Süddeutsche Zeitung

Monsanto: Chefin im Gespräch:"Alles was groß ist, ist verdächtig"

Ursula Lüttmer-Ouazane, Nordeuropa-Chefin von Monsanto, über das Verbot des Genmaises MON810, die Rolle von Horst Seehofer und eigene Fehler.

Tobias Dorfer

Im April hat Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) den Anbau des umstrittenen Genmaises MON810 in Deutschland untersagt. Seitdem wurde das Verbot mehrfach von deutschen Gerichten bestätigt. Auch in Österreich, Frankreich, Griechenland und Ungarn ist MON810 nicht zugelassen. Für den Hersteller Monsanto ist dies eine schwere Niederlage, schließlich wollte der amerikanische Agrarkonzern mit dem Mais erstmals gentechnisch verändertes Saatgut auch in Europa etablieren.

Für die Gegner der grünen Gentechnik ist Monsanto deshalb seit vielen Jahren das Feindbild Nummer eins - das Unternehmen steht zudem wegen Umweltvergehen und der Ausbeutung indischer Kleinbauern in der Kritik. Auch das umstrittene Schweinepatent wurde ursprünglich von Monsanto entwickelt. Außerdem ist der Konzern Hersteller des giftigen Entlaubungsmittels "Agent Orange", das im Vietnamkrieg eingesetzt wurde. Ursula Lüttmer-Ouazane, 50, ist seit 2006 Nordeuropa-Chefin. Im Gespräch mit sueddeutsche.de erläutert sie, wie sich der Konzern gegen das MON810-Verbot wehrt.

sueddeutsche.de: Frau Lüttmer-Ouazane, das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat das Verbot Ihres Genmaises MON810 kürzlich bestätigt. Geben Sie jetzt auf?

Ursula Lüttmer-Ouazane: In Lüneburg wurde über einen Eilantrag gegen das MON810-Anbauverbot entschieden. Den haben wir gestellt, damit der Mais noch in dieser Saison ausgesät werden kann. Ohne Erfolg. Das Hauptsacheverfahren läuft jedoch noch. Wir hoffen, dass in dessen Rahmen auch wissenschaftlich argumentiert werden kann.

sueddeutsche.de: Wundert es Sie eigentlich nicht, dass gerade Landwirtschftsministerin Ilse Aigner, die immer als Befürworterin der grünen Gentechnik galt, MON810 in Deutschland verboten hat?

Lüttmer-Ouazane: Überhaupt nicht. Das politische Umfeld hat sich in den vergangenen Jahren radikal geändert. Noch vor kurzem erlebten wir eine CSU, die stark hinter der grünen Gentechnik stand. Aber das hat sich zuletzt leider komplett gedreht.

sueddeutsche.de: Warum?

Lüttmer-Ouazane: Man sieht doch, wie ein Herr Seehofer gestrickt ist. Er schaut auf die Stimmung im Volk. So kam es, dass Partner, die uns früher unterstützt haben, jetzt eine absolute Kehrtwende gemacht haben.

sueddeutsche.de: Ilse Aigner ist für Sie also nur eine Marionette von Herrn Seehofer?

Lüttmer-Ouazane: Ich denke, sie hat in der klaren Intention der Herren Söder und Seehofer gehandelt.

sueddeutsche.de: Trotzdem ist es erstaunlich: Gerade Monsanto, ein Konzern mit guten Verbindungen in die Politik, muss eine solche Niederlage einstecken. Welche Fehler haben Sie gemacht?

Lüttmer-Ouazane: Vielleicht hätten wir hier und da kompromissbereiter sein sollen.

sueddeutsche.de: Ihre Gegner sind breit gestreut. Kirchen, Umweltaktivisten, Imkergruppen und selbst Feuerwehren machen gegen Monsanto mobil. Haben Sie deren Einfluss unterschätzt?

Lüttmer-Ouazane: Das glaube ich nicht. In Deutschland ist in der letzten Zeit vielmehr eine wahre Technologiefeindlichkeit ausgebrochen. Immer heißt es: Lieber tun wir etwas nicht, bevor wir nicht wissen, was es in letzter Instanz bedeutet.

sueddeutsche.de: Bereits vor der endgültigen Entscheidung über MON810 jubeln ihre Kritiker. Monsanto sei nach der Aigner-Entscheidung in Europa nun quasi tot, sagte die französische Journalistin Marie-Monique Robin.

