Münchner Konzern:Kaeser baut Siemens radikal um

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  • Siemens-Chef Joe Kaeser will den Münchner Konzern grundlegend umbauen und damit mehr Umsatz und Gewinn erzielen.
  • Einzelne Geschäftsbereiche erhalten mehr Freiheiten, die Zentrale verliert dagegen an Einfluss.
  • Die Pläne dürften für erhebliche Unruhe in der Belegschaft sorgen. Schließlich werden viele Beschäftigte neue Aufgaben bekommen.

Von Caspar Busse, München

Fast genau fünf Jahre ist es nun her, dass Joe Kaeser, 61, nach einem harten internen Machtkampf mit seinem Vorgänger Peter Löscher den Vorstandsvorsitz bei Siemens übernahm. Nun hat er den bisher größten Umbau in seiner Amtszeit verkündet. Der Münchner Traditionskonzern wird völlig neu organisiert, die einzelnen Geschäftsbereich erhalten mehr Freiheiten, mehr Kompetenzen. Die Hauptverwaltung in München, seit Jahrzehnten das Machtzentrum, soll dagegen "deutlich schlanker" werden. "Weniger Steuerung durch die Zentrale und mehr Freiheit für die Geschäfte machen uns stärker und flexibler", teilte Kaeser am Mittwochabend nach einer Aufsichtsratsitzung mit.

Die Pläne dürften für erhebliche Unruhe in der Belegschaft sorgen. Schließlich werden viele Beschäftigte neue Aufgaben bekommen. Wieviele der weltweit rund 370 000 Mitarbeiter betroffen sind, ist noch offen. Auch, ob es in Summe zu einem Abbau oder einem Aufbau kommen könnte. Jedoch sollen zentrale Aufgaben wie Personalführung oder Recht künftig stärker in den Geschäftsbereichen angesiedelt sein. Die Zentrale ist dann vor allem für die Gesamtstrategie zuständig. Für den Konzern, der jahrzehntelang sehr zentral organisiert war, ist das ein Kulturwandel.

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Kaeser begründete die Kursänderung mit der "Geschwindigkeit und Mächtigkeit der globalen Veränderungen". Siemens habe die Pflicht, darauf zu reagieren und die Rendite zu erhöhen. "Wir sind davon überzeugt, dass nun die richtige Zeit ist, unsere Zukunft nachhaltig zu gestalten", sagte der Vorstandschef. Der US-Konzern General Electric (GE), lange der größte Siemens-Konkurrent, hatte zuletzt große Probleme und spielt nun eine Zerschlagung durch. Auch der Mischkonzern Thyssenkrupp steht unter erheblichem Druck von Investoren, die eine Aufspaltung fordern. So weit will es Kaeser nicht kommen lassen.

Kaesers Ziel: Mehr Umsatz und Rendite

Künftig soll der Siemens-Konzern mit einem Jahresumsatz von insgesamt 82 Milliarden Euro aus sieben Bereichen bestehen. Weitgehend selbständig und bereits an der Börse notiert sind jetzt die Medizintechniksparte Healthineers und die Windenergie als Siemens-Gamesa. Im kommenden Jahr soll dann das Gemeinschaftsunternehmen Siemens-Alstom folgen, das der zweitgrößte Hersteller von Bahntechnik weltweit sein wird.

Daneben sollen die bisherigen fünf Industrie-Divisionen bis zum Frühjahr in drei eigenständige, etwa gleich große operative Unternehmen gebündelt werden: Im Bereich Gas & Power (Umsatz: 21 Milliarden Euro, 71 000 Mitarbeiter) wird das Energiegeschäft zusammengeführt. Der Bereich Smart Infrastructure (Umsatz: 14 Milliarden Euro, 70 000 Mitarbeitern) beinhaltet unter anderem die Gebäudeautomatisierung und andere Felder. Digital Industries (Umsatz: 14 Milliarden Euro, 78 000 Mitarbeiter) umfasst die digitale Fabrik und die Automatisierung. Daneben gibt es einen siebten Bereich, der die Konzernforschung sowie weitere Randbereiche umfasst.

Mehrere kleinere Unternehmensteile - vor allem aus dem Bereich Mechanische Antriebe oder die Post- und Flughafen-Automatisierung mit zusammen fünf Milliarden Euro Umsatz und 21 000 Mitarbeitern sollen darin zentral gesteuert und auf Rendite getrimmt werden. Zurzeit machen sie zusammen 300 Millionen Euro Verlust. Branchenkreisen zufolge könnten sie früher oder später verkauft werden.

Kaeser erhofft sich durch den gesamten Umbau, dass der Umsatz und die Rendite im Industriegeschäft schneller wachsen. Mittelfristig soll der Umsatz jährlich um vier bis fünf Prozent zulegen, das sind zwei Prozentpunkte mehr als bisher. Die Umsatzrendite soll bei 13 bis 14 Prozent liegen, bisher hatte sich Siemens 11 bis 12 Prozent zum Ziel gesetzt. Zudem sollen künftig mehr Beratungsdienstleistungen für die Digitalisierung angeboten werden. Siemens plant, hier bis 2025 rund 10 000 Mitarbeiter einzustellen.

© SZ vom 02.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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