Monte dei Paschi:Wackelt Italien, dann wackelt bald auch Europa

Italy Sinks Into Political Limbo As Prime Minister Matteo Renzi Swept Away By Defeat

Es sieht nicht gut aus für die älteste noch aktive Bank der Welt: Der Monte dei Paschi steht kurz vor der Verstaatlichung.

(Foto: Bloomberg)

Die Bank Monte dei Paschi kann wohl nur noch vom italienischen Staat gerettet werden. Das spiegelt die Krise des Landes wider - und die der Währungsunion.

Kommentar von Thomas Steinfeld

Wenn von der italienischen Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS) die Rede ist, wird oft ein Hinweis auf die Geschichte hinzugefügt: Dies sei das älteste noch aktive Finanzhaus der Welt, gegründet im Jahr 1472. Seit mehreren Jahren schon hebt sich dieser Hinweis von einer zweiten Nachricht ab: Von der Bank vergebene Kredite in Höhe von bis zu 45 Milliarden Euro seien möglicherweise verloren. Und jetzt muss der italienischen Staat tun, was er nach den jüngsten Regeln der Europäischen Union nicht mehr tun darf: der Bank zu neuem Kapital verhelfen.

Tatsächlich ist es so, dass man bei MPS mindestens einmal die Zeichen der Zeit nicht verstanden hatte, als man im Glauben an die unendliche Expansion des Finanzmarkts eine Regionalbank aus Norditalien erwarb, zu einem offenbar weit überhöhten Preis. Für die vielen notleidenden Kredite gibt es andere, tiefere Ursachen: In ihnen spiegelt sich das Elend einer Volkswirtschaft, die seit dem Jahr 1999 nicht mehr gewachsen ist und deren Krise kein Ende mehr zu nehmen scheint. Ganze Bereiche einer nach wie vor eher kleinteilig verfassten Industrie können im Wettbewerb vor allem gegen deutsche Unternehmen nicht mehr bestehen. Die nach wie vor weitverbreitete Bestechlichkeit sowie eine zuweilen fast unüberwindliche Bürokratie tun ein Übriges.

Das idealistische Bild des Monte dei Paschi ist verschwunden

Über viele Jahrhunderte war der Monte dei Paschi ein kommunales Finanzhaus. Den Namen trug es, weil es ursprünglich eine Pfandleihe war, deren Schulden durch Weiden (paschi) in der Maremma gesichert waren. "Eine verdammt gute Bank, in Siena / Ein Berg, eine Bank, ein Fonds, ein Boden / eine Kreditanstalt", dichtete der amerikanische Lyriker Ezra Pound um das Jahr 1938 in seinen "Cantos", einem der wichtigsten Versepen der Moderne.

Hinter diesen Versen stand das Ideal eines spätmittelalterlichen, genossenschaftlich organisierten Gemeinwesens, in dem jeder für den anderen einstehen und alle gemeinsam für das Wohl ihres Stadtstaates arbeiten sollten. Selbstverständlich war diese Vorstellung idealistisch, und selbstverständlich war MPS schon im 19. Jahrhundert eine nationale Geschäftsbank gewesen, als sie zum Beispiel mit Krediten für die italienische Vereinigung gut verdiente.

Und doch verschwanden die politischen und ökonomischen Grundlagen für diesen Idealismus erst in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten, als die Stadt ihre Anteile an der Bank aufgeben musste, als die Kommunalpolitiker ihre Sitze im Vorstand verloren und MPS gezwungen wurde, die Förderung großer Teile der sozialen und kulturellen Infrastruktur Sienas einzustellen.

Italiens Geldhäuser sind der Spiegel des Landes und Europas

Man sollte meinen, der Untergang einer so ehrwürdigen, vielleicht sogar "guten" Institution werde in Italien von Bedauern, vielleicht sogar von Schmerz begleitet. Es ist nicht so. Dass Sienas außerordentlicher Reichtum weitgehend verschwunden ist, scheint bei vielen Menschen eher Schadenfreude zu wecken. Sie denken eher an die Korruption, die durch das Ineinander von Kommunalpolitik und Bank ermöglicht wurde. Sie denken auch an den Reichtum, den eine Stadt genoss, und an dem alle anderen Städte keinen Anteil hatten. Etwas Ungerechtes liegt in diesen Urteilen, denn MPS handelte kaum anders, als es die vielen lokalen Sparkassen tun, die noch immer Italiens Bankwirtschaft beherrschen.

Eine gewöhnliche Bank war MPS auch in der Vergabe der Kredite, die das Haus nun in den Untergang zu ziehen drohen. Wenn europäische, insbesondere deutsche Politiker nun verlangen, man möge die Gesetze des Geschäftswesens und die neuen Regeln der Union gelten lassen und der Bank nicht helfen, verbirgt sich auch darin eine Ungerechtigkeit. Denn auch deutschen Banken wurde geholfen, als sie 2008 in Schwierigkeiten gerieten, weil sie sich in Griechenland oder Portugal engagiert hatten. Italienische Bankhäuser brauchten damals keine Hilfe.

Eine Unterstützung des MPS und womöglich auch anderer italienischer Banken erscheint umso notwendiger, weil sich hinter der Krise viel größere Schwierigkeiten verbergen. Vor allem: Italiens Teilhabe am Euro führt dazu, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes immer weiter reduziert. Wenn Stärkere und Schwächere unter gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren, muss der Stärkere immer stärker und der Schwächere immer schwächer werden. Irgendwann, früher oder später, wird dann der Bestand des Gemeinwesens gefährdet. Man muss ja den Idealismus einer kommunalen Bank nicht teilen, um an deren genossenschaftlichen Prinzipien etwas Vernünftiges zu finden.

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