Möbelindustrie:"Lamento hilft nicht weiter"

Verbandschef Elmar Duffner über den Wunsch der Konsumenten nach Geborgenheit, Rabattschlachten im Möbelhandel - und wieso Optimismus gerade in Krisenzeiten essentiell ist.

Elisabeth Dostert

In unsicheren Zeiten ziehen sich die Menschen in die eigenen Wände zurück, sagt Elmar Duffner, Geschäftsführer des Küchenmöbel- herstellers Poggenpohl mit 570 Mitarbeitern und 124 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr. Deshalb glaubt Duffner, seit September Präsident des Verbandes der deutschen Möbelindustrie (VDM), dass die Branche trotz Finanzkrise auch 2009 noch leicht zulegen kann.

Möbelindustrie: Elmar Duffner ist optimistisch was die Zukunft der Möbel- industrie betrifft: Schließlich berge jede Krise auch Chancen.

Elmar Duffner ist optimistisch was die Zukunft der Möbel- industrie betrifft: Schließlich berge jede Krise auch Chancen.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Duffner, im August prognostizierten die deutschen Möbelhersteller für das Jahr 2008 ein Umsatzwachstum von einem bis 2,5 Prozent. Ist diese Voraussage noch zu halten?

Elmar Duffner: Ja, das ist durchaus zu schaffen. Was allerdings nächstes Jahr sein wird, kann niemand seriös voraussagen. Ich gehe aber davon aus, dass der Umsatz eher leicht zulegen wird.

SZ: Aber wer um seinen Job fürchtet, kauft keine Möbel.

Duffner: Dennoch glaube ich, dass Wohnen und Einrichten wieder wichtiger werden. Alles, was mit Unsicherheit verbunden ist - wie die Globalisierung, die Angst um den Arbeitsplatz oder die Angst um das Ersparte -, stärkt den Wunsch nach Geborgenheit und einem sicheren, gemütlichen Zuhause. Das haben wir schon in früheren Krisen gesehen. In guten Zeiten hingegen geben die Menschen ihr Geld lieber für öffentlich sichtbare Konsumgüter aus wie Autos, Immobilien, Reisen oder Unterhaltungselektronik. Das Problem liegt eher darin - unabhängig von der Finanzkrise -, dass das Produkt Möbel in Deutschland immer noch unter Wert verkauft wird.

SZ: Da sind die Hersteller doch selber schuld, weil sie das Geschäft mit dem Endverbraucher im Großen und Ganzen dem Handel überlassen haben, der Möbel vor allem über den Preis verkauft.

Duffner: Das stimmt leider. In keinem anderen Land der Welt wird beim Möbelkauf um so hohe Rabatte gefeilscht wie in Deutschland. Doch die Rabattschlacht im Möbelhandel hat sich inzwischen abgenutzt.

SZ: Sicher?

Duffner: Ja. Die Einkaufsmacht des Handels und die Insolvenz einiger Hersteller haben in den vergangenen Jahren deutlich gemacht, dass die Vermarktung nur über den Preis der falsche Weg ist, weil die Hersteller nicht genügend verdienen, um zu investieren. Der Handel braucht jedoch starke Partner auf Herstellerseite. Gerade in Krisenzeiten sollte die Branche nicht um das schwindende Vertrauen der Verbraucher bangen, sondern antizyklisch investieren.

SZ: Das hat die Möbelindustrie in früheren Schwächephasen nicht getan, warum sollte sie ihr Verhalten jetzt ändern?

Duffner: Weil Lethargie und allgemeines Lamento uns nicht weiterhelfen. Jede Krise birgt Chancen. Die Gewinner im Kampf um den Kunden werden die sein, die gerade jetzt Mut, Weitblick, Spontanität und Initiative beweisen.

SZ: Viele Möbel werden auf Pump gekauft. Wer gibt Menschen mit unsicherer Einkommenslage Kredit?

Duffner: Es wäre sicherlich das falsche Signal, wenn der Handel seine Kreditangebote für die Kunden jetzt einschränken würde. Die einzige Restriktion ist, ob es die Branche schafft, die Kunden für unsere Produkte zu begeistern. Das ist auch eine Frage der Einstellung, daran glaube ich in der Unternehmensführung ebenso wie im Sport und im Privaten. Es gibt immer Chancen, auch jetzt.

SZ: Welche denn?

Duffner: Die Ausstattung mit Möbeln in Deutschland ist deutlich überaltert. Beispiel Küche: In Deutschland gibt es 26 Millionen Küchen, davon sind neun Millionen älter als fünfzehn Jahre. Diese entsprechen hinsichtlich Komfort, Technik und Design nicht mehr dem heutigen Stand. Hier besteht Ersatzbedarf. Das gilt auch für andere Möbelsparten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wieso staatliche Hilfen für Duffner nicht in Frage kommen.

"Lamento hilft nicht weiter"

SZ: Dann tut es die Küche in schlechten Zeiten auch noch ein Jahr.

Duffner: Kann sein, aber vielleicht sind die Verbraucher jetzt bereit, statt das Geld auf die Bank zu legen oder ein Auto zu kaufen, in Möbel zu investieren.

SZ: Die Autoindustrie hat vom Staat gerade ein Verkaufsargument geliefert bekommen: Bei Neuwagen fällt für eine begrenzte Zeit die Kfz-Steuer weg. Fordern Sie auch staatliche Hilfen?

Duffner: Nein. Das wäre zu einfach, nach staatlicher Hilfe zu rufen. Außerdem schadet das eher dem Image beim Verbraucher.

SZ: Ärgern Sie solche Hilfen? Denn der Wettbewerb um das Geld des Verbrauchers wird doch dadurch verzerrt.

Duffner: Das ist in der Tat so. Aber dahinter steht mit der Autoindustrie eben einer der größten Industriezweige, an dem ungeheuer viele Arbeitsplätze hängen. Ausgewogen sind solche Hilfen nicht.

SZ: Gilt diese Einschätzung auch für das Rettungspaket der Banken?

Duffner: Auch darüber kann man streiten. In dieser Situation gab es wohl keine andere Möglichkeit. Ohne staatliche Eingriffe wären die Folgen für die Realwirtschaft noch drastischer gewesen.

SZ: Hilft es denn? Werden die Möbelhersteller noch ausreichend mit Krediten versorgt?

Duffner: Für Unternehmen, die gut aufgestellt sind, wird sich nichts ändern. Jene Unternehmen mit schwacher Eigenkapitalausstattung und schlechten Ergebnissen hatten es schon vorher nicht leicht.

SZ: Wirtschaftet die Mehrzahl der Möbelhersteller mit Gewinn?

Duffner: Durchschnittliche Nettoumsatzrenditen zwischen 1,5 und zwei Prozent sind sicher nicht auskömmlich. Die Aufteilung der Branche in Firmen, die gut verdienen, und solche mit mangelnder Rendite wird durch die Finanzkrise sicherlich verschärft. Da müsste auch der Handel sein Verhalten ändern.

SZ: Inwiefern?

Duffner: Der Handel achtet immer noch mit Argusaugen darauf, was die Industrie verdient. Nach Einschätzung des Handels sind drei Prozent wahrscheinlich mehr als auskömmlich, die meisten Händler verdienen auch nicht mehr. Der Handel leidet jedoch unter riesigen Überkapazitäten. Im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien liegt die Einzelhandelsfläche pro Einwohner in Deutschland um 30 bis 40 Prozent höher.

SZ: Wird die Finanzkrise in der Möbelindustrie und im Handel zu einer weiteren Marktbereinigung führen?

Duffner: Das ist nicht auszuschließen, wobei wir ja in den letzten Jahren ziemlich geschrumpft sind. Aber vielleicht werden die Auswirkungen auf die Realwirtschaft auch weniger dramatisch ausfallen, als jetzt alle erwarten. Als Ganzes wird die Möbelindustrie in ihrer Stärke immer noch unterschätzt. Momentan ist viel Psychologie im Spiel. Die Stimmung kann sich auch ganz schnell wieder zum Positiven wenden.

SZ: Auf welche Weise wird denn die Konsolidierung vonstatten gehen - gibt es vermehrt Übernahmen oder freut sich die Konkurrenz, wenn wieder ein Teilnehmer vom Markt verschwindet?

Duffner: Es wird beides geben. Allein der Küchenmarkt ist in den vergangenen zehn Jahren um 27 Prozent zurückgegangen. Manche haben einen Ausweg im Export gesucht und gefunden. Deutsche Produktionsstandards sind im internationalen Vergleich Spitze. Die Chancen im Export sind gut, zumal der Euro gegenüber dem Dollar wieder nachgegeben hat. Und in Osteuropa tun sich ganz neue Märkte auf.

SZ: Auch diese Regionen trifft die Finanzkrise . . .

Duffner: . . . aber die Mentalität ist eine andere. Die Amerikaner sind sehr pragmatisch und denken positiver als die Deutschen. Die Russen haben eine hohe Affinität zu westlichen Marken und Luxusgütern. Da zeigt man, was man hat. Wir verkaufen in Moskau nur die teuersten Küchen. In Deutschland hat das Thema Luxus immer noch einen negativen Beigeschmack.

SZ: Wie definieren Sie Luxus?

Duffner: Luxus ist, wenn die Leidenschaft den Verstand besiegt. Die Osteuropäer geben ihr Geld deutlich leidenschaftlicher für Luxus aus. Der Russe setzt seinen Bonus zum Jahresende sofort in Konsum um. In Deutschland dagegen wird das Geld erst einmal zur Bank getragen und darüber nachgedacht, was man kauft.

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