Motorenwerk in Peking:Daimler wird ein bisschen chinesisch

Mercedes E-Klasse auf Messe in China

Daimler will in China aufholen

(Foto: dpa)

Bei Daimler fällt ein Tabu: Der Konzern hat in China sein erstes Motorenwerk außerhalb Deutschlands eröffnet. Zudem will der Autobauer bei seinem chinesischen Partner BAIC einsteigen. Es ist das erste Mal, dass ein ausländischer Autokonzern Anteile eines chinesischen Herstellers kaufen darf.

Von Thomas Fromm

Daimler steht vor einem historischen Schritt: Der Stuttgarter Autohersteller will Anteile an seinem chinesischen Partner Beijing Automotive (BAIC) kaufen. Das Manöver der Schwaben in China ist eine Premiere. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein ausländischer Autokonzern Anteile eines chinesischen Herstellers übernehmen darf. In den vergangenen Jahren waren es stets die Chinesen, die sich bei westlichen Autoherstellern und -zulieferbetrieben einkauften.

Eine entsprechende Vereinbarung soll an diesem Dienstag von Daimler-Chef Dieter Zetsche in Peking unterschrieben werden. Die Deutschen sollen demnach zwölf Prozent an BAIC bekommen, der Wert der Anteile wird auf rund 650 Millionen Euro geschätzt. Daimler werde "ein wichtiger Partner" mit Anteilen an seinem Unternehmen, sagte BAIC-Chef Xu Heyi am Montag in Peking. Man werde "niemals wieder getrennt voneinander leben können".

Allerdings: Hinter den Kulissen soll es bis zum Schluss politische Widerstände gegen die neue Rolle der Deutschen in Peking gegeben haben. Daimler bekommt im Zuge seines Einstiegs zwei Sitze im Verwaltungsrat des chinesischen Partners und wird dort künftig bei wichtigen Entscheidungen mit am Tisch sitzen. Daimler hat also jetzt - anders als andere westliche Autohersteller - direkten Einfluss in China.

Ein zweiter Heimatmarkt

Mit dem Einstieg bei seinem Partner in China fällt bei Daimler auch ein zweites Tabu: Der Konzern hat in China zusammen mit BAIC sein erstes Motorenwerk außerhalb Deutschlands eröffnet. Motoren gelten bei den Autobauern als das eigentliche Herzstück ihrer Arbeit; hier steckt ein großer Teil der Entwicklungsarbeit der Ingenieure. Dies gilt umso mehr für den Traditionsautobauer mit dem Stern, der seine Motoren bislang in der Heimat produziert hatte. Dass das neue Werk in China auf Kosten von Arbeitsplätzen in Deutschland gehen könnte, weist der Konzern zurück. "Dadurch gehen hier keine Aufträge verloren", heißt es in Stuttgart.

Der Einstieg bei BAIC und das Motorenwerk zeigen: China, der inzwischen wichtigste Markt für teure Luxusautos aus Deutschland, wird für Daimler damit immer mehr auch zu einem zweiten Heimatmarkt. Rund 400 Millionen Euro wurden in das Werk investiert. Dies sei "ein klares Zeichen des Vertrauens in unsere Zukunft auf diesem Markt", so Hubertus Troska, der im Daimler-Vorstand für das China-Geschäft verantwortlich ist. Sein Vorstandsposten war eigens vor einem Jahr geschaffen worden, um das China-Geschäft von Mercedes auszubauen.

Nicht zufällig: Im Rennen mit seinen Rivalen Audi und BMW liegt Mercedes in der Volksrepublik abgeschlagen auf dem dritten Platz. Daimler will aufholen - mit allen Mitteln. Schon heute produziert das Gemeinschaftsunternehmen von Daimler und BAIC an die 100.000 Mercedes-Fahrzeuge vor Ort. In zwei Jahren sollen es doppelt so viele sein.

Daimler wird also mit der Zeit etwas chinesischer werden, und mit der engen Verzahnung mit BAIC dürften nun alte Spekulationen wieder hochkochen: Dass ein chinesischer Staatsfonds nun größere Aktienpakete aus Stuttgart erwirbt und sich so zu einem neuen Daimler-Großaktionär aufschwingt.

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