Modell gegen die Krise:Griechenlands Regierung wirbt für Sonderwirtschaftszonen

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Griechenland hat bei vielen Investoren ein schlechtes Image. Das will die Regierung nun ändern - mit der Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen. Dafür bräuchte Athen jedoch die Erlaubnis der Brüsseler Wettbewerbshüter. Ob sich ausländische Investoren überhaupt für solche Zonen interessieren, ist bislang ungewiss.

Christiane Schlötzer, Istanbul

Der Freitag hat wieder nicht gut begonnen: Polizisten riefen vor dem Parlament in Athen zum Streik auf. Die Vertreter der Staatsmacht protestieren gegen den Staat. Am Tag zuvor waren die geplanten neuen Sparmaßnahmen der Regierung bekannt geworden, die nun vor allem den öffentlichen Dienst treffen sollen. Dies würden die letzten Abstriche an Löhnen und Renten sein, versprach der konservative Premier Antonis Samaras bei einer Parteiversammlung. Dasselbe hatte aber auch schon sein sozialistischer Vorgänger Giorgos Papandreou getan.

Ein Schuhputzer in Athen. Wie geht es weiter mit Griechenland? Die Regierung in Athen sucht Wege aus der Dauerkrise - und denkt nun an die Errichtung von Sonderwirtschaftszonen, in denen Investoren Steuervorteile genießen.  (Foto: AP)

In ihrer Not hat die Regierung Samaras nun eine Idee aufgegriffen, die in Griechenland bislang eher auf wenig Begeisterung gestoßen ist: Die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen, um im fünften Jahr der Rezession wieder Investoren nach Griechenland zu locken.

Investoren sollen Steuervorteile genießen

Schon vor ein paar Monaten war die Idee in griechischen Medien aufgetaucht - als ein Vorschlag der deutschen Regierung. Was nicht gerade half, dafür Sympathien zu finden. Nun wirbt Kostis Hatzidakis, Minister für wirtschaftliche Entwicklung, selbst für Sonderwirtschaftszonen, in denen Investoren Steuervorteile genießen sollen. Hatzidakis forderte die EU auf, Griechenland die Einrichtung solcher Zonen zu gewähren. Athen werde Investoren aber nicht gestatten, in diesen Gebieten Arbeitsgesetze zu missachten oder niedrigere Löhne zu bezahlen, sagte Hatzidakis. Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, unterstützte den Vorschlag im "Spiegel"-Interview.

Das Lohnniveau ist in Griechenland zuletzt stark gefallen. Angeblich denken Firmen daran, ihre Produktion aus Bulgarien oder anderen Billiglohnländern wieder nach Griechenland zurück zu verlagern. Nachdem Bulgarien 2007 in die EU aufgenommen wurde, waren viele Produzenten aus Griechenland dahin abgewandert, weil sie dort weniger Lohn zahlen mussten und die Steuern niedriger sind. Der Steuernachteil gilt für Griechenland bis heute. Für die von der Regierung geplanten Sonderwirtschaftszonen bräuchte Athen eine Erlaubnis der Brüsseler Wettbewerbshüter.

Kein gutes Image

Ob es ein Interesse von ausländischen Investoren an solchen Zonen in Griechenland gibt, ist bislang ungewiss. Griechenland hat als Investitionsstandort derzeit kein gutes Image, "ein schlechteres, als es eigentlich verdient", wie Martin Knapp, der Geschäftsführer der Deutsch-Griechischen Handelskammer in Athen meint. Knapp hält es für wichtiger, den bereits in Griechenland tätigen einheimischen Unternehmen dabei zu helfen, die Krise zu überstehen.

Dafür brauchen die Firmen in erster Linie wieder Liquidität. Die Banken aber sind derzeit äußerst zögerlich mit der Vergabe von Krediten. Sie warten auf frisches Kapital. Das soll mit der nächsten Tranche der internationalen Hilfe ins Land fließen. Von den 31 Milliarden Euro, die Griechenland noch im Oktober zu erhalten hofft, sind allein 25 Milliarden für die Rekapitalisierung der Banken vorgesehen. Eine Voraussetzung für Auszahlung der Tranche ist allerdings, dass die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF das griechische Sparprogramm für ausreichend hält.

Wo die Sonderzonen entstehen könnten, ist auch noch nicht klar. Wegen der vielen Unsicherheiten spricht die Regierung lieber von "Innovation Clusters", die den Schwerpunkt auf bestimmte Sektoren legen sollen. Zum Beispiel auf die Wiederbelebung der Seidenproduktion in Soufli, nah der Grenze zur Türkei. Gedacht ist in jedem Fall eher an Regionen mit besonders hoher Arbeitslosigkeit, vor allem in Nordgriechenland. Dort hat eines von zwei Unternehmen 2011 Verluste gemacht, und 2012 habe sich die Lage weiter verschlechtert, teilte der nordgriechische Industrieverband erst vor wenigen Tagen mit.

Sollte es Griechenland gelingen, tatsächlich einheimische und ausländische Unternehmer in Sonderwirtschaftszonen zu locken, dann dürfte es auch Kritik aus den Nachbarländern geben, "weil Griechenland dann einen Wettbewerbsvorteil hätte", wie Hatzidakis sagt.

Vorbild Türkei

Auch in der Türkei ist die Idee der Sonderzonen schon aufgetaucht. Wirtschaftsminister Zafer Caglayan kündigte ein entsprechendes Gesetz zur Etablierung solcher Zonen Ende Mai bereits an - just, als die Idee in griechischen Medien gerade schon einmal Thema war. Inzwischen ist in der Türkei von 19 solchen Zonen die Rede, und es gibt eine Fülle von Ideen, welche Unternehmen hier Vorteile finden könnten - von Logistikfirmen bis zur Lebensmittelproduktion. Auch an Filmstudios - ein türkisches Hollywood - wird gedacht. Die Wirtschaft in der Türkei boomt zwar ohnehin, aber auch aus dem euroasiatischen Wirtschaftswunderland flüchtet Kapital in Regionen mit niedrigeren Steuern und Löhnen.

Was in der Türkei geschieht, erregt in Griechenland stets Aufmerksamkeit, und auch eine Intensivierung der griechisch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen gehört zu den Wachstumsideen der Regierung in Athen. In diesem Sommer hat man bereits ein Pilotprojekt versucht. Die Visavergabe an türkische Touristen, die griechische Inseln besuchen wollen, wurde deutlich erleichtert. Das Programm war offenbar erfolgreich. Nikos Ventouris vom griechischen Wirtschaftsforschungsinstitut IOBE sagt: "Das hat der lokalen Wirtschaft sehr geholfen."

© SZ vom 01.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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