Lüttmer-Ouazane: Ich kenne Frau Robin als eine Frau, die daran Gefallen findet, Dinge zu überspitzen und falsch darzustellen. Was sie dazu bewegt, ist mir nicht bekannt. Ich kann nur den Kopf darüber schütteln.

sueddeutsche.de: Der Kampf geht also weiter?

Lüttmer-Ouazane: Meiner Erkenntnis nach stehen mehr als 40 genveränderte Produkte auf den Listen der europäischen Behörden. Einige davon kommen von Monsanto, aber auch andere Unternehmen sind beteiligt.

Im zweiten Teil: Wie sehr Monsanto das MON810-Verbot bislang geschadet hat - und welche Ziele sich der Konzern für die Verbreitung des umstrittenen Genmaises setzt.

sueddeutsche.de: Wie stark hat das MON810-Verbot Monsanto bislang geschadet?

Lüttmer-Ouazane: Natürlich ist die Situation nicht schön. Jede nicht verkaufte Einheit bedeutet für uns keine Gewinne und für den Landwirt erst recht nicht. Den drei Unternehmen, die MON810 in Deutschland vermarkten, ist so ein Schaden von mindestens einer halben Million Euro entstanden. Aber deshalb werden wir unsere Strategie nicht ändern.

sueddeutsche.de: Wenn der Name Monsanto fällt, dann denkt man sofort an das umstrittene Pflanzenschutzmittel Roundup und an die Verwicklungen im Vietnamkrieg, als Monsanto dem US-Militär das giftige Entlaubungsmittel Agent Orange lieferte. Hat Ihr Konzern kein Akzeptanzproblem wegen Genpflanzen, sondern vielmehr ein Vertrauensproblem?

Lüttmer-Ouazane: Das ist kein spezielles Problem von Monsanto. Alles was groß ist, ist verdächtig. Und alles, was eine gewisse Marktstellung hat.

sueddeutsche.de: Wollen Sie Mitleid dafür?

Lüttmer-Ouazane: Das nicht. Aber ich will auch sagen dürfen, dass nicht nur Monsanto im Vietnamkrieg den erwähnten Wirkstoff geliefert hat. Da waren auch andere Konzerne beteiligt. Losgelöst davon besteht aber ganz besonders in Deutschland ein latentes Misstrauen gegenüber Großunternehmen.

sueddeutsche.de: Liegt das nicht vielmehr an Fakten? Ein Imker musste die gesamte Honigproduktion eines Jahres vernichten, weil sich darin Spuren von MON810 fanden.

Lüttmer-Ouazane: Es gibt kein Urteil, das ihn dazu gezwungen hätte. Ich glaube, er hat den Honig vernichtet, um Medienresonanz zu bekommen. Und das ist ihm ja offenbar gelungen.

sueddeutsche.de: Sie unterstellen dem Imker, er lügt?

Lüttmer-Ouazane: Es gibt in Deutschland weder ein Urteil noch eine behördliche Anordnung, die einen Imker dazu verpflichten würde, Honig, der Spuren von gentechnisch veränderten Pollen enthält, zu vernichten. Zudem beweist der Imker seine Aussagen nicht. Er vernichtet die Gläser.

sueddeutsche.de: Hinter diesem Fall steht doch eine grundsätzliche Frage: Wie kann verhindert werden, dass Gen-Pollen auf andere Pflanzen übergehen?

Lüttmer-Ouazane: Dafür hat der Gesetzgeber eine eindeutige Regelung geschaffen. Die Vermischung muss minimiert werden. Ausschließen kann man so etwas nie. Schließlich befinden wir uns in freier Natur und nicht in einem klinisch sauberen Raum.

sueddeutsche.de: Denjenigen, die keine Spuen von genveränderten Organismen in ihren Pflanzen haben wollen, nützt das wenig.

Lüttmer-Ouazane: Das ist doch eben durch entsprechende Abstandsregeln geklärt, dass es dazu nicht kommt. Sollte es Einzelfälle geben, muss man in diesen weitersehen und Lösungen finden.

sueddeutsche.de: In diesem Jahr sollte auf einem Prozent der deutschen Mais-Anbaufläche Ihr Genmais wachsen. Dieses Ziel haben Sie grandios verfehlt. Werden Sie jetzt vorsichtiger?

Lüttmer-Ouazane: Die Ziele bleiben, nur die Zeitpläne verschieben sich. Europa bleibt für uns wichtig. In Tschechien und Polen haben wir viel ambitioniertere Ziele. Wenn Sie aber von einem Prozent sprechen, dann ist das ein sehr ambitioniertes Ziel, welches wir nicht formuliert haben.

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