Süddeutsche Zeitung

Mobilität:Ein Verbot von Kurzstreckenflügen wäre falsch

Greenpeace regt an, bestimmte Inlandsflüge zu verbieten und beruft sich dabei auf eine Untersuchung. Doch anders als behauptet ist die Bahn eben oft keine gleichwertige Alternative.

Kommentar von Christina Kunkel

Mit der Bahn kommt man innerhalb Europas und vor allem innerhalb Deutschlands oft ähnlich schnell und vor allem klimaschonender ans Ziel als mit dem Flieger, hat die Umweltorganisation Greenpeace ausgerechnet. Demnach ließe sich ein knappes Drittel der am meisten geflogenen europäischen Kurzstrecken schon heute durch eine Zugfahrt von unter sechs Stunden ersetzen. Auf Basis dieser Zahlen haben die Umweltschützer eine altbekannte Forderung wieder ausgegraben: Weil immer noch zu viele Menschen nicht freiwillig vom Flieger auf den Zug umsteigen, solle man sie eben dazu zwingen.

Konkret heißt das: Kurzstreckenflüge verbieten, wo es eine gute Bahnalternative gibt. Doch wie so oft, wenn es um die Mobilität geht, greift auch diese Forderung zu kurz.

Es ist ein altbekannter Reflex: Etwas verbieten, damit die Menschen gezwungen sind, sich für eine Alternative zu entscheiden. Das impliziert jedoch, dass es diese gute Alternative wirklich gibt. Doch die Lebensrealität vieler Menschen ist komplexer, als einfach nur Fahr- und Flugzeiten miteinander zu vergleichen und daraus zu schließen, es läge nur an der Trägheit der Leute, sich nicht umstellen zu wollen. Anstatt Verbotsdiskussionen zu führen, müsste der Fokus auf der Frage liegen, wie man die Bahn für möglichst alle Strecken innerhalb Europas attraktiver macht als den Flug. Denn das ist die eigentliche, viel wichtigere Botschaft, die im Greenpeace-Report steckt: Viel zu oft ist sie das nicht.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum auch auf kürzeren Distanzen für Reisende die Bahn oft nicht die erste Wahl ist. Einige davon erwähnt die Untersuchung auch. Sei es, dass die Taktung der Züge lange nicht überall so dicht ist wie das Flugangebot oder dass es keine Nachtzüge gibt, die Flüge in den späten Abendstunden ersetzen könnten. In der Regel fährt der letzte Zug am Abend deutlich früher zurück, als der letzte Flieger abhebt. Aber innerdeutsch sind laut der letzten dazu bekannten Erhebung von 2019 rund zwei Drittel aller Flüge dienstlich bedingt. Dabei spielt es für Unternehmen und Arbeitnehmer sehr wohl eine Rolle, ob man für eine Dienstreise den Zug nimmt und dafür mindestens einmal übernachten muss oder spätabends noch zurückfliegen kann.

Für den Klimaschutz gäbe es wirksamere Maßnahmen

Zudem darf man durchaus hinterfragen, ob die Maßgabe von sechs Stunden Reisedauer als Grenze, ab der Flüge verboten werden sollten, sinnvoll ist. Gerade innerdeutsch sind fast sechs Stunden Fahrzeit etwa von München nach Hamburg mit der Bahn oft eben keine gute Alternative zu einem Flug, der nur etwas mehr als eine Stunde dauert und dadurch selbst mit Ein- und Auschecken deutlich schneller ist. Es lässt sich sicher diskutieren, ob sechs Stunden okay sind, wenn es um eine reine Freizeitfahrt geht. Aber grundsätzlich zu verbieten, mit dem Flieger zwischen München und Hamburg unterwegs zu sein, ist der falsche Ansatz und lenkt ab vom eigentlichen Problem.

Greenpeace stellt nämlich auch fest: Auf mehr als der Hälfte aller untersuchten Strecken ist der Zug zeitlich dem Flieger hoffnungslos unterlegen, weil die Route auf der Schiene mindestens acht Stunden dauert. Es müsste deshalb viel mehr darum gehen, diese unsäglichen Schleichstrecken so auszubauen, dass sie zumindest im Ansatz zeitlich mit