Berlin (dpa/tmn) - Eigentümer eines Einfamilienhauses entscheiden selbst, wann und wie sie ihre Immobilie energetisch sanieren. In Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) können Eigentümer hingegen nicht auf eigene Faust loslegen.
Denn das Grundstück und das Gebäude mit Dach, Fassade, Fenstern, Heizung, Keller, Wasser- und Elektroleitungen gehört ihnen nur zum Teil.
Es befindet sich im Miteigentum mit allen anderen Eigentümern und deshalb müssen die Eigentümer gemeinschaftlich darüber befinden, wenn etwas daran verändert werden soll. Nicht jeder will oder kann das. Das macht es schwierig, solche Immobilien zu modernisieren.
„Jede Entscheidung ist ein Kompromiss, der oft mühsam erarbeitet werden muss“, sagt Eva Kafke, Autorin des von der Stiftung Warentest herausgegebenen Buches „Energetische Sanierung in der Eigentümergemeinschaft“. Das ist ein Grund, warum die Sanierungsrate in WEG aktuell gering ist. Aber es ist nicht unmöglich, Wohnungseigentümer von der Notwendigkeit zu überzeugen.
Steigende Energiekosten und öffentlich-rechtliche Verpflichtungen sind starke Argumente. Denn auch WEG müssen, wie alle Immobilieneigentümer, die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erfüllen. Das sieht unter anderem vor, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben wird.
Einen festen Fahrplan gibt es nicht
Die energetischen Probleme in WEG sind die gleichen wie in Einfamilienhäusern. „Häufig wird zum Beispiel in WEG der Einbau einer neuen Heizung diskutiert, um Energie zu sparen“, sagt Eva Kafke. „Das kann dann der Anstoß zu einer umfassenden energetischen Sanierung sein.“
Welche Projekte in Angriff genommen werden, hängt vom Alter und Zustand der Immobilie sowie von der Zusammensetzung der Eigentümergemeinschaft ab. Einen festen Fahrplan für die Sanierung in WEG gibt es nicht.
„Oft ist es so, dass ein oder mehrere Eigentümer auf den Verwaltungsbeirat und den Verwalter zugehen, weil sie meinen, dass etwas getan werden muss. Oder der Verwalter ergreift die Initiative“, sagt Martin Kaßler, Geschäftsführer des Verbandes der Immobilienverwalter Deutschland in Berlin. Dann wird geklärt, ob eine Einzelmaßnahme ausreicht oder eine umfassendere Sanierung ansteht. Dazu ist externes Fachwissen notwendig, beispielsweise von einem Energieberater, einer Architektin oder Baufachleuten. Das holt in der Regel der Verwalter ein.
Gute Vorbereitung hilft bei Beschlussfassung
Auch juristische Beratung und Begleitung sind schon im Vorfeld sinnvoll. „Ob sich Sanierungsprojekte wirklich umsetzen lassen, ist in WEG abhängig davon, dass die richtigen Beschlüsse mit den erforderlichen Mehrheiten gefasst werden“, sagt Rechtsanwalt Michael Nack vom Verbraucherschutzverein Wohnen im Eigentum in Bonn. Es kann durchaus passieren, dass Maßnahmen, die in der Planung schon weit fortgeschritten waren, am Ende scheitern, weil einzelne Eigentümer dagegen stimmen.
Das Prozedere ist kompliziert. „Sämtliche Sanierungsmaßnahmen müssen in einer Eigentümerversammlung beschlossen werden“, so Nack. Zuerst muss entschieden werden, ob überhaupt saniert werden soll. Dann muss auf Grundlage von Firmenangeboten darüber abgestimmt werden, welche Maßnahmen realisiert werden sollen.
Zudem muss die Finanzierung gesichert sein. Dazu gehört auch die Entscheidung, ob die Finanzierung aus der Erhaltungsrücklage erfolgt oder eine Sonderumlage notwendig ist.
Auch eine Kombination beider Finanzierungsquellen sowie eine Kreditaufnahme sind möglich. Zudem können Fördermittel beantragt werden. „Das ist ein Maßnahmenpaket, für das in der Regel mehrere Eigentümerversammlungen notwendig sind“, so Nack. „Je präziser die einzelnen Tagesordnungspunkte vorbereitet werden, desto schneller geht die Beschlussfassung und damit auch die Umsetzung.“
Doppelt qualifizierte Mehrheit erleichtert Finanzierung
Die Beschlüsse kommen dann mit einfacher Mehrheit zustande. Bei baulichen Veränderungen, die eine Sanierung ja mit sich bringt, tragen aber nur diejenigen die Kosten, die dafür stimmen. „Das ist verständlicherweise nicht gewünscht“, sagt Michael Nack. „Warum sollte eine einfache Mehrheit die Kosten für alle tragen wollen?“
Um doch alle Eigentümer zur Finanzierung mit ins Boot zu holen, ist eine doppelt qualifizierte Mehrheit notwendig. Bedeutet: Einer Maßnahme müssen mindestens drei Viertel aller Stimmberechtigten zustimmen, die noch dazu über mehr als die Hälfte der Miteigentumsanteile verfügen. Eine Alternative dazu wäre der Nachweis, dass die Maßnahme sich amortisiert. Liegt der vor, müssen ebenfalls alle Eigentümer die Kosten gemeinsam tragen.
Dieser große organisatorische Aufwand kostet natürlich Zeit. „66 Prozent aller Sanierungsvorhaben in WEG dauern drei Jahre und länger“, sagt Eva Kafke. „In der Zwischenzeit entwickeln sich nicht nur die technischen Möglichkeiten weiter. Auch die Rahmenbedingungen ändern sich, Förderungen laufen aus, neue Töpfe werden eingerichtet.“ Dann fängt die Arbeit für die WEG wieder von vorn an.
Initiative kann von verschiedenen Parteien kommen
In vielen WEG liegt die Organisation und Betreuung der energetischen Sanierung in den Händen des Verwalters. Aber auch Eigentümer und Verwaltungsbeirat können sich einbringen. „Solche Projekte bringen einen großen Arbeitsaufwand mit sich“, sagt Martin Kaßler. Die WEG sollte unbedingt die Honorare für den Verwalter und externe Experten vorab festlegen und beschließen. „Ein entsprechendes Anreizsystem führt auch dazu, dass Projekte zügiger laufen.“
Auch Fördermittel sind ein großes Thema. „Es ist eine Fehleinschätzung, dass Wohnungseigentümer automatisch reich sind“, so Kaßler. Oft seien es ältere Menschen, die ihr ganzes Leben lang die Eigentumswohnung abbezahlt haben und nun mietfrei leben. Die könnten nicht aus der Portokasse große Sanierungsprojekte finanzieren und stellen sich deshalb quer. Andere zahlen noch Kredite für die Wohnung ab und haben keinen finanziellen Spielraum.
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