Mögliche Übernahme:Was wirklich hinter dem Peugeot-Interesse an Opel steckt

  • Der französische Autobauer Peugeot will durch die Übernahme von Opel vor allem eines: größer werden.
  • Gleichzeitig jedoch wäre der Zusammenschluss aber nur der zweite Teil eines Masterplans von Chef Carlos Tavares - und der schreckt vor Stellenstreichungen nicht zurück.

Von Leo Klimm

Carlos Tavares quält keine falsche Bescheidenheit. Nicht, wenn es um ihn persönlich geht, und auch nicht, wenn die Rede auf seinen Konzern kommt. Er wolle nicht, dass Peugeot ein Autohersteller unter vielen sei, sagt der Unternehmenschef, fragt man ihn nach seinem Ehrgeiz. "Ich will vorne sein!" Dass PSA, so der offizielle Konzernname, beim Absatz weit hinter dem deutschen Rivalen Volkswagen zurückliegt, das sporne ihn nur noch mehr an.

So einem reicht es nicht, PSA in drei Jahren als Chef vom Pleitekandidaten wieder zum rentablen Unternehmen gemacht zu haben. Denn das allein genügt nicht, um den Hersteller, der noch vor 15 Jahren viel mehr verdiente als Volkswagen, wieder nach vorn zu bringen. Der schmale Portugiese mit dem großen Ego will mehr - und prüft deshalb jetzt die Übernahme von Opel und Vauxhall, den europäischen Töchtern von General Motors (GM).

Der Kauf sei eine von mehreren Optionen, "um Profitabilität und operative Effizienz zu verbessern", erklärt ein Sprecher des Pariser Konzerns zu den Motiven. Preis und Struktur des möglichen Geschäfts seien noch nicht verhandelt. "Die Idee der Übernahme reift aber, seitdem wir 2012 eine strategische Partnerschaft mit GM geschlossen haben."

Im Geschäft mit Autos kommt es auf die Größe an

Experten halten die Gründe für das Interesse von PSA an Opel allerdings für trivialer als vom Konzern dargestellt. "Eine Übernahme hätte nichts mit Strategie zu tun, nur mit Opportunismus", sagt der Pariser Branchenkenner Bernard Jullien. "PSA hat Schwierigkeiten, die Absatzzahlen zu steigern. Ist Opel zu haben, so ist das lediglich eine einfache Möglichkeit, Größe zu gewinnen." Auf Größe kommt es an im Geschäft mit Autos. Etwa, um die teure Entwicklung neuer Antriebstechniken und Technologien zum autonomen Fahren wieder einzuspielen oder um die eigene Verhandlungsmacht gegenüber Zulieferern zu stärken. 2016 jedoch konnte PSA die Verkaufszahlen kaum steigern, auf 3,2 Millionen Stück - das ist dreimal weniger als Volkswagen schafft.

Noch vor einem halben Jahr sagte Tavares: "Die Frage der Größe sorgt mich im Moment nicht. Aber wir sind für Gelegenheiten offen." Opel ist also eine günstige Gelegenheit für die Franzosen - vor allem, um Anteile am europäischen Heimatmarkt hinzuzukaufen. Wie Opel ist PSA mit den Hauptmarken Peugeot und Citroën stark von Europa abhängig, profitierte hier aber zuletzt weniger von der Marktbelebung als andere Hersteller. "Dass sie in Europa jüngst auch noch vom Erzrivalen Renault überholt wurden, ist eine Kränkung", so Experte Jullien. Hinzu kommt, dass die Geschäfte im Boommarkt China enttäuschend laufen für PSA.

Die Übernahme von Opel - einem Hersteller, der mit ähnlichen Autos die gleichen Kunden anspricht - würde es Tavares also vor allem erlauben, die seit Jahren erwartete Konsolidierung des europäischen Automarkts zu kontrollieren. Zugleich müsste er schaffen, woran GM gescheitert ist: Opel aus den Verlusten führen.

Opel ist nur Teil zwei eines größeren Plans

Die heute schon bestehende Partnerschaft mit GM nimmt sich demgegenüber klein aus. PSA und Opel arbeiten beim Einkauf zusammen und wollen sich bald drei Werke in Frankreich und Spanien teilen. Die damit erzielten Einsparungen dürften Branchenkennern zufolge allerdings klar unter den jährlich 1,5 Milliarden Euro liegen, die bei Verkündung dieser Kooperation vor fünf Jahren angepeilt waren.

Zudem hat GM eine Beteiligung von sieben Prozent an PSA, die damals Teil des Geschäfts war, längst wieder aufgelöst. Als 2013 ruchbar wurde, dass PSA zur Abwendung der eigenen Pleite den chinesischen Auftragsfertiger Dongfeng und den französischen Staat am Kapital beteiligen würde, verabschiedeten sich die Amerikaner flugs aus dem Eignerkreis.

Seitdem aber bemüht sich Carlos Tavares unter Aufsicht dreier Hauptaktionäre - Dongfeng, die französische Regierung und die Gründerfamilie Peugeot -, PSA wieder nach vorn zu bringen. Dass er sparen kann, hat Tavares schon gezeigt: Er hat die Zahl der angebotenen Modelle halbiert und baut selbst nach der Schließung eines Werks mit 8000 Mitarbeitern im Norden von Paris jährlich 2000 Stellen in Frankreich ab. Auf diese Weise hat Tavares trotz der Absatzprobleme zuletzt eine für einen Massenhersteller ansehnliche Gewinnmarge von sieben Prozent erzielt.

Teil zwei des Aufholplans, die mögliche Übernahme von Opel, genießt ebenfalls die Unterstützung der Regierung, lässt das Pariser Wirtschaftsministerium wissen. Aber: Der Staat werde genau auf die Auswirkungen auf Jobs und Werke achten. In Frankreich stehen im Frühjahr erst Präsidenten-, dann Parlamentswahlen an. Da hat ein Projekt, das zusätzliche Stellenstreichungen bedeutet, keine Chance. Jedenfalls nicht in Frankreich, nicht bei PSA.

Bei dem Konzern heißt es zur Frage, ob eine Opel-Übernahme ohne Entlassungen beim deutschen Hersteller abliefe: "kein Kommentar". Tavares selbst hat seinen Umgang mit Mitarbeitern einmal so beschrieben: "Fordernd, aber fair. So versuche ich zu sein." Es gelinge ihm aber noch nicht immer.

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