Fernwärme gilt als klimafreundliche Art des Heizens, die Bundesregierung will deutlich mehr Wohnungen auf diese Weise versorgt wissen. Doch das Vertrauen in die Fernwärme hat massiv gelitten, weil manche Anbieter ihre Kunden im vergangenen Jahr mit horrenden Nachforderungen und heftigen Abschlägen schockiert haben. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, verlangt daher schärfere Regeln für die Branche, und er findet, dass seine Bonner Behörde genau die richtige Einrichtung wäre, um diese durchzusetzen.
Dafür bräuchte das Amt freilich neue Rechte und mehr Mitarbeiter: „Erweiterte Befugnisse und Ressourcen für die Kartellbehörden könnten hier einen wichtigen Beitrag leisten, dass es bei dieser künftig noch bedeutender werdenden Energieversorgung transparent und fair zugeht“, sagte der 63-Jährige am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresberichts. Bislang hat das Amt 450 Beschäftigte. Die Wettbewerbshüter haben bereits im November Verfahren gegen sechs Stadtwerke und Versorger von Fernwärme eingeleitet. Die Bonner prüfen vor allem, ob die Preisanpassungsklauseln in den Verträgen der Kunden rechtens sind.
Diese Klauseln erlauben den Unternehmen, die Preise anzuheben, wenn die Kosten gestiegen sind. Nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs verteuerte sich Erdgas kräftig, und das nutzten Anbieter als Begründung für deftige Preiserhöhungen. Allerdings sind die Klauseln schwer verständlich und können manchmal selbst dann zu höheren Preisen führen, wenn das Heizkraftwerk gar kein Erdgas verbrennt, sondern zum Beispiel Müll.
Insgesamt werden in Deutschland 6,4 Millionen Wohnungen mit Fernwärme versorgt, etwa jede siebte. Und die Preisunterschiede zwischen den Unternehmen sind enorm, wie die kürzlich etablierte Vergleichsplattform Waermepreise.info zeigt. Ein Wechsel des Anbieters ist aber nicht möglich; Mundt, der das Amt seit 2009 führt, spricht deshalb von „einem klassischen Monopolmarkt“ und „gefangenen Kunden“. Es existierten bereits diverse Regeln und Gerichtsurteile zum Fernwärmemarkt, sagt der Präsident, doch gerade für die Preisgestaltung seien klarere Vorgaben nötig. Zudem müssten diese Regeln konsequenter durchgesetzt werden – durch eine „schlagkräftige Behörde wie das Bundeskartellamt“.
Künstliche Intelligenz sei ein „Brandbeschleuniger“
Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist ebenfalls alarmiert. Die Organisation hat wegen der intransparenten Preisanpassungsklauseln Sammelklagen gegen die beiden Versorger Eon und Hansewerk Natur gestartet. Der Dax-Konzern Eon ist größter Anbieter von Fernwärme in Deutschland. Vorstandschef Leonhard Birnbaum räumte in einem Interview mit der SZ ein, diese Klauseln hätten manchmal „zu Ergebnissen geführt, die niemand so gewollt hat“. Daher müssten Politik und Anbieter nun „überlegen, wie die Preisklauseln in Zukunft aussehen sollten“.
Mundts Behörde widmet sich daneben der Jagd auf Kartelle und der Genehmigung von Fusionen. Außerdem geht die Behörde – genau wie die EU-Kommission – dagegen vor, dass Internetkonzerne wie Amazon oder die Google-Mutter Alphabet ihre Macht zum Schaden von Kunden oder kleinen Rivalen missbrauchen. Bei den Bonnern laufen gerade sieben Verfahren gegen diese beiden Unternehmen sowie gegen Apple, Microsoft und den Facebook-Anbieter Meta. Der Präsident warnt, dass der Siegeszug von Anwendungen mit künstlicher Intelligenz die Macht dieser Firmen weiter vergrößern könnte: „Künstliche Intelligenz ist ein Brandbeschleuniger der ersten Güte, der all die Probleme, die wir mit Big Tech haben, letztlich noch schlimmer macht.“