Modebranche:Billig ist teuer

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Der Zara-Konzern Inditex hat ein Problem, das den Konkurrenten H&M nicht betrifft. Manche Analysten sehen jedoch sogar das Geschäftsmodell der gesamten Branche in Gefahr.

Von Thomas Urban, Madrid

Auf den ersten Blick sieht alles blendend aus bei dem Textilkonzern Inditex, der Mutterfirma von Trendmarken wie Zara, Bershka, Oysho, Pull & Bear, Stradivarius und Massimo Dutti. Die aus Versatzstücken verschiedener Sprachen erdachten Firmennamen klingen nach großer weiter Welt, nicht aber nach dem galicischen Provinzstädtchen Arteixo an der kalten Atlantikküste in der verregneten Nordwestecke Spaniens. Am Firmensitz des Konzerns, der weltweit 172 000 Mitarbeiter beschäftigt, wurden nun die Bilanzen für das Geschäftsjahr 2017 vorgestellt: Der Gewinn betrug 3,4 Milliarden Euro, der Umsatz lag bei 25,3 Milliarden Euro und nahm um magere zwei Prozent zu. Ursprünglich war mit einem weit größeren Zuwachs gerechnet worden, die Gewinnsteigerung lag bei sieben Prozent, im Vorjahr waren es satte zehn Prozent gewesen.

Den Anlegern macht die Entwicklung der Aktie Sorgen: Im Juni 2017 war sie 36 Euro wert, am Tag der Bilanzpressekonferenz startete sie mit 23,80 Euro, sackte erst einmal auf 23 Euro ab, um dann am Nachmittag auf knapp 25 Euro zu klettern. Im Herbst hatte der Kurs stetig nachgegeben, am 23. Februar verlor die Aktie innerhalb weniger Stunden sogar sieben Prozent, die spanische Wirtschaftspresse schrieb vom "schwarzen Freitag" für Inditex.

Über die Gründe sind sich die Analysten nicht einig, doch überwiegt eine Version: Es sei ein Nachklappeffekt nach der Gewinnwarnung, die der große Marktkonkurrent, der schwedische Modekonzern H&M, herausgegeben hat. Der in Ratingen und Hongkong ansässige Mitbewerber Esprit hatte bereits zuvor erhebliche Umsatzrückgänge und Verluste angekündigt. So sahen manche Analysten das Geschäftsmodell der gesamten Branche in Gefahr, in eine Schieflage zu geraten. Inditex jedenfalls hat die Verluste aus dem "schwarzen Freitag" bei weitem noch nicht wettgemacht. Dennoch wurde eine Dividende von zehn Prozent angekündigt. Sie beschert dem 81-jährigen Firmengründer Amancio Ortega, der der reichste Spanier ist und knapp 60 Prozent der Inditex-Aktien hält, fast 1,4 Milliarden Euro. Am "schwarzen Freitag" hatte er allerdings auf einen Schlag sechs Milliarden verloren.

Ortega hatte als 14-Jähriger in einem kleinen Geschäft für Herrenhemden in der galicischen Hauptstadt La Coruña als Lehrling angefangen, stand bald auf eigenen Füßen und entwarf selbst Hemden. Er vermarktete sie anfangs selbst, indem er zu Märkten und lokalen Modeschauen fuhr. Im Blick hatte er die junge Generation, die nicht so viel Geld für Mode hat. Mit eiserner Disziplin vergrößerte Ortega die Produktion und eröffnete immer mehr Läden, zuerst nur in Spanien, dann in Portugal. 1999 startete Zara in der Bundesrepublik, an der Hohen Straße in Köln. Mittlerweile sind die Zara-Läden ebenso wie die der anderen Marken, aus keiner Fußgängerzone der Metropolen der Welt wegzudenken. Dem Geschäftsbericht zufolge sind es mittlerweile 7475 Geschäfte , davon 524 Neueröffnungen in 58 Ländern. Das Mutterland spielt dabei eine immer geringere Rolle: Vor der Wirtschaftskrise, die vor genau zehn Jahren mit dem Platzen einer Immobilienblase einsetzte, machte Spanien 40 Prozent des Umsatzes aus; mittlerweile ist der Anteil auf knapp 17 Prozent gesunken. Dies nicht nur, weil krisenbedingt vorübergehend deutlich an Ausgaben für Bekleidung gespart wurde, sondern auch das Auslandsgeschäft kräftig expandierte.

Allerdings sehen die Analysten bei Inditex ein Hauptproblem, das die Konkurrenz weitaus weniger trifft: der starke Euro. Während H&M und Esprit überwiegend in den Billiglohnländern Südasiens produzieren lassen, hält Inditex an vielen Fabriken auf der iberischen Halbinsel fest und hat vor allem auf osteuropäische Länder gesetzt, nicht nur die Ukraine, sondern auch die EU-Staaten Polen und Rumänien. Das Gros der Produktion aber wird außerhalb der EU verkauft. Die größten Wachstumsmärkte für Zara & Co. waren in den vergangenen Jahren China, Russland und Lateinamerika, auch in den USA hat man Fuß gefasst. Hier macht der Euro die Waren im Vergleich zur Konkurrenz im hart umkämpften niedrigen Preissegment teuer. Zwar versuchen einige Inditex-Marken, allen voran Zara, das Billigimage abzustreifen, und bieten zunehmend teurere Linien an, vor allem Herrenmode. Bislang betrifft dies nur einen Bruchteil des Umsatzes.

Dass die ausländische Konkurrenz das erfolgreiche Geschäftsmodell der Spanier kopiert, rächt sich ebenfalls: In kurzen Abständen kommen mehrmals pro Jahr neue Linien auf den Markt. Der Konzern setzt mehr als 100 "Modescouts" ein, die Trends aufspüren sollen. Blitzschnell sollen die Produzenten darauf reagieren, manchmal dauert die Kreation einer Linie vom Entwurf bis zur Auslieferung weniger als einen Monat. Nach Untersuchungen der spanischen Wirtschaftspresse wird das Sortiment schnell umgeschichtet: Etwa die Hälfte des Angebots verschwindet nach vier Wochen. Wegen dieser Ressourcenverschwendung wurde Inditex von Umweltgruppen angegangen.

© SZ vom 15.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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