Mode:Shoppen ist langweilig geworden

Shoppers Ahead Of Consumer Comfort Figures

Immer wieder dasselbe im Angebot: Modegeschäft im kalifornischen Santa Monica.

(Foto: Bloomberg)
  • Das Geschäft der Modeketten ist es, die Kundinnen so oft wie möglich mit neuen Garderoben auszustatten. Doch die ändern ihren Geschmack kaum noch.
  • Skinny-Jeans und lange T-Shirts liegen haufenweise in den Schränken junger Leute. Die Modebranche steht vor einem Problem. Sie wird Ware nur noch mit hohen Rabatten los.

Von Kathrin Werner, New York

Eigentlich ist Urban Outfitters eine Klamottenkette für junge, coole Leute. In dem Laden an Manhattans Fifth Avenue lässt sich das allerdings nicht auf Anhieb feststellen. Im Schaufenster gibt es bunte Kopfhörer und Schallplatten. Wer eintritt, findet Spielzeugdrohnen, Pickelcremes und Lidschatten. Wer Hosen oder T- Shirts anprobieren will, muss ins Obergeschoss - Kleidung verkauft sich einfach nicht mehr so gut.

Die Mode steckt in einer Art Tiefschlaf, sagt der Chef von Urban Outfitters, Richard Hayne. "Der letzte größere Wandel in der Mode war vor zehn Jahren, als die eng anliegenden Hosen wieder populär wurden", sagte er, als er vor Kurzem seine schlechten Verkaufszahlen mit Kleidung und guten Umsätze mit Accessoires erklären musste. "Heute haben Kundinnen den Schrank voll mit verschiedenen Skinny-Jeans und eine ganz große Menge lange T-Shirts und Sweatshirts, die sie darüber tragen."

Modedesigner haben noch nichts gefunden, was die Massenmarkt-Kundinnen von den Skinny-Jeans und weiten Oberteilen abbringen könnte - Shopping ist langweilig geworden. Für die Modeketten ist das ein riesiges Problem, schließlich ist es ihr Geschäft, die Kundinnen so oft wie möglich mit neuen Garderoben auszustatten. Hayne baut deshalb sein Modeunternehmen um zum Anbieter für alles, was junge Menschen gern haben wollen. Vor Kurzem hat er eine Pizzakette übernommen.

Ohne große Rabatte werden die Händler kaum etwas los

Besonders hart trifft der Mode-Tiefschlaf die Mode-Mittelklasse. Amerikanische Kunden verschmähen Hersteller wie Urban Outfitters, American Apparel, J.Crew, Gap oder Abercrombie & Fitch genauso wie die Deutschen immer weniger bei Tom Tailor oder Esprit einkaufen. Esprit schrieb im vergangenen Geschäftsjahr rote Zahlen; in Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Markt, ging der Umsatz um 21 Prozent zurück. Nachdem die Hersteller lange den Grund dafür bei aufsteigenden Billigrivalen wie H&M und Zara gesucht haben, haben sie nun einen neuen Schuldigen identifiziert: die Mode selbst.

Ohne große Rabatte können die Ladenketten kaum noch etwas verkaufen und sorgen sich nun, dass Discount-Aktionen der neue Normalzustand sind. Bei Gap zum Beispiel gibt es gerade mal wieder 40 Prozent auf alles, weil Frühlingsanfang ist. Eigentlich müsste es besonders in den USA längst wieder besser laufen. Schließlich ist die Arbeitslosenquote gesunken und das Verbrauchervertrauen gestiegen.

Es geht ja nicht nur um enge Jeans. Wer am Wochenende durch New York spaziert, sieht überall Menschen in Sportklamotten, die gar nicht zum Sport gehen, sondern nur die Kleider so gemütlich finden. Es ist ein Trend zur Praktikabilität, der nicht gut für die Mode ist. Davon profitiert zum Beispiel Lululemon, ein in den Massenmarkt drängender Premiumanbieter, dessen Erfolg mit alltagstauglichen Yogahosen für 100 Dollar oder mehr sogar dem Jeans-Altmeister Levi's zu schaffen macht, wie dessen Chef Chip Bergh gerade zugab. Gap setzt jetzt selbst auf Sportklamotten.

