8700, 9300, 11 200, 13 400. Quartal für Quartal veröffentlicht der Leverkusener Dax-Konzern Bayer, wie viele Klagen wegen des Unkrautvernichters Glyphosat gegen die US-Tochter Monsanto in den USA eingereicht wurden. Wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Halbjahresbericht hervorgeht, gewinnt die Klagewelle an Wucht. Bis zum 11. Juli 2019 wurden Monsanto etwa 18 400 Klagen zugestellt. Mit der Übernahme von Monsanto für 63 Milliarden Dollar hat sich Bayer auch die Rechtsrisiken eingehandelt. Zum ersten Mal nennt der Konzern auch Zahlen für Kanada. Dort seien Bayer fünf Klagen zugestellt worden, in denen jeweils die Zulassung einer Sammelklage beantragt werde. Der Aktienkurs des Dax-Konzerns reagierte am Dienstag mit einem Verlust von 3,7 Prozent auf die jüngsten Nachrichten.
Die drei bislang erstinstanzlichen Klagen in den USA hat Bayer verloren. Die Geschworenen verurteilten den Konzern zu hohen Strafen. Zwar kürzten die Richter im Nachgang das Strafmaß mehr oder minder drastisch, aber aus formalen Gründen, nicht aus sachlichen. Der Strafschadenersatz, der das Fehlverhalten eines Konzerns ahndet und Nachahmer abschrecken soll, darf höchstens das Neunfache des Schadenersatzes für Schmerzen, gesundheitliche und finanzielle Schäden betragen.
Dem Fall Hardeman gilt besondere Aufmerksamkeit
Die Richter fanden harsche Worte für Monsanto. Vince Chhabria, bei dem einige Hundert Verfahren gebündelt sind und der das Musterverfahren Edwin Hardeman verhandelte, bezeichnete das Verhalten des Konzerns als "verwerflich". Monsanto müsse bestraft werden. Dem Fall Hardeman gilt besondere Aufmerksamkeit, weil er die Richtung weist für andere Fälle.
Der Konzern sei "weiter überzeugt, gute Argumente zur Verteidigung gegen die erhobenen Ansprüche zu haben", und beabsichtige sich "in all diesen Verfahren entschieden zur Wehr zu setzen", heißt es im Halbjahresbericht. Parallel zu den Prozessen wolle sich Bayer aber auch "konstruktiv" an der von Vince Chhabria angeordneten Mediation beteiligen. Der Richter drängt die Streitparteien zu einem Vergleich. Sie haben sich bereits auf den New Yorker Schlichter Ken Feinberg geeinigt. In einer Analystenkonferenz sagt Baumann am Nachmittag, Bayer würde bei den Glyphosat-Klagen nur einen Vergleich in Betracht ziehen, wenn er finanziell angemessen sei und "wir damit den gesamten Rechtsstreit endgültig beilegen könnten."
Die Zahlen des zweiten Quartals sind durch die Übernahme von Monsanto geprägt, im Vorjahresquartal wurde die neue Tochter nur mit wenigen Wochen in die Rechnung einbezogen. Bereinigt um Währungseffekte und Veränderungen im Portfolio stieg der Umsatz im zweiten Quartal um 0,9 Prozent auf 11,5 Milliarden Euro. Nominal legte er um gut ein Fünftel zu. Das operative Ergebnis brach um gut 31 Prozent auf 926 Millionen Euro ein.
Bayer verweist auf Sonderaufwendungen in Höhe von 859 Millionen Euro. Sie entfallen unter anderem auf die angekündigte Restrukturierung und Wertberichtigungen beim Verkauf der Fußpflegemarke Dr. Scholl's, die für 585 Millionen Dollar an den Finanzinvestor Yellow Wood Partners geht, wie Bayer erst kürzlich mitteilte. Schon im Mai reichte der Konzern die Sonnenschutzmarke Coppertone für 550 Millionen Dollar an den Hamburger Konzern Beiersdorf. Das Konzernergebnis hat sich im zweiten Quartal fast halbiert auf 404 Millionen Euro.
Während das Geschäft mit Medikamenten und rezeptfreien Produkten im zweiten Quartal zulegte, litt das Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln und Saatgut, im Firmenjargon Crop Science, unter dem schlechten Wetter in den USA mit Überschwemmungen und starken Regenfällen im Mittleren Westen und die Trockenheit in weiten Teilen Europas und Kanadas.
Vorstandschef Werner Baumann sieht Bayer laut Mitteilung operativ auf Kurs. Er bestätigte den Konzernausblick für das Gesamtjahr, dieser sei jedoch zunehmend ambitioniert. Für 2019 erwartet Bayer einen Umsatz von etwa 46 Milliarden Euro. Darin nicht berücksichtigt ist die geplante Trennung von der Sparte Tiergesundheit, Coppertone, Dr. Scholl's und der 60-prozentigen Beteiligung am Standortdienstleister Currenta.