Süddeutsche Zeitung

Monsanto:Auf Wiedersehen, Hassobjekt

Monsanto steht weltweit für vieles, was Menschen an der Globalisierung schlecht finden. Nun kauft Bayer den Konzern und der Name verschwindet. Ein Nachruf.

Von Kathrin Werner, New York

Dieser Artikel wird eine Regel brechen. Und zwar diese: Über die Toten soll man nur Gutes sagen. Nach 117 Jahren verschwindet der Markenname Monsanto. Es wird nicht viele Menschen geben, die ihm nachtrauern.

Schließlich steht er seit Jahrzehnten für Skandale, Rechtsstreits, Gesundheitsgefahren und sogar für Todesopfer - ein Teil des schlechten Images beruht auf Vorurteilen, ein Teil auf tatsächlichem Fehlverhalten des Chemie- und Agrarkonzerns. "Bayer wird der Unternehmensname bleiben. Monsanto wird als Unternehmensname nicht fortgeführt", teilte der deutsche Konzern nüchtern mit, der nun seine 62,5 Milliarden Dollar teure Übernahme von Monsanto abschließt.

Monsantos Kritiker haben das Unternehmen oft umgetauft, in Mutanto oder Monsatan zum Beispiel. Sie haben Schilder über Demonstrationen auf der ganzen Welt getragen, auf denen eine einfache Gleichung stand: "Monsanto = böse". Auch in diesem Jahr hat es der Konzern wieder auf die Liste der 20 meistgehassten Firmen der USA geschafft.

Selbst die Mitarbeiter, sagt Bayer-Chef Werner Baumann, legten keinen großen Wert auf den Namen Monsanto. Sie seien nur stolz auf die Werte und die Produkte des Unternehmens. Und die Bauern sind ohnehin vertrauter mit den Namen, die der Konzern den einzelnen Produkten gegeben hat: Roundup, Dekalb oder Asgrow zum Beispiel. Es wird keine Zeremonie geben, um den Namen zu beerdigen, schließlich soll der Abschied all den Hass, die Konflikte, die Skandale und auch die Vorurteile in Vergessenheit geraten lassen. Aber sie bleiben Teil der Geschichte, nun der von Bayer.

Doch wie konnte Monsanto zum Synonym für böse werden und gleichzeitig so mächtig, dass kein anderer Konzern so wie er über die Ernährung von derzeit 7,6 Milliarden Menschen weltweit entscheidet?

Monsantos erstes genmodifiziertes Produkt löste einen Skandal aus

1901 gründete der Pharmaangestellte John Francis Queeny in St. Louis eine kleine Chemiefirma und gab ihr den Mädchennamen seiner Frau: Monsanto. Queeny bekam Startkapital von der Brause-Industrie, sein erstes Produkt war der Süßstoff Saccharin, es wurde zum Welterfolg. Später kamen Desinfektionsmittel und andere Chemikalien dazu. Seit den Vierzigerjahren entwickelte Monsanto Pflanzengift und Agrarchemie - und wurde immer wichtiger.

Vor seinem Wandel zum reinen Agrarkonzern stellte Monsanto verschiedenste Chemikalien her - auch aus diesem Teil der Geschichte des Konzerns bleiben vor allem Skandale in Erinnerung. Monsanto wusste zum Beispiel schon 1971, dass die Dioxine in der Kühlflüssigkeit PCB zu Missbildungen bei Menschen führen können, fälschte aber aus Angst vor Klagen jahrelang Untersuchungsergebnisse.

1977 wurde die PCB-Produktion verboten, es folgten Mammutprozesse gegen Monsanto. Auch Monsantos erstes genmodifiziertes Produkt, das Rinderwachstumshormon Posilac, löste einen Skandal aus. Es sollte Kühe zu höheren Milchleistungen treiben, führte bei den Tieren aber zu Fruchtbarkeitsstörungen.

Später kam heraus, dass Monsanto für die Zulassung Untersuchungsergebnisse geschönt und einen Mitarbeiter der Zulassungsbehörde bestochen hatte. Außerdem produzierte der Konzern das Entlaubungsgift Agent Orange, das die USA im Vietnamkrieg einsetzten. Es soll 400 000 Menschen getötet haben und für eine halbe Million Geburtsschäden verantwortlich sein. Allerdings produzierten es auch andere, in Deutschland half Bayer bei der Herstellung.

Seit den 70er-Jahren produziert Monsanto das Pflanzenschutzmittel Glyphosat und vermarktet es unter dem Namen Roundup. Es gibt Ängste, dass es Krebs auslösen und Bienen töten könnte. Im November 2017 verlängerte die EU-Kommission die Zulassung um fünf Jahre, sie sieht keine Gefahr. Mails aus dem Unternehmen zeigen jedoch, dass das Endprodukt nie auf seine schädliche Wirkung hin untersucht wurde, sondern nur der Hauptwirkstoff Glyphosat. In den USA sind Sammelklagen von Bauern anhängig. Sie glauben, dass Roundup sie krank gemacht hat und wollen Schadenersatz - ein Prozessrisiko, das an Bayer weitergereicht wird.

Bei den Farmern war Roundup von Anfang an beliebt. Insbesondere als es Monsanto-Biologen gelang, Saatgut so zu verändern, dass die Pflanzen resistent gegen Roundup sind, wollte kaum noch ein Bauer etwas anderes kaufen als Roundup und das passende genmanipulierte Saatgut.

Lange verkaufte Monsanto nur die Gentechnik an andere Saatguthersteller weiter, das änderte sich in den Neunzigerjahren. Das Unternehmen übernahm einen Saatguthersteller nach dem anderen. Es begann der Aufstieg zum Saatgut-Giganten. Inzwischen haben mehr als 90 Prozent der amerikanischen Sojabohnen und mehr als 80 Prozent der US-Futtermaispflanzen genetisch veränderte Eigenschaften.

Die Ablehnung, die Monsanto entgegenschlägt, liegt oft darin begründet, dass viele Menschen, vor allem in Deutschland, sich vor Gentechnik fürchten - allerdings gegen die Mehrheitsmeinung der Wissenschaft. Monsanto argumentiert, dass die Welt sich angesichts von Klimawandel und steigenden Bevölkerungszahlen neuer Agrarforschung nicht verweigern darf.

Verschiedene Behörden haben schon versucht, Monsantos Macht zu bremsen - ohne größere Erfolge. Auch Bauern haben durch alle Instanzen geklagt, etwa weil der Konzern ihnen verbietet, ihre Saat selbst weiter zu züchten und die Saat so manipuliert, dass das nicht geht. Auch im Moment hat Monsanto rechtlichen Ärger, diesmal wegen Dicamba.

Der Unkrautvernichter, der als effektiver gilt als Roundup, hat ein Problem, er landete auch auf Feldern, deren Saatgut nicht speziell für Dicamba manipuliert war und vernichtete ganze Ernten. Bauern klagen, US-Behörden ermitteln und verboten Dicamba zum Teil. Und Monsanto? Gibt wie so oft den Bauern die Schuld. Auch um diese Klagen muss sich jetzt Bayer kümmern. Nun verschwindet Monsanto, die Geschichte bleibt. Nur Gutes enthält sie nicht.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2018/hgn
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