Süddeutsche Zeitung

Mögliche Risiken von Fracking:Bohren um jeden Preis

Wo soll das Gas herkommen, wenn Russland wegen des Ukraine-Konfliktes ausfällt? Die Bundesregierung will das umstrittene Fracking erlauben - obwohl eine neue Studie dessen Risiken bestätigt.

Von Silvia Liebrich

Fracking ist in Deutschland ein Reizthema und politisch umkämpft. Der Streit über diese Methode, Erdgasvorräte im Boden auszubeuten, hat dazu geführt, dass in Deutschland seit mehr als zwei Jahren keine Genehmigungen für die Erschließung neuer Abbaufelder erteilt wurden. Die zuständigen Länder haben sich auf eine Art Fracking-Moratorium verständigt. Doch mit der Russland-Krise wächst der Druck auf die Bundesregierung, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Zwischen Bund und Ländern bahnt sich eine heftige Auseinandersetzung an. Während sich die Umweltminister der Länder gerade einstimmig gegen das Fracking ausgesprochen haben, will das Berliner Wirtschaftsministerium die umstritten Technologie zulassen und damit der Industrie entgegenkommen. Der Schutz der Umwelt müsse gegen wirtschaftliche Interessen abgewogen werden, heißt es dort. Damit rückt die Bundesregierung von ihrer Zusage ab, dass der Umweltschutz Vorrang haben muss.

Vor allem die deutsche Wirtschaft und internationale Energiekonzerne wollen die unangetasteten deutschen Schiefergasvorkommen ausbeuten. Sie hoffen auf niedrigere Energiepreise wie in den Vereinigten Staaten, wo billiges, mit der Fracking-Methode gewonnenes Erdgas für einen gewaltigen industriellen Aufschwung sorgt. In deutschen Konzernen geht die Sorge um, die amerikanischen Konkurrenten könnten dauerhafte Vorteile im globalen Wettbewerb erzielen. Wie groß die Risiken der umstrittenen Fördermethode in Deutschland wären, bestätigt eine Untersuchung, an der derzeit im Umweltbundesamt gearbeitet wird. Ein Entwurf liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Darin heißt es etwa, dass die erhöhten Risiken von Fracking mit "herkömmlichen punktuellen Fördertechnologien nicht vergleichbar sind". Die hohe Zahl an Bohrungen sowie der hohe Wasserverbrauch und die großen Mengen von giftigem Abwasser stellen demnach eine erhöhte Gefahr für die Umwelt dar. Bedenklich sei, dass es bei vielen Fragen dieser Abbaumethode eine "Wissensunsicherheit" gebe.

Hoffnung auf niedrige Energiepreise

Das sehen die Beamten des Wirtschaftsministeriums ganz anders: "Für die Entscheidung, ob und falls unter welchen Bedingungen aus einer Lagerstätte Erdgas gefördert werden kann, ist die Klassifizierung als konventionell oder unkonventionell zunehmend unerheblich", heißt es bürokratisch in einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Grünen. Auch seien Definitionen wie die für Schiefergas viel zu schwammig, es fehle an klaren Kriterien, eine klare Abgrenzung sei kaum möglich. Entscheidend sei stattdessen, "eine Abwägung bezüglich Umweltverträglichkeit und der Wirtschaftlichkeit zu treffen", heißt es weiter in dem Schreiben.

Julia Verlinden, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, ist alarmiert. Sie sieht in der Wortklauberei des Ministeriums ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung von ihrer bisher kritischen Haltung gegenüber dem Fracking abrücken will. "Der Verweis auf die Wirtschaftlichkeit ist ein gefährliches Argument. Der Schutz des Wassers, der Umwelt und Gesundheit müssen absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben." Für Verlinden stellt sich damit auch die Frage, wie die Bundesregierung künftig zu ihrer Aussage im Koalitionsvertrag stehen will. Vor der Gründung der großen Koalition hatten CDU und SPD gleichermaßen auf die Risiken der unkonventionellen Gasgewinnung hingewiesen.

Industrie fordert verlässliche Regeln für Förderung

Experten widersprechen zudem der Aussage des Wirtschaftsministerium, dass sich die Art der Gasvorkommen nicht genau definieren lasse. Von dieser Definition hängt aber ab, welches Gas gefördert werden darf. Fehlt diese Definition läuft es auf schwer kontrollierbare Einzelentscheidungen bei den Genehmigungsbehörden hinaus. Dass es schwer sei, konventionelle von unkonventionellen Vorkommen zu unterscheiden, lässt Stefan Ladage von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe nicht gelten. "Bei nicht-konventionellen Vorkommen, etwa Schiefergas, ist ausschlaggebend, dass man einen erhöhten Aufwand betreiben muss, um das Vorkommen zu erschließen", sagt Ladage. Zu der wirtschaftlich aufwändigeren Gruppe gehöre auch das nur mit Fracking zu fördernde Schiefergas.

Unterdessen stehen Bund und Länder unter Druck, einen klaren Kurs festzulegen im Umgang mit Schiefergas und Fracking. Wer wo den Bohrer ansetzen darf, entscheiden bislang die Bundesländer. Das macht die Sache umständlich und erschwert den Zugang für Unternehmen, die sie ausbeuten wollen. Nicht nur die Wirtschaft fordert verlässliche Regeln für den Abbau von Rohstoffen. Auch das Land Niedersachsen, das gut 95 Prozent der heimischen Gasmenge liefert und am stärksten vom Stillstand in der Gasindustrie betroffen ist, drängt auf rasche Klärung. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) will eine Bundesratsinitiative starten, damit Fracking unter bestimmten Bedingungen erlaubt bleibt. Die Methode wird in Deutschland schon seit einiger Zeit in normalen Gasfeldern eingesetzt, um dort die letzten Reste herauszupressen. Dabei ist es auch hierzulande bereits zu kleineren Unfällen gekommen.

Kritiker warnen unterdessen vor dem Versprechen, Schiefergas könnte Deutschland unabhängig von russischen Gaslieferungen machen. Dafür sind die deutschen Vorkommen viel zu gering. Die vermutete Menge ist gerade mal so groß, dass man damit zwölf Jahre lang den derzeitigen Gesamtbedarf des Landes decken könnte. Sicher ist auch, dass deutsches Schiefergas erheblich teurer sein wird als amerikanisches.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2014
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