Viele Menschen kaufen Sportklamotten, obwohl sie keinen Sport treiben

Es ist nicht so, dass die Modewelt es nicht immer wieder versuchen würde, die Frauen mit neuen Kreationen aus ihren hautengen Hosen zu holen. Seit Jahren schon erklären Modemagazine den Schnitt für tot - was sich immer wieder als stark übertrieben entpuppt. Gerade schrieb eines über das Jetzt-aber-wirklich-Ende: "Wie konnten diese anhänglichen, scheibendünnen, denimartigen Betrüger, die eigentlich gar keine Jeans sind, nur die Weltherrschaft an sich reißen?" Modern seien ab jetzt die guten alten harten Jeans ohne Elastan, die man erst brechen muss, bevor sie richtig passen. Designer versuchen auch, junge Leute für Hippie-Gewänder zu begeistern. Ob sich die Ideen durchsetzen, zeigt sich in einigen Monaten, wenn Sommer ist und die Verkaufszahlen veröffentlicht werden.

"Für die Modeunternehmen ist das ein Dilemma", sagt Richard Jaffe, Einzelhandelsexperte bei der Investmentbank Stifel, Nicolaus & Company. "Einerseits riskieren sie, neue Kleidung in die Läden zu hängen, die niemand kauft. Andererseits können sie auch nicht die alte Mode anbieten, die verkauft sich ja auch nicht mehr."

Die Skinny-Jeans halten sich so hartnäckig, weil die meisten glauben, dass sie Frauen jeden Alters und jeder Figur gut stehen, sagt er. "In dieser Saison sehen wir allerdings viel Neues in den Läden da draußen." Urban Outfitters hofft, dass das Ende der Skinny-Jeans gekommen ist. "Ich glaube, wir kommen dem Ende des Lebenszyklus nahe", sagt Hayne. "Ich prophezeie nicht, wann genau der Wandel kommt, aber ich bin sicher, dass er kommt." Im jüngsten Quartal, für das er gerade Finanzzahlen vorgelegt hat, konnte das Unternehmen schon etwas mehr Kleidung ohne Rabatte verkaufen, der Aktienkurs steigt. Und in den Läden ist es schwer, überhaupt noch Skinny-Jeans zu finden.

Früher gab es höchstens zwei Kollektionen pro Jahr

Es ist bizarr, dass sich die engen Hosen samt der passenden weiten Leibchen so lange halten, denn eigentlich ist die Modewelt schneller geworden. Früher gab es zwei Kollektionen pro Jahr, eine für den Sommer, eine für den Winter. H&M bringt inzwischen beinahe alle zwei Wochen neue Klamotten in die 3900 Läden - und hat in den drei Monaten von Dezember bis Februar neun Prozent mehr Umsatz geschrieben. Der Firma hilft auch, dass große Marken-Logos auf der Kleidung nicht mehr modern sind - eine Trendwende, die Hersteller wie Abercrombie & Fitch verschliefen.

Einzelhandelsexperte Jaffe glaubt, dass die Firmen es generell schwerer haben, Mode an junge Leute unter Mitte 30 zu verkaufen, die sogenannte Millennial- Generation. "Anders als vorherige Generationen brauchen Millennials nicht mehr drei verschiedene Garderoben: eine für die Arbeit, für die Freizeit und zum Ausgehen. Der Arbeitsplatz ist lässiger, das schrumpft die Kleiderschränke und die Ausgaben für Klamotten." Außerdem interessieren sich die Leute weniger für Kleidung und mehr für andere Statussymbole wie ihr Smartphone. "Die Prioritäten sind anders", sagt er. Darum lockt Urban Outfitters mit Cremes und Drohnen statt mit Kleidern in den Laden auf der Fifth Avenue.

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