Süddeutsche Zeitung

Münchner Seminare:Ein Lob dem Niedrigzins

IWH-Präsident Reint E. Gropp warnt die Europäische Zentralbank vor einem zu schnellen Ausstieg. Der könnte gefährlicher werden als die Zinspolitik selbst, weil die Banken dann wieder einen Anreiz zum Zocken haben.

Von Christian Gschwendtner

Manchmal hilft es, sich vor einem Vortrag zu entschuldigen. Vor allem, wenn man die Erwartung des Publikums sowieso nicht erfüllen will. So gesehen ist es nur logisch, dass Reint E. Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), seine Zuhörer am Münchner Ifo-Institut erst mal um Verzeihung bittet. Um Verzeihung für seine andere Ansicht.

Der Ökonom hat sich bei seinem jüngsten Vortrag in München vorgenommen, die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zu loben. Und er weiß, dass man sich damit nicht nur Freunde macht. Wobei: Ganz so überraschend ist die Ansicht von Gropp dann doch wieder nicht. Der Mann war schließlich viele Jahre für die EZB tätig, seine Frau arbeitet noch heute in Frankfurt. Klar, dass so jemand die Euro-Rettungspolitik nicht rundherum verdammt.

Gropp wählt trotzdem eine behutsame Strategie: Er fragt am Anfang seines Vortrags, ob die Geldpolitik der EZB denn ihre Ziele erreicht habe. Nur um die Frage selbst zu beantworten: "Das ist tatsächlich passiert." Unbestritten sei, dass es den Euro immer noch gebe; und dass Mario Draghi eine Deflation abgewendet habe. Außerdem: dass man es geschafft habe, die Kreditzinsen für Unternehmen in Deutschland und Griechenland anzugleichen.

Aus deutscher Sicht drängt sich da sofort die allbekannte Frage auf: Ging und geht die Euro-Rettungspolitik zulasten der deutschen Sparer und des deutschen Staatshaushalts. Eine Frage, auf die Gropp klar mit Nein antwortet. Der Bundeshaushalt hat aus seiner Sicht stark von der EZB-Entscheidung profitiert. Und zwar aus einem banalen und einem weniger offensichtlichen Grund.

Offensichtlich ist, dass Deutschland weniger Zinsen auf seine Staatsschulden bezahlt musste. Spannender sei aber ein anderer Effekt, sagt Gropp. Er nennt ihn den "Flucht in den sicheren Hafen"-Effekt. Gemeint ist, dass große Investoren die Portfolios umgeschichtet haben, je mehr sich die Eurokrise verschärft habe. Und zwar zugunsten deutscher Staatsanleihen. "Jedes Mal, wenn Schäuble die Krise angeheizt hat, dann hat es bei ihm in der Kasse geklingelt", sagt der Ökonom aus Halle.

Er hat das nachgerechnet. Demnach verdankt Deutschland dem "Sicheren Hafen"-Effekt allein in den fünf Krisenjahren rund 90 Milliarden Euro. Eine Zahl, die Gropp mit den Kosten der Griechenlandrettung vergleicht: Sie würden den deutschen Steuerzahler maximal 100 Milliarden Euro kosten, aber nur wenn Griechenland keinen einzigen Euro zurückbezahlt. Auf den ersten Blick ist das viel Geld. Aber nur, wenn man das frische Anlegergeld außer acht lässt, das die Krise angespült hat.

"Ich habe mich bis jetzt so angehört, als sei ich der Vorsitzende des EZB-Fanclubs." sagt Gropp dann auch. Er hat zu diesem Zeitpunkt bereits vorgerechnet, dass einige deutsche Sparer von den Niedrigzinsen sogar profitiert hätten. Nämlich diejenigen, die Immobilen und Aktien besitzen. Der Grund: Lohnt sich das Sparen nicht mehr, wird anderswo investiert, was dort wiederum die Preise nach oben treibt. Ein Effekt, von dem die Mieter allerdings nicht profitieren. Im Gegenteil, sie werden wegen der steigenden Immobilienpreise stärker zur Kasse gebeten.

Doch Gropp gibt auch hier Entwarnung: Wer keine Aktien oder Immobilien besitzt, habe durch die Niedrigzinspolitik der EZB maximal 200 Euro verloren. Und dass über einen Gesamtzeitraum von fünf Jahren. Gropp und sein Team haben sich dafür die Entwicklung der Portfolios von Mietern und Vermietern in der Krisenzeit angeschaut. Und sie mit der Zeit davor verglichen.

Als EZB-Enthusiast will der Ökonom aus Halle trotzdem nicht abgestempelt werden. Am Ende seines Vortrags warnt er vor dem Ausstieg aus der Niedrigzinsphase. Der könnte gefährlicher werden, als die Zinspolitik selbst. Nämlich dann, wenn die Banken wieder einen Anreiz zum Zocken haben. Weil die billigen Kredite noch eine Zeit laufen werden. Und sich mit dem Normalgeschäft kein Geld verdienen lässt.

Münchner Seminare

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SZ vom 25.01.2018
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