Mögliches EU-Prüfverfahren wegen Exportüberschüssen:Der deutsche Patient

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Container Terminal im Hafen

Ein Containerschiff wird am Container-Terminal Altenwerder im Hamburger Hafen be- und entladen

(Foto: dpa)

Es ist vorbei mit dem ständigen Lob aus Brüssel. Das deutsche Wirtschaftsmodell steht in der Kritik, nicht nur in Europa. Der Vorwurf: Die deutsche Wirtschaft saniert sich dank ihrer Exportüberschüsse auf Kosten anderer. Die EU will das ändern.

Von Cerstin Gammelin, Brüssel

Deutschland soll auf die Couch. An diesem Mittwoch wollen die 27 EU-Kommissare in Brüssel darüber abstimmen, ob ihre Behörde die gewaltige Exportstärke deutscher Unternehmen untersuchen soll. Es wäre, um im Bild zu bleiben, wie der Versuch einer europaweiten ökonomischen Tiefenanalyse: Warum kaufen so viele Europäer so gerne die Autos und andere Dinge aus deutscher Produktion, einerseits? Und warum konsumieren - andererseits - die Deutschen nicht mehr? Warum sparen sie lieber, anstatt die aus dem Exportboom erzielten Erlöse wieder zu investieren?

Dass diese Seelenerkundung beschlossen wird, gilt als sicher. In den vergangenen fünf Jahren haben die Kommissare unter Behördenchef José Manuel Barroso stets widerspruchslos getan, was der Chef wollte. Und Barroso will Deutschland auf der Couch sehen.

Wohl weniger aus der Überzeugung, dass die deutsche Exportstärke die Ursache der Schuldenkrise in der Euro-Zone ist. Vielmehr ist die Kritik an der deutschen, einseitig auf Export ausgerichteten Wirtschaftspolitik in den vergangenen Wochen gerade wieder so laut geworden, dass sie kaum mehr zu ignorieren ist, ohne den Frieden innerhalb der Währungsgemeinschaft zu riskieren. So hat sich zuletzt die belgische Regierung ganz offiziell bei der EU-Kommission über deutsches Lohndumping beschwert.

Kein Lob mehr aus Brüssel

Zudem bricht Deutschland aufgrund seines Handelsüberschusses seit 2007 permanent die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts, ohne dafür jemals zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Wenn aber andere Euro-Länder ständig für Verstöße gegen den Pakt geschurigelt werden, ist es nur billig, sich auch die Deutschen einmal vorzunehmen.

Es ist vorbei mit dem ständigen Lob aus Brüssel, Deutschland sei der Wachstumsmotor für Europa. Längst steht das Land mit seinem Wirtschaftsmodell am Pranger, und das nicht nur in Europa. Die jüngste Kritik des amerikanischen Finanzministeriums fiel eindeutig aus. "Deutschlands anämisches Wachstum der Binnennachfrage und seine Exportabhängigkeit haben ein Ausbalancieren in einer Zeit behindert, in der viele andere Länder der Euro-Zone stark unter Druck standen, die Nachfrage zu bremsen und Importe zurückzufahren", schreiben die US-Experten in ihrem aktuellen Bericht.

Übersetzt heißt das: Die Amerikaner finden, dass Europas größte Volkswirtschaft sich auf Kosten anderer saniert und zu wenig tut, um die Binnennachfrage über Privatkonsum und Investitionen anzukurbeln.

Derlei Kritik dürfte den Graben zwischen südlichen und nördlichen Euro-Ländern noch breiter werden lassen, als er ohnehin schon ist. Denn im Süden des Kontinents ist man schon lange der Meinung, dass nicht allein die eigenen Schulden und die eigenen strukturellen Probleme die Krise in der Euro-Zone ausgelöst haben.

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