Modebranche:Die Familie ist raus

Gerry Weber

Rückbau: Die insolvente Modekette Gerry Weber muss viele Filialen wieder schließen. Sie war zu schnell gewachsen.

(Foto: Violetta Kuhn/dpa)

Finanzinvestoren übernehmen den insolventen Modehersteller Gerry Weber - der Gründer spielt keine Rolle mehr. Das Unternehmen aus Westfalen ist nicht allein mit seinen Problemen. Etliche deutsche Modeunternehmen stecken in argen Schwierigkeiten.

Von Caspar Busse

In der Garage seiner Eltern, im westfälischen Halle, hatte Gerhard Weber einst als 23-Jähriger ein Modegeschäft eröffnet. Daraus wurde irgendwann die Modekette, die bis heute "Gerry Weber" heißt. Doch nun sind Weber, heute 78 Jahre alt, und seine Familie endgültig draußen. Finanzinvestoren werden die insolvente Firma übernehmen. "Die Familie Weber wird keine Rolle mehr spielen", sagte am Dienstag der Generalbevollmächtigte Christian Gerloff. Auch alle anderen ehemaligen Aktionäre sollen leer ausgehen.

Künftig werden die beiden Finanzinvestoren Robus Capital Management und Whitebox Advisors das Sagen haben. Sie erklärten sich bereit, dem angeschlagenen Unternehmen neues Kapital von knapp 50 Millionen Euro zu geben. Damit soll es der Textilfirma möglich werden, bereits Anfang November das Insolvenzverfahren zu beenden. Gerloff sagte, dies sei "der entscheidende Schritt der Sanierung". Vorstandssprecher Johannes Ehling erklärte, mit der verbindlichen Vereinbarung zur finanziellen Sanierung der Gesellschaft im Rahmen eines Insolvenzplans verfüge Gerry Weber wieder über eine "hervorragende Perspektive für die Zukunft". Ob nun die bereits eingeleitete Sanierung verschärft wird, sei noch offen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass "an der einen oder anderen Stelle nachjustiert" werden müsse. Bist tief in die Nacht sei verhandelt worden, heißt es, und es habe mehrere Interessenten gegeben. Den Ausschlag habe gegeben, dass die beiden neuen Investoren, die drei bis fünf Jahren dabeibleiben wollen, den eingeschlagenen Umbau weiterführen. Durch die Schließung von Läden sollen rund 330 Vollzeitstellen wegfallen, weitere Arbeitsplätze wurden in der Unternehmenszentrale in Halle abgebaut. Nahezu 150 Filialen sollen abgewickelt werden. Gerry Weber war lange eine Erfolgsgeschichte aus westfälischen Provinz. Die Modefirma wurde immer größer, auch international, in Halle wurde sogar ein ATP-Tennisturnier gleichen Namens veranstaltet.

Im Jahr 1989 war das Unternehmen an die Börse gegangen, stieg sogar in den MDax auf. Bald wurde mehr als eine halbe Milliarde Euro Umsatz gemacht, es wurden auch namhafte Konkurrenten wie Hallhuber übernommen. Gerhard "Gerry" Weber selbst führte den Konzern, später sein Sohn Ralf. Doch von 2014 an ging es bergab, die Firma war zu schnell gewachsen, die Konkurrenz auch durch Ketten wie H&M oder Zara wurde härter, es gab zu wenig Neuerungen und vor allem junge Kundinnen wurden vernachlässigt. Im Januar diesen Jahres stellte die Firma schließlich beim Amtsgericht Bielefeld einen Insolvenzantrag. Seitdem wurde händeringend nach einem Investor gesucht.

Der Sanierungsplan ist kompliziert: Im ersten Schritt werden sämtliche Aktien eingezogen und auf Null gesetzt, in einem zweiten Schritt werden dann neue Aktien ausgegeben, die aber ausschließlich von den beiden Finanzinvestoren gezeichnet werden können. Neben den vielen Kleinanlegern verliert somit auch die Gründerfamilie Weber ihre Anteile und jeglichen Einfluss. Die Webers hatten im Investorenprozess zunächst noch mitgeboten, waren dann aber ausgestiegen. Voraussichtlich wird das Unternehmen auch von der Börse genommen, hieß es.

Die westfälische Firma ist nicht das einzige Modeunternehmen mit Problemen. Die Marke Bench, die Manager Bruno Sälzer von München aus führte, ging im vergangenen Jahr in die Insolvenz. Zuvor, 2017, ging René Lezard pleite. Große Probleme hatte auch Rena Lange; der Münchner Anbieter von teurer Damenmode stellte 2015 den Betrieb ein. Gerade erst beantragte das Modelabel Strenesse Insolvenz, bereits zum zweite Mal. Auch die Nürnberger Modekette Wöhrl ging 2016 in die Knie, Christian Greiner, der Enkel von Gründer Rudolf Wöhrl, übernahm das Unternehmen. Viele hatten zu lange auf den stationären Handel gesetzt. Gerade jüngere Kunden aber bestellen zunehmend im Internet, bei Amazon, Zalando oder anderen.

Auch Gerry Weber arbeitet jetzt an einer Internetstrategie. Zuvor war zu viel in das eigene Ladennetz investiert worden. Die Sanierung komme voran, hieß es am Dienstag. Sachwalter Stefan Meyer, sagte: "Die Kunden können angstfrei in die nächste Orderrunde gehen. Das freut uns." Demnächst findet in Düsseldorf die Ordermesse CPD statt. Ohne eine Einigung hätte die Gefahr bestanden, dass viele Modehändler aus Sorge um die Überlebensfähigkeit des Unternehmens ihre Bestellungen gekürzt hätten. Die Forderungen der Gläubigern liegen bei rund 300 Millionen Euro. Die können nun zwischen einer klassischen Barabfindung und anderen Finanzinstrumenten zu wählen.

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