Süddeutsche Zeitung

Handel:Möbelindustrie lehnt Fusion von XXXLutz und Home24 ab

Der Übernahmehunger von XXXLutz ist kaum zu stillen. Lieferanten sehen in der Größe der Österreicher eine Gefahr - und befürchten höhere Preise für Verbraucher.

Von Michael Kläsgen

Die drei X im Namen des österreichischen Möbelhändlers XXXLutz, so viel steht nach dem neuerlichen Übernahmeversuch fest, sind Programm. Die Österreicher träumen von Größe, und so kaufen sie immer weiter dazu. Die Wirtschaftsprüfer von PwC haben die Strategie von XXXLutz in einer Studie vom Juli dieses Jahres als "zukaufgetriebene Marktdurchdringung" beschrieben. Durch einen schier unstillbaren Übernahmehunger ist XXXLutz so zu einem Schwergewicht in der deutschen Möbelbranche geworden: insgesamt 5,3 Milliarden Umsatz, 350 Einrichtungshäuer in Europa und ein stetiges Wachsen der Marktanteile. Jetzt will XXXLutz, bekannt als stationärer Händler, mit Home24 einen fast reinen Möbel-Onlinehändler schlucken. Das gab das Unternehmen am Mittwochabend bekannt. Das Management von Home24 ist damit einverstanden. Beunruhigt hingegen ist die Zulieferindustrie.

Die Hersteller, meist viele kleine mittelständische Betriebe, befürchten, XXXLutz könnte mit seinen vielen Möbelmarken zu einem übermächtigen Abnehmer werden, der die Preise diktiert, und das in Zeiten rasant gestiegener Rohstoff- und Energiekosten bei der Beschaffung. "Nur soviel", sagt ein Sprecher des Verbands der Möbelindustrie. "Wir betrachten industrieseitig die Entwicklung im Möbelhandel genau und mit zunehmender Sensibilität." Denn im Unterschied zur Industrie habe sich die Konzentration im Handel zunehmend beschleunigt. "Neben den wenigen, preisgestaltenden Einkaufsverbänden, die den deutschen Markt bestimmen, hat insbesondere der Übernehmer von Home24 eine eindrucksvolle, vielleicht schon kritische Marktmacht erreicht - um das zurückhaltend zu formulieren." Die Lieferanten sehen hier durchaus wettbewerbsrechtliche Probleme, die sich auf die Verbraucherpreise in den Möbelhäusern auswirken könnten.

Laut PwC erwirtschaften die fünf größten Möbelhändler in Deutschland, angeführt von Ikea und XXXLutz, einen Umsatzanteil von 44 Prozent. Dem gegenüber steht ein fragmentierter Herstellermarkt. Dadurch entstehe eine "Marktmacht" zugunsten der Händler, die sie gegenüber den Lieferanten durchsetzen könnten. Ein ähnlicher Konzentrationsprozess fand in den vergangenen Jahren, verstärkt durch die Corona-Pandemie, im Onlinehandel mit Möbeln statt. Hier dominieren nun laut E-Commerce-Verband BEVH mit Ikea, Otto Living, Westwing und Home24 vier Unternehmen weitgehend den Markt.

Die Konzentration sei "gefährlich" für Hersteller und Verbraucher

Die Ironie aus Sicht von Home24 ist, dass das Berliner Start-up vor einer Dekade angetreten war, um nach eigenem Bekunden Ikea abzulösen. Der damals kaum im Internet tätige schwedische Händler ist inzwischen jedoch zum größten Möbel-Onlinehändler in Deutschland aufgestiegen und setzt, anders als XXXLutz, weiter auf Wachstum aus eigener Kraft, also ohne Zukäufe. Home24 hingegen, das von Beginn an mit Verlusten kämpfte, wird nun wohl von einem überwiegend stationären Händler übernommen, der sein Online-Geschäft stärken will. Die Nummer zwei des Gesamtmarktes übernimmt somit die Nummer vier im Onlinehandel.

Der Herstellerverband befürchtet Nachteile für den Verbraucher. "Das Kartellrecht handelt vom Grundsatz her immer im Interesse des Endgebrauchers", sagt der Sprecher. "Wir erreichen hier nun aber eine Konzentration, die nicht nur gefährlich für die Hersteller, sondern ebenfalls bedenklich für die Vielfalt im Möbelhandel und die Preisgestaltungsmacht gegenüber dem Endgebraucher werden könnte."

Die Kaufzurückhaltung der Verbraucher ist ohnehin bereits groß und eine Besserung nicht in Sicht. Jan Kurth, Geschäftsführer des Möbelindustrieverbandes, spricht von einer "Achterbahnfahrt", die die Branche durchmache. In der heißen Phase der Covid-Pandemie hätten es sich die Menschen im Home-Office zu Hause schön eingerichtet. Die Branche habe gut verdient. Mit dem Angriffskrieg Russlands, der Inflation und Energiekrise habe sich die Stimmung nun aber zum Negativen gewandelt. Polstermöbel und Küchen seien etwas weniger betroffen. Laut PwC sind die Bürger wegen der gestiegenen Preise und des andauernden Ukraine-Kriegs bis auf weiteres so verunsichert sind, dass sie Käufe von Produkten wie Möbeln erst einmal aufschieben oder ganz darauf verzichten.

Gerade auch im Möbel-Onlinehandel ist der Umsatz in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen. Allein in den vergangenen drei Monaten ging der Umsatz laut BEVH um mehr als 15 Prozent zurück. Die Konsumflaute hatte auch zur Folge, dass die Aktie von Home24 stark an Wert verlor. Bis Ende September fiel sie auf ein 52-Wochen-Tief von 2,50 Euro. Auch das machte den Onlinehändler zu einem attraktiven Übernahmekandidaten für XXXLutz.

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