Süddeutsche Zeitung

Möbelkonzern Ikea:Köttbullar in Aufruhr

Blufft Ikea-Gründer Ingvar Kamprad? Mit Hilfe einer milliardenschweren Stiftung in Liechtenstein soll er weiterhin die Kontrolle über den Möbelkonzern haben - entgegen anderen Behauptungen.

Gunnar Herrmann

Ist er bloß ein begnadeter Möbelhändler - oder doch ein mit allen Wassern gewaschener Finanzhai? Dem schwedischen Fernsehen zufolge besitzt Ikea-Gründer Ingvar Kamprad weit mehr Kontrolle über die bekannteste Möbelmarke der Welt, als er bislang eingesteht.

Mit Hilfe der milliardenschweren Stiftung Interogo in Liechtenstein soll der 84-Jährige demnach die Geschicke des Konzerns bis heute mit fester Hand steuern - und zudem von den weltweit mehr als 300 Warenhäusern Gewinne abschöpfen.

Kamprad selbst behauptete bislang, er habe sich seit Jahren aus dem Unternehmen zurückgezogen und das Management einer niederländischen Stiftung überlassen. Die Enthüllungen sorgten in Schweden für einigen Wirbel. Kamprad sah sich bereits gezwungen, Teile des Berichts zu bestätigen.

Die Finanzen hinter den blaugelben Fassaden der Möbelmärkte sind Beobachtern schon lange ein Rätsel. Trotz seiner Präsenz in 38 Ländern ist das Unternehmen nicht an der Börse notiert und befindet sich - vermutlich - in Familienbesitz. Ganz genau weiß man es nicht. Denn Ikeas Konzernstruktur ist in etwa so übersichtlich wie jene Bauanleitungen, die das Unternehmen seinen Möbelpaketen beilegt: Auf den ersten Blick sieht alles ganz einfach aus, doch bei genauerer Betrachtung wird es knifflig.

Bekannt war, dass der Konzern als solcher der niederländischen Stiftung "Stichting Ingka Foundation" gehört. Sie hat nach dort geltendem Recht keine Publikationspflicht. Eine schwedische Wirtschaftszeitung bekam vor Jahren Einblick in die Bilanzen und berichtete, die Stiftung habe zwischen 2000 und 2008 insgesamt 20 Milliarden Euro Gewinn erwirtschaftet.

Doch ist das nicht alles: Neben der Stiftung gibt es in den Niederlanden noch die unabhängige Holding Inter Ikea Systems B.V., die alle Marken- und Patentrechte hält. Sie tritt ist Franchisegeber für die Warenhäuser und bekommt von diesen Lizenzgebühren in Höhe von drei Prozent des Umsatzes.

Wo genau das Geld hinfließt, war nie ganz klar. Journalisten, die sich auf die Suche nach den eigentlichen Eigentümern Ikeas begaben, verloren sich meist in einem Geflecht von Stiftungen und Firmen in unterschiedlichen Steuerparadiesen. Ikea behauptete stets, das meiste Geld werde ohnehin wieder ins Unternehmen investiert. Und Kamprad erklärte, er habe die Kontrolle über das einst von ihm gegründete Imperium längst abgetreten. Dass er und seine Familie trotzdem irgendwie noch die Fäden ziehen, haben Beobachter zwar immer vermutet - beweisen konnten sie es aber nie.

Die Reporter der Sendung Uppdrag Granskning (Auftrag Recherche) meinen, in Liechtenstein das Machtzentrum des Möbelreiches gefunden zu haben. Die Stiftung Interogo, die ein Vermögen von umgerechnet etwa zehn Milliarden Euro verwalten soll, soll alleine den Kamprads gehören und alle wichtigen Entscheidungsprozesse bei Ikea steuern. An Interogo fließen demnach letztlich auch die Einnahmen aus den Lizenzgebühren.

Kamprad war über diese Enthüllungen zunächst offenbar wenig erfreut. Einen der Fernseh-Reporter raunzt er in dem Beitrag an: "Wie kannst Du nur solche Idioten-Fragen stellen? Du bist ja völlig wirr im Kopf." Am Mittwoch nahm er sich dann zusammen und bestätigte kurz vor der Sendung in einem Schreiben an die Nachrichtenagentur TT, dass Interogo existiert und Eigentümer des Ikea-Rechteinhabers Inter Ikea B.V. ist.

Ziel der Stiftung sei es, das "langfristige Überleben" von Inter Ikea zu sichern. Das Stiftungsvermögen könne überdies verwendet werden, um "einzelne Ikea-Händler zu stützen, die finanzielle Schwierigkeiten haben, und für philanthropische Zwecke". Die Stiftung gehöre seiner Familie, schreibt Kamprad.

Für den Ikea-Herrscher dürfte die Enthüllung Image-Probleme bringen. In seinem Heimatland Schweden präsentiert sich Kamprad, der aus steuerlichen Gründen in der Schweiz lebt, stets als volksnah und bescheiden. Versteckte Milliarden in Liechtenstein passen schlecht in dieses Bild. 2010 hatte der Ex-Ikea-Manager und frühere Kamprad-Vertraute Johan Stenebo in einem Buch behauptet, die Familie Kamprad schleuse ihre Profite durch verschiedene Steuerparadiese.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2011/ema/mel
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