München: Dialog unter der Kuppel:Die wollen nur spielen

Hätte sich Horst Seehofer vorstellen können, der erste grüne Ministerpräsident Bayerns zu sein? Bei einer Diskussionsrunde in München gibt Seehofer überraschende Antworten - und herzt Ex-Außenminister Joschka Fischer.

Hans von der Hagen

Da wäre zumindest der Finger. Joschka Fischer hat seine Arme vor der Brust in einem Winkel von 90 Grad aufeinander abgestützt. So kann er den Zeigefinger exakt über den Mund legen, als ob er allzeit bereit wäre, die Umgebung mit einem energischen "Pscht!" zum Schweigen zu bringen.

Diskussionsrunde mit Joschka Fischer

"Wenn das der Herr Zeil sähe, mein lieber Mann!"

(Foto: dpa)

Horst Seehofer macht das ähnlich, lässt allerdings den kleinen Finger auf dem Mund ruhen. Darum sieht es bei ihm so aus, als wollte er sich selbst das Wort verbieten, hier, beim "Dialog unter der Kuppel" in der Münchner Staatskanzlei.

Ohne die Fingerspiele würde es nicht gelingen, auch nur den geringsten Unterschied zwischen den Herren Fischer und Seehofer auszumachen, die sich gemeinsam mit Eon-Chef Johannes Teyssen und der DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert über die Energiewende in Deutschland auslassen.

Ganz gleich, welches Thema an diesem Abend angeschnitten wird, Fischer und Seehofer sind sich einig. Atomausstieg? ist doch gut. Forschung? Ist doch wichtig. Ordentliche Rendite für den Betrieb der Stromnetze? Ist doch vernünftig.

Der frühere Außenminister und Vorzeigegrüne Fischer ist mittlerweile so gesetzt, dass ihm für jeglichen Furor die innere Unruhe fehlt. Zumindest an diesem Abend. Und der bayerische Ministerpräsident Seehofer hat schon lange gelernt, nicht alles so ernst zu nehmen, nicht immer siegen zu müssen. Das macht gelassen. Auch in der CSU.

Ob er sich in seinen kühnsten Träumen hätte vorstellen können, der erste grüne Ministerpräsident Bayerns zu sein, fragt ihn Moderator Sigmund Gottlieb vom Bayerischen Rundfunk. Seehofer antwortet mit "ja". Gottlieb ist irritiert: "Ja?" "Ja" sagt Seehofer. Es klingt zutraulich.

Aber Seehofer und Fischer - was sollen die sich auch zanken. Trotzig hatte Seehofer zuvor ja schon schon mit den eigenen Leuten über Fischer gestritten. Dass ausgerechnet Fischer an der Diskussion über die Energiepolitik in der Staatskanzlei teilnehmen sollte, irriterte einige. "Ich hätte ihn persönlich nicht eingeladen in die Fraktion", soll der Chef der CSU-Fraktion im Landtag, Georg Schmid, gewettert haben. Immerhin stellt der Koalitionspartner FDP den für Energie zuständigen Wirtschaftsminister Martin Zeil. Aber "soll ich denn uns selber einladen?", fragt Seehofer. "Das haben wir beim Dialog unter der Kuppel noch nie gemacht."

"Hätte ihn nicht eingeladen"

Später, als sich Fischer und Seehofer zusammen auf dem Podium filmen lassen, scherzt Fischer: "Wenn das der Herr Zeil sähe, mein lieber Mann!" Der sieht es aber nicht, weil er praktischerweise einen Termin bei der FDP-Fraktionsklausur hat.

Im Mai 2009 trafen sich Seehofer und Fischer bereits bei einer Veranstaltung des Freistaats zum Mauerfall-Jubiläum in der Berliner Landesvertretung Bayerns. Später gab es Spekulationen über eine schwarz-grüne Annäherung.

Genauso, wie nach einem Treffen Seehofers mit dem grünen baden-württembergischen Landeschef Winfried Kretschmann beim Viertelfinale der Fußball-WM der Frauen in Augsburg. Seehofer versicherte daraufhin, die CSU sei "ein treuer Partner in der schwarz-gelben Koalition". An diesem Donnerstag formuliert er es ähnlich: "Wir stehen zu unserem Koalitionspartner", so als müsse er sich das auch selbst nochmals in Erinnerung rufen. "Ich bleibe ein Pechschwarzer", versichert er fröhlich.

Genauso treuherzig betont Fischer, dass er immer ein "Rot-Grüner" bleiben werde, Eine schwarz-grüne Koalition in Berlin werde er zumindest wohl nicht erleben.

Andererseits hätte er auch nicht gedacht, dass Kanzlerin Angela Merkel die Energieversorger einmal mit einer "Brennelementesteuer knechten würde." Vom vorzeitigen Atomausstieg ganz zu schweigen.

Das war das Thema, um das es eigentlich ging. Aber der einzige, der an diesem Abend mit dem Verlust der Kernenergie ein Problem hat, ist der Eon-Chef. Er formuliert seinen Zorn allerdings so nett, dass ihm keiner böse sein kann: Die Brücke hin zum Ausstieg sei zu kurz geraten, sagt Teyssen. Und eine Brücke, die zu kurz sei, verdiene nicht den Namen Brücke. Darum müsse nun der Landweg genommen werden - eine Reise ins Ungewisse.

So reden diese neuen, samtig überzogenen Industriechefs in der Öffentlichkeit. Bloß nicht den Ackermann machen und am Ende als Buhmann dastehen. Teyssen hält sich daran.

Merkel habe ja gesagt, dass die Versorgung sicher sei, schiebt Teyssen nach. Es ist drollig gesagt und klingt ein wenig trotzig. Mehr geht an diesem Abend nicht. Denn Chancen erkennen sie alle in der Energiewende. Bei so viel Einigkeit laufen die Versuche des Moderators Gottlieb, Zwietracht zu säen, ins Leere.

Fischer streichelt an diesem Abend oft das Mikrofon mit dem Daumen. Rauf und runter, rauf und runter, allzeit bereit für einen Zwischenruf, der dann doch nicht kommt. Er wirkt dabei wie eine Katze, die kurz vor dem Angriff unbewusst mit ihrer Schwanzspitze wackelt. Seehofer nimmt hingegen das Mikro meist gar nicht zur Hand. Er sagt nicht viel an diesem Abend. Muss er auch nicht: Er weiß ja: Der Fischer will nur spielen. Und er spielt mit.

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