Moritz Schularick:Das ist der neue Chefökonom des Nordens

Moritz Schularick: Moritz Schularick wird neuer Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Derzeit ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bonn und an Sciences Po in Paris.

Moritz Schularick wird neuer Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Derzeit ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Bonn und an Sciences Po in Paris.

(Foto: Marc Thürbach/picture alliance/dpa/Econtribute)

Moritz Schularick rückt an die zwei Jahre lang verwaiste Spitze des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Damit wird nach viel Gewürge ein internationaler Star verpflichtet. Er soll dem Haus wieder Glanz verleihen.

Von Alexander Hagelüken

Wenn man Moritz Schularick in Bonn trifft, empfängt er üblicherweise in seinem Büro an der Universität. Manchmal schlägt er auch vor, in ein Café mit dem unschlagbar altbackenen Namen "Sahneweiß" zu gehen. Diese beschauliche Welt der ehemaligen Bundeshauptstadt verlässt Schularick nun. Der Pullover-Träger mit dem Strubbelhaar dürfte künftig öfter einen Anzug anlegen: Der 1975 geborene Ökonom wird nach langem Drama Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), eines der großen ökonomischen Forschungsinstitute im Land.

Schularick hat sich schon früh auch international einen Namen gemacht, das ist ungewöhnlich für deutsche Volkswirte. Mit kaum 30 prägte er mit dem britischen Historiker Niall Ferguson den Begriff Chimerika, was die langjährige Symbiose der Supermächte China und Amerika beschrieb, aus der inzwischen Rivalität wurde. Für Furore sorgte er auch mit Forschungen darüber, was sich aus vergangenen Finanzkrisen lernen lässt. In den letzten Jahren mischte er offensiv in Debatten über die richtige Corona-Strategie und ein Gasembargo gegen Russland mit.

Das vor allem vom Bund und dem Land Schleswig-Holstein finanzierte Institut hofft nun, mit dem Weltwirtschaftler eher schwierige Zeiten hinter sich zu lassen. Das über 100 Jahre alte Forschungshaus gilt als erste Adresse für internationale Wirtschafts- und Handelsfragen. Zum Ende der langen Amtszeit von Dennis Snower von 2004 bis 2019 büßten die Kieler jedoch an Bedeutung ein. Der allzeit dynamische Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut übernahm, wechselte aber nach nur zwei Jahren in seine österreichische Heimat. Seither gibt es eine Interimslösung.

Bei der Neubesetzung fiel früh Schularicks Name, aber auch die von Nicola Fuchs-Schündeln aus Frankfurt und Markus Brunnermeier aus Princeton. Schularick war ebenfalls beim Frankfurter Safe-Institut für Finanzmarktforschung begehrt, dem er am Ende absagte. Das lange Gewürge um die IfW-Besetzung erklärt sich aus der byzantinischen Entscheidungsstruktur der Institutsträger, aber auch aus Schularicks Zögern.

Seine Strahlkraft dürfte auf seine neue Wirkungsstätte abfärben

Der Forscher erhielt 2022 den bedeutendsten deutschen Forschungspreis Leibniz und berät häufiger Finanzministerien, Zentralbanken und internationale Organisationen. Seine Strahlkraft dürfte auf seine neue Wirkungsstätte abfärben, gleichzeitig muss er sich daran gewöhnen, ein Haus mit vielen Mitarbeitern zu führen.

Durch seinen Schwerpunkt bei Globalisierung und internationalen Fragen passt Schularick perfekt in die Tradition des Hauses. Gleichzeitig fällt er auf, da er sich zuletzt mehr und mehr in politische Topfragen einmischte. So kritisierte er in der Corona-Pandemie vehement eine zu langsame Beschaffung von Impfstoffen. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine rechnete er mit anderen Ökonomen vor, Deutschland könne ein Gasembargo gegen den Aggressor Wladimir Putin insgesamt verkraften. Das wurde von anderen Forschern anders gesehen und von der Bundesregierung zurückgewiesen, woraus die hitzigste ökonomische Debatte des Jahres entsprang, die teilweise mit sehr scharfen Worten geführt wurde.

Schularick forschte auch schon in Harvard, Cambridge und New York. Er hat sich kritisch geäußert, dass einige ökonomische Berater der Politik in Deutschland zu wenig global ausgerichtet seien. "Es tut einem Land nicht gut, von Leuten beraten zu werden, die in internationalen Wissenschaftsdiskursen so gut wie nicht sichtbar sind", sagte er.

Bemerkenswert ist, dass der Ökonom perfekt zum weltwirtschaftlichen Fokus des IfW passt, aber zu einer anderen Tradition des Hauses gar nicht. Präsidenten wie Herbert Giersch und Horst Siebert argumentierten meist strikt marktliberal. Schularick hat sich viel mit Ungleichheit beschäftigt. In einer Studie wies er nach, dass mehr als die Hälfte der Wertzuwächse von Immobilien des vergangenen Jahrzehnts in die Taschen der zehn Prozent Reichsten in Deutschland wanderten. Er forderte in einem SZ-Interview, solche Gewinne stärker zu besteuern. Und erklärte mit einem kaum verhohlenen Seitenhieb auf das Münchner Ifo-Institut: "Es wird immer einen Ökonomen in München geben, der sagt, dass nicht mehr umverteilt werden soll."

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