noch verkraften.

"Es gibt Branchen, die künftig nicht mehr in Deutschland wirtschaften können"

Der Energieverbrauch dürfte auch nach der Einschätzung des Ifo-Präsidenten Clemens Fuest in Zukunft eine gewichtige Rolle für die Standortwahl spielen. "Es gibt Branchen, die künftig nicht mehr in Deutschland wirtschaften können", sagt er. Dazu würden zum Beispiel die Hersteller von Düngemitteln sowie Teile der chemischen Industrie zählen. Der Idee, diese und andere Industrien über staatliche Subventionen wieder nach Deutschland zu locken, erteilt Fuest eine Absage. Solche Maßnahmen würden den Staatshaushalt - und damit die Steuerzahler und Unternehmen - zu stark belasten. "Wir sollten nicht jeden Unsinn nachmachen, den die Amerikaner machen", warnte er vor einem möglichen Subventionswettlauf mit den USA, die über den Inflation Reduction Act ihre heimische Industrie fördern.

Größer als das Problem hoher Energiekosten sei ohnehin der Fachkräftemangel, wandte Unternehmerin Schurzmann ein. "Wir bekommen Aufträge, die wir gar nicht abarbeiten können, weil uns die Leute fehlen", sagt sie. Das liegt teilweise auch daran, dass viele Mitarbeiter nicht in Vollzeit arbeiten können, weil sie ihre Kinder betreuen müssen. Das belastet besonders den Mittelstand, wie Marion Höllinger, Chefin der Hypovereinsbank beobachtet. "Viele unserer großen Kunden betreiben mittlerweile eine eigene Kita. Bei mittelständischen Unternehmen lohnt sich das jedoch nicht." Schurzmann kritisierte in diesem Zusammenhang auch das Ehegattensplitting, da es den Umstieg von Teil- auf Vollzeit für viele Betroffene ökonomisch unattraktiv mache.

Gesetze, Regulierung und Bürokratie machten die drei Diskussionsteilnehmer deshalb auch als letztes Hindernis für den Wirtschaftsstandort Deutschland aus. "Wir lähmen uns selbst", sagte Fuest. Dabei habe die Installation der LNG-Terminals bewiesen, dass die Verwaltung auch schnell arbeiten könne, ergänzt Höllinger.

Ökonom Fuest hält besonders wenig von der Taxonomie für nachhaltige Finanzen der Europäischen Union, die Investitionen in grüne Technologien fördern soll. "Es wäre ein großer Fortschritt, wenn wir sie ersatzlos streichen", sagt Fuest. Er sieht in ihr ein Instrument der Planwirtschaft, da der Staat festlege, was nachhaltig ist und was nicht. Die Unternehmen würden in der Folge unzählige Menschen mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung beschäftigen, die an anderer Stelle dringend gebraucht werden. Auch die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der wegen der Investitionen in den Klimaschutz mit einem Wirtschaftswunder rechnet, sieht der Ökonom skeptisch. Es handle sich dabei um den Austausch eines bestehenden Kapitalstocks. Etwa wenn neue Windräder ein funktionierendes Kohlekraftwerk ersetzen. Das erzeuge hohe Kosten, aber noch nicht zwangsläufig Wirtschaftswachstum.

In die Zukunft blickt er trotzdem zuversichtlich. Fuest prophezeit, dass Doktoranden in zehn Jahren über eine Ampelkoalition schreiben werden, die 2023 noch auf eine offene Energie-, sowie Fachkräfte- und Digitalisierungspolitik eingeschwenkt ist. Was genau passiert, wenn es nicht so kommt, blieb der Phantasie des Publikums überlassen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: