Möbelbranche:Alles auf Rabatt

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Möbelkunden achten vor allem auf den Preis. Der Druck setzt sich über die Händler bis zu den Herstellern fort - vielen droht nun die Pleite.

Elisabeth Dostert

Die Botschaft ist simpel und für jeden verständlich. "Ich bin der Billigste", steht in großen roten Buchstaben auf dem gelben Plakat, das über der rostfarbenen Polstergarnitur mit floralen Mustern hängt. Ein Klassiker im 3-2-1- Format, wie es im Fachjargon heißt: ein Sessel, ein Zweisitzer und ein Dreisitzer für zusammen 390 Euro. Es ist nicht das einzige Schnäppchen, das der Möbel-Discounter Poco zu bieten hat. Eigentlich gibt es ausschließlich Schnäppchen: 39 Euro für den "Chefsessel" mit Textillederbezug, 60 Euro für den Plastiklüster, 79 Euro kostet das Futonbett in (wie es im Kleingedruckten heißt) Kernnussbaum-Nachbildung.

Die Finanzkrise macht auch den Möbelherstellern schwer zu schaffen: Weil die Kunden immer weniger kaufen, muss so billig wie möglich produziert werden. (Foto: Foto: ddp)

Das Gebäude mit dem gelben Anstrich im Gewerbegebiet von Paderborn hat, wie alle Läden des Möbeldiscounters Poco, den Charme einer schlecht aufgeräumten Lagerhalle. Die 1989 von Peter Pohlmann gegründete Firma gehört zu den aggressivsten Akteuren am Markt und expandiert trotz hoher Überkapazitäten munter weiter. Die Finanzierung liefert Poco in seinem "Sorglospaket" zu hohen Zinsen gleich mit. Die Firma ist nur ein Beispiel für das Geschäftsgebaren vieler Händler.

"Der Preis ist im Möbelhandel nach wie vor das größte Verkaufsargument", sagt Uwe Krüger, Experte für Konsumgüter der Kölner Beratungsgesellschaft BBE Retail Experts. Der Druck der Konsumenten pflanze sich über die Händler, stärkstes Glied der Distributionskette, bis zu den Herstellern fort.

Die meisten Hersteller haben es nicht geschafft, eine Marke aufzubauen, so Krüger: "Für den Handel sind namenlose Lieferanten einfacher zu handhaben - bis hin zum Austausch." Die Pleite der Firma Schieder habe den Markt kaum entspannt, die freien Lieferkapazitäten seien innerhalb kurzer Zeit von anderen Herstellern aufgesogen worden.

"Die Preise werden fallen"

Möbel zählen, "mal abgesehen vom Lacktisch beim Discounter für fünf Euro", zu den hochwertigen Gebrauchsgütern, sagt Krüger: "Solche Ausgaben werden geplant." Die Möbelnachfrage hänge auch mit der Entwicklung am Arbeitsmarkt zusammen. Was für ihn gelte, gelte auch für den Möbelmarkt: Die Auswirkungen der Finanzkrise zeigen sich mit einer Verzögerung von einem halben bis einem Jahr. Schon jetzt beobachtet Krüger: "Die Verbraucher werden vorsichtiger." Mit einem Umsatzwachstum in diesem Jahr, wie noch im Frühjahr prognostiziert, rechnen die Kölner Berater deshalb nicht mehr. "Wir können froh sein, wenn wir das Jahr mit plus/minus null beenden", erläutert Krüger.

Freuen dürfen sich höchstens die Verbraucher, die sich noch Möbel leisten können, denn "die Preise werden in Anbetracht der hohen Überkapazitäten bei sinkender Nachfrage fallen", sagt Krüger. Der Handel, der schon jetzt oft von der Substanz lebe, werde den Druck der Konsumenten mit einem "Faktor x" an die Hersteller weitergeben. Die Marktbereinigung, die in den vergangenen Jahren nie ganz zum Erliegen gekommen sei, werde forciert weitergehen. Den Markt für Wohnmöbel, Küchen und Einbaugeräte schätzt Krüger - gemessen an den Preisen für Endverbraucher einschließlich Mehrwertsteuer - im Jahr 2007 auf knapp 20 Milliarden Euro.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie manche Firmen trotz der Pleite die Krise überstehen.

Die Statistik des Verbandes der deutschen Möbelindustrie (VDM), sie erfasst die Abgabepreise der Industrie an den Handel im In- und Ausland, sieht anders aus. Für 2008 rechnet der Verband mit einem Umsatzwachstum auf 19,8 Milliarden Euro, nach 19,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. "Das Plus dürfte allerdings in erster Linie auf das Konto der Hersteller von Büromöbeln gehen und auf den Export", sagt VDM-Experte Jan Kurth. Anders als Wohnmöbel, die zum privaten Konsum zählen, gelten Büromöbel als Investitionsgüter, die anderen Konjunkturzyklen unterliegen. "2009 könnte es noch ein kleines Plus geben, wenn's gut läuft", so Kurth.

Die Erlöse der vor allem in Westfalen und Franken beheimateten, mittelständisch geprägten Industrie bewegen sich heute wieder auf dem Niveau der Jahrtausendwende. Dazwischen lag ein kräftiger Abschwung bis auf 16,7 Milliarden Euro im Jahr 2003. Anders als die Erlöse hat sich die Zahl der Betriebe und der Mitarbeiter davon nie richtig erholt: Ende der 90er Jahre beschäftigten die 1400 deutschen Möbelhersteller 150.000 Menschen, im vergangenen Jahr arbeiteten noch 103.000 für gut tausend Firmen.

Anders als Schieder sind die meisten Hersteller unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit verschwunden, so wie der fränkische Familienbetrieb Völker Design, der im Oktober Insolvenz anmeldete.

Preisdiskussion bleibt hart

Nicht immer verschwinden die Kapazitäten ganz vom Markt. Vieles bleibt sozusagen in der Familie: So gingen Teile des insolventen Polstermöbelherstellers Krauss & Weinbeer an die Himolla-Gruppe aus Taufkirchen (Vils). Deren geschäftsführender Gesellschafter Karl Sommermeyer zählt auch zu jenem Investorenkreis, der 2004 bei der Wellemöbel GmbH einstieg, der Auffanggesellschaft des seit 2002 insolventen Wohn- und Büromöbelherstellers Welle Möbel GmbH. Zur alten Welle gehörte zeitweise mehrheitlich die Firma Flötotto, die sich nach zwei Insolvenzen mit Hilfe der alten Eigentümer (mal dieser, mal jener Zweig der Familie) immer wieder aufgerappelt hat, wenn auch in schwindender Größe.

Seit der Übernahme floriert das Geschäft von Wellemöbel - einer der vielen Namen, die kaum ein Verbraucher kennt. Vom Firmensitz in Paderborn sind es nur wenige Minuten bis zum Discounter Poco, der aber nicht zu den Kunden zähle, sagt Werner Schirmer, einer der beiden Geschäftsführer: "Wir können nicht günstig, deshalb müssen wir Problemlösungen liefern."

Nach der Pleite von Schieder seien die Preisdiskussionen mit dem Handel heute weniger heftig, aber immer noch hart. "Unsere Kunden haben zumindest ein gewisses Verständnis für Preislagen entwickelt." Die Möbel für Jugend-, Kinder-, Schlafzimmer und Büros werden mit 1050 Mitarbeitern ausschließlich in Deutschland produziert. Seit 2004 hat die Gruppe laut Schirmer ihre Erlöse von 65 auf voraussichtlich 130 Millionen Euro in diesem Jahr gesteigert; darin enthalten sind die 2006 übernommenen Reste des insolventen Schlafzimmerherstellers Stammschroer, eine Firma aus der Nachbarschaft.

Zu den Aussichten für 2009 äußert sich Schirmer nur vage: "Wir werden über dem Branchentrend wachsen", sagt er. "Wir erwarten, dass wir plus/minus null unterwegs sein werden."

© SZ vom 13.11.2008/ld/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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