Moral bei der Deutschen Bank:Reue zeigen im Sinne des Geschäfts

Rund um den Globus reden Banker plötzlich davon, der Allgemeinheit dienen zu wollen. Auch die Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen. Seit sie die Geschicke des Geldhauses übernommen haben, bringen sie ein Thema immer wieder auf die Agenda: die Kultur der Bankbranche, die für die meisten Menschen eine Unkultur ist. Nur: Wer sagt eigentlich, dass die beiden die richtigen Männer sind, um etwas zu ändern?

Alexander Hagelüken und Andrea Rexer

Jetzt ist es mal gut mit dem Knipsen. Jürgen Fitschen hat ein paar Minuten Blitzlichtgewitter ausgehalten, die Aufmerksamkeit der Fotografen für den ersten großen Auftritt des neuen Führungsduos der Deutschen Bank ist groß. Nun aber hat Fitschen genug gelächelt. Mit strengem Gesichtsausdruck setzt er die Lesebrille auf und betrachtet die Unterlagen vor sich auf dem Podium, als wisse er nicht genau, was ihm sein personalreicher Stab da aufgeschrieben hat. Fitschens Kollege Anshu Jain dagegen strahlt weiter in die Kameras, als gäbe es kein Morgen. Bloß nicht das Gesicht abwenden und irgendetwas falsch machen.

Pressekonferenz des Vorstandes der Deutschen Bank

Jürgen Fitschen und Anshu Jain (v.l.) wollen sich von Josef Ackermann abheben, der das Geschäft bei der Deutschen Bank zehn Jahre dominierte.

(Foto: dapd)

Zehn Jahre lang hat ein gewisser Josef Ackermann das Geschehen bei der Deutschen Bank dominiert. Er war das Gesicht der Deutschen Bank, für viele Bürger das Gesicht der deutschen Wirtschaft, für manche die Fratze. Nun hat die Bank auf einmal zwei Gesichter, noch dazu ist eines von deutlich dunklerer Hautfarbe, als dies bei einem Topmanager in Deutschland gemeinhin der Fall ist. Wer sind diese beiden, der Deutsche Fitschen und der gebürtige Inder Jain? Was haben sie mit der größten Bank des Landes vor?

Als die beiden an diesem Dienstag ihren ersten prominenten gemeinsamen Auftritt beginnen, wird bald klar: Da wollen sich zwei abheben vom überlebensgroßen Vorbild Ackermanns, ohne dass sie das je so sagen würden.

Seitdem Jain und Fitschen im Juni die Geschicke der Bank von Ackermann übernahmen, erwähnen sie immer wieder ein Thema: die Kultur der Bankbranche, die für die meisten Menschen eine Unkultur ist. Den beiden ist anzumerken, dass sie wissen, woran sie gemessen werden. Spätestens seitdem Banker mit ihren riskanten Geschäften vor fünf Jahren eine Finanzkrise auslösten, die Millionen Jobs kostete und den Steuerzahlern Hunderte Milliarden Euro Schulden aufbürdete, stehen die Geldhäuser im Kreuzfeuer.

Bankenchefs in aller Welt sammeln die Scherben auf

Die Liste der Skandale ist lang: Mehrere Banken sollen ihren Kunden Papiere der pleitegegangenen US-Bank Lehman angedreht haben, ohne sie auf die Risiken hinzuweisen. Kommunen fühlen sich falsch beraten, weil sie sich mit Papieren absichern wollten, die sich hinterher als Zockerprodukte herausgestellt haben. Riskante Wetten in den Handelssälen kosteten mehrere Banken Milliardensummen. Zuletzt wurde auch noch bekannt, dass ein großer Teil der Branche bei der Erhebung des Referenzzinssatzes Libor getrickst haben soll.

Kein Wunder, dass sich Bankenchefs in aller Welt bemühen, die Scherben wieder aufzusammeln. Denn ist der Ruf erst ruiniert, lebt eine Bank nicht mehr lange. Reue zu zeigen ist durchaus im Sinne des Geschäfts.

Nicht die einzigen, die den Kulturwandel predigen

Ganz einfach deshalb, weil Vertrauen in diesem Gewerbe immer noch die wichtigste Währung ist. Heben die Sparer ihr Geld von den Banken ab, ist ein Institut schnell pleite. Und so setzen die Chefs der Banken rund um den Globus zu einer Imagekampagne an.

Die neuen Chefs der Deutschen Bank, Anshu Jain und Jürgen Fitschen, wollen bei dieser Bewegung an der Spitze mitmarschieren. "Kulturwandel" ist das Wort, das sich die beiden ganz groß auf die Flaggen geschrieben haben. Doch im Kampf um die Plätze auf dem Siegertreppchen der Erneuerer haben Jain und Fitschen harte Konkurrenz: Sie sind nicht die einzigen, die den Kulturwandel predigen.

"Ich glaube, es wird in der Finanzbranche einen Kulturwandel geben müssen", sagte Urs Rohner, Chef der Schweizer Großbank Crédit Suisse. "Wir müssen klarmachen, dass Verstöße absolut nicht toleriert werden." Das Institut war immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil ihm vorgeworfen wurde, Steuerflüchtigen aus den USA und Europa Hilfe zu leisten.

"Wir brauchen einen Kulturwandel"

Ganz ähnliche Probleme hat der direkte Konkurrent, die Schweizer UBS. Bei ihr kommt noch hinzu, dass einer ihrer Händler Milliarden verspielt hat. Axel Weber, einst Bundesbank-Präsident, jetzt UBS-Verwaltungsratschef, will hinter seinem Kollegen Rohner freilich nicht zurückstehen: "Wir brauchen einen Kulturwandel", fordert er und bittet um Zeit, die Vergangenheit aufarbeiten zu können.

Auch in Großbritannien ist Zeit für Aufarbeitung offenbar angebrochen. "Wir können nicht ignorieren, was in der Vergangenheit passiert ist. Wir brauchen einen Kulturwandel", sagte Anthony Jenkins, der neue Chef der britischen Großbank Barclays im August. Barclays hat nun einen externen Banker beauftragt, die "Werte, Prinzipien und Standards" der Bank zu durchleuchten.

Sein Institut war das erste, das in der Libor-Affäre eine satte Vergleichssumme zahlen musste - seinen Vorgänger Bob Diamond hat das sein Amt gekostet. Und das, obwohl auch Diamond schon einen Kulturwandel heraufbeschworen hatte. Die Kultur könne man daran beurteilen, wie sich Menschen betragen, wenn gerade keiner hinsieht, hatte Diamond in einer Rede betont, als er noch im Amt war.

Von "immensen Fehlern" ist auch bei Jain und Fitschen an diesem Dienstag immer wieder die Rede. Nur: Wer sagt eigentlich, dass die beiden die richtigen Männer sind, um etwas zu ändern? Gerade gegenüber dem gelernten Investmentbanker Jain gibt es große Vorbehalte. Warum er glaube, der Richtige zu sein, fragt ihn ein Journalist. Und Anshu Jain antwortet sehr zögerlich.

Investmentbanking soll nicht alles überragen

Eigentlich müsse man die Frage an den Aufsichtsrat richten, sagt er, denn dieser entscheide über die Besetzung des Vorstands. Aber dann fügt doch noch hinzu: "Wenn man das Investmentbanking aufgeben will, ist es klar, dass man sich niemanden aus diesem Bereich als Chef holt. Aber wenn man diesen Bereich verändern will, holt man sich jemand, der etwas davon versteht."

Immer wieder kommen die beiden darauf zu sprechen, dass das Investmentbanking klarer Bestandteil der Bank bleiben müsse. Unter veränderten Vorzeichen. "Früher hat diese Sparte 80 bis 90 Prozent zum Gewinn beigetragen. Diese Abhängigkeit ist gefährlich", sagt Jain. Aber sich trennen von diesem Geschäft könne man nicht.

Gleich mehrere Zitate von mächtigen Firmenbossen baut die Deutsche Bank in ihre Präsentation ein, die untermauern sollen, dass die Realwirtschaft eine große Universalbank in Deutschland braucht - darunter die Chefs des Gaskonzerns Linde und des Autoherstellers Porsche. Wenn eine Diskussion den beiden Deutsch-Bankern Sorgenfalten auf die Stirn treibt, dann ist es die Diskussion um das Trennbankensystem. Niemand in Berlin denke ernsthaft daran, versichern die beiden denn auch - wissend, dass sowohl in Großbritannien als auch in den USA die Debatte bereits auf Hochtouren läuft.

Kein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell

Viel ruhiger sind Jain und Fitschen, wenn es um andere Vorstöße der Regulierer geht, etwa um die Kapitalausstattung. Denn das ist kein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell, hier können sie steuernd eingreifen.

Die neuen Kapitalvorschriften - im Branchenjargon "Basel III" - sind denn auch der Hauptgrund, warum das Geldhaus eine interne Bad Bank gegründet hat. Denn jene 125 Milliarden Euro schweren Vermögensgegenstände, die hier abgebaut werden sollen, schlucken nach den neuen Regeln besonders viel Eigenkapital. Unumwunden geben Jain und Fitschen zu, dass ihr Institut im Branchenvergleich schlecht kapitalisiert ist.

Dennoch unterstreichen sie, ohne Kapitalerhöhung zum Ziel kommen zu wollen - mit Maßnahmen wie der Bad Bank und dem ambitionierten Sparpaket von 4,5 Milliarden Euro. Für die Aktionäre ist diese Ansage ein Grund zum Jubeln. Der Aktienkurs schießt nach der Ankündigung 1,6 Prozent nach oben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: