Süddeutsche Zeitung

Brent Wisner:Der Schreck von Monsanto

  • Der Anwalt Brent Wisner aus Los Angeles, der das krebskranke Ehepaar in der Klage gegen Monsanto vertritt, ist immer für eine Show im Gerichtssaal zu haben.
  • Und das erfolgreich: Jetzt ist ihm der ganz große Coup gelungen und die Jury in Kalifornien hat Monsanto verurteilt, zwei Milliarden Dollar an das Paar zu zahlen.
  • Vor Kurzem ist er zu einem der 40 besten Prozessanwälte unter 40 Jahren gewählt worden.

Von Kathrin Werner

Wenn Brent Wisner im Gerichtssaal loslegt, wird es besser als in jedem Hollywoodfilm. Mal schreit er, mal flüstert er, mal gestikuliert er, mal rollt er mit den Augen. Einmal, als er zeigen wollte, wie seine Mandanten Monsantos Unkrautmittel im Garten verteilten, stülpte er mit großer Geste Handschuhe über, bevor er die Flasche Roundup aus der Plastikhülle zog und daraus herumsprühte vor der Richterbank. Er traf fast die Jury. Die zuckte zusammen und vergaß nie den Eindruck: Roundup ist Gift. Später stellte sich heraus, dass in der Flasche nur Wasser war.

Wisner, Anwalt aus Los Angeles, weiß, wie man eine gute Show inszeniert. Jetzt ist ihm der ganz große Coup gelungen. Die Jury in Kalifornien hat Monsanto verurteilt, 2,05 Milliarden Dollar an Wisners Mandanten zu zahlen, die 35 Jahre lang das Glyphosat-haltige Pflanzengift Roundup auf ihrem Grundstück verteilt haben und nun an Lymphdrüsenkrebs erkrankt sind. Monsanto hatte "niemals irgendein Interesse daran herauszufinden, ob Roundup sicher ist", sagt Wisner. Pro Jahr schreibt Monsantos Agrarchemie-Sparte fast 900 Millionen Dollar Gewinn - pro Person sei deshalb in etwa diese Summe als Schadenersatz angebracht, argumentierte er.

Es ist das dritte Urteil gegen Monsanto wegen Glyphosat in den USA, die anderen Kläger hatten je 80 Millionen Dollar zugesprochen bekommen. Wisner wollte, dass die Jury beim dritten Fall den Konzern nicht so billig davonkommen lässt. "Die Zahl, mit der Sie herauskommen müssen, muss diesen Leuten sagen: ,Wir müssen ändern, was wir tun'. Wenn eine Zahl herauskommt, die nicht schwerwiegend ist, knallen da die Champagnerkorken", sagte er zur Jury. Er, der Provokateur mit dem rosafarbenen Pausbacken-Gesicht, das so vertrauenerweckend aussieht. Monsantos Anwälte haben versucht, ihn von plakativen Statements abzuhalten. Sie wollten nicht, dass die Monsanto-Manager als Leute dastehen, die sich zuprosten, während ihre Kunden an Krebs erkranken. Doch Wisner ließ sich nicht bremsen.

"Ich habe definitiv die Absicht, diese Jury wütend auf Monsanto zu machen"

Wisner ist in Kalifornien aufgewachsen. Er kenne viele Bauern und Landarbeiter und wisse, wie schwer ihr Leben sein kann, sagt er. Schon sein Vater hat mit César Chávez, dem Gründer der US-Landarbeitergewerkschaft United Farm Workers, für besseren Schutz der Farmer vor Giften gekämpft. "Dies ist ein persönlicher Kampf für mich", sagt Wisner. "Ich bin bei diesem Rechtsstreit dabei, weil ich die Fackel weitertragen will." Vor Kurzem ist er zu einem der 40 besten Prozessanwälte unter 40 Jahren gewählt worden.

In den USA gibt es seit Längerem einen Trend zu enorm hohen Wiedergutmachungsurteilen von Laienrichtern in erster Instanz. Oft werden sie in Berufungsverfahren extrem reduziert, doch der Denkzettel bleibt - und die Aufmerksamkeit, die solch hohe Strafen auf Missstände lenken. Wisner ist Experte dafür, die Jurys so anzuspitzen, dass sie keine Summe zu hoch finden, um die Konzerne abzustrafen. "Ich habe definitiv die Absicht, diese Jury wütend auf Monsanto zu machen", sagte er. Seine Kanzlei lud die Schauspielerin Daryl Hannah und deren Mann, den Musiker Neil Young, zum Verfahren ein. Die beiden ließen sich mit den Klägeranwälten fotografieren und klagten danach via Twitter, wie Monsanto vor Gericht lüge. Auch ein Jurymitglied soll um ein gemeinsames Foto mit Hannah und Young gebeten haben. So funktionieren Prozesse vor den Toren Hollywoods. Bei einem der letzten Auftritte von Wisner vor Gericht saß der Regisseur Oliver Stone im Zuschauerraum.

Bayer, nun Mutterkonzern von Roundup, muss sich weiter mit Brent Wisner auseinandersetzen. Wisner und seine Kanzlei vertreten fast 1000 Kläger aus den USA in Glyphosat-Fällen. Als letzten Satz an die Jury, bevor sie sich zur Entscheidungsfindung zurückzog, hatte Wisner sich diese Botschaft überlegt: "Schnappt sie Euch!" Er wird sie sich weiter schnappen wollen.

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SZ vom 15.05.2019/vwu
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