Süddeutsche Zeitung

Monsanto:Bayer entschuldigt sich für Kritiker-Listen

  • Monsanto ließ Informationen über 1475 Personen sammeln, davon gut 200 aus Deutschland. War das rechtlich in Ordnung? Eine von Bayer beauftragte Kanzlei entlastet nun den Konzern.
  • Die Anwälte hätten "keine Beweise gefunden", dass die Listen illegal seien. Bayer betont aber, die Praxis sei "komplett unangemessen" gewesen.

Von Benedikt Müller, Düsseldorf

Als die EU-Staaten vor drei Jahren stritten, ob sie den Unkrautbekämpfer Glyphosat weiterhin zulassen sollten, da wollte es Hersteller Monsanto genau wissen: Welche Menschen prägen die Debatte über Glyphosat? Der Konzern ließ Listen mit Hunderten Wissenschaftlern und Politikern, Verbraucherschützern und Journalisten anlegen. Französische Medien enthüllten die Praxis im Mai, berichteten von einer Sammlung vertraulicher Daten, die gegen Gesetze verstoßen könnte. Groß war die Empörung, Betroffene kündigten Klagen an, Behörden ermitteln.

Nun versucht der heutige Monsanto-Mutterkonzern Bayer, den Klägern zumindest juristisch den sprichwörtlichen Wind aus den Segeln zu nehmen: Bayer hatte die Kanzlei Sidley Austin damit beauftragt, die Praxis zu untersuchen. Die Anwälte haben jetzt ihren Bericht vorgelegt. Demnach seien die Listen zwar "detailliert": Monsanto ließ Informationen über 1475 Personen sammeln, davon gut 200 aus Deutschland. Die Juristen hätten aber "keine Beweise gefunden", dass die Listen illegal seien, teilt Bayer mit. Gleichwohl hatte sich der Konzern zuvor für die "komplett unangemessene" Praxis entschuldigt.

Die Anwälte haben bis August alle Betroffenen angeschrieben und Einsicht in die Daten angeboten, die Monsanto über sie speichern ließ. Darunter etwa Barbara Hendricks, bis 2018 Bundesumweltministerin: Die Agentur Fleishman Hillard stufte die SPD-Politikerin im Auftrag von Monsanto in ein Ampelsystem ein, das von Verbündeten (grün) über möglicherweise bewegliche Kritiker bis hin zu unbelehrbaren Gegnern (tiefrot) reichte. Auch die frühere französische Umweltministerin Ségolène Royal taucht auf einer Liste als "null beeinflussbar" auf.

Laut einer Kanzlei ließ Monsanto "hauptsächlich" öffentliche Informationen zusammentragen

Die Kanzlei Sidley Austin betont nun, dass besagte Agentur "hauptsächlich" öffentliche Informationen zusammengetragen habe, etwa aus Medienberichten oder sozialen Netzwerken. Die Juristen hätten hingegen "keinen Nachweis für die Vorwürfe gefunden", dass die Listen auch Hobbys, Freizeitaktivitäten oder persönliche Interessen von Kritikern enthielten.

Dem Bericht zufolge haben Monsanto-Beschäftigte auch nicht darüber gesprochen, dass man sich "im Rahmen von Freizeitaktivitäten" mit Kritikern austauschen könnte. Französische Medien hatten hingegen ein Dokument veröffentlicht, wonach "Freizeit oder andere Interessen (Golf, Tennis, Jagd etc.)" ein Schwerpunkt der Listen seien. Die Kanzlei habe ein solches Dokument nicht finden können, teilt Bayer mit.

Die Anwälte von Sidley Austin haben nach eigenen Angaben mehr als 25 000 Dokumente ausgewertet, darunter auch Mails, Verträge und Buchungen. Zudem habe die Kanzlei Beschäftigte von Monsanto interviewt. Eine Liste mit deutschen Journalisten liege nur anonymisiert vor.

Bayer hatte Monsanto im vergangenen Sommer für mehr als 55 Milliarden Euro übernommen. Allerdings eilt dem Saatgut- und Agrochemiekonzern aus St. Louis nicht nur ein miserabler Ruf voraus. Auch haben in den USA mehr als 18 000 Menschen Monsanto verklagt, weil sie Unkrautvernichtungsmittel auf Glyphosatbasis für Krebserkrankungen verantwortlich machen. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück, hat die ersten drei Verfahren in erster Instanz allerdings allesamt verloren - und auch an der Börse seither kräftig an Wert eingebüßt.

Bayer habe vor der Übernahme nicht feststellen können, wie genau Monsanto Lobbyarbeit betreibe, hieß es von dem Konzern. Mittlerweile arbeitet Bayer in der Öffentlichkeitsarbeit nach eigenem Bekunden nicht mehr mit der Agentur Fleishman Hillard zusammen. Die Leverkusener hoffen, dass sie den Ärger mit der Kritikerliste bald hinter sich lassen können. "Wir bei Bayer stehen für offenen Dialog und gegenseitigen Respekt", lässt der für Politikkontakte und Nachhaltigkeit zuständige Manager und einstige Grünen-Politiker Matthias Berninger mitteilen. "Und wir werden in Zukunft neue Maßstäbe für Transparenz setzen."

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SZ vom 06.09.2019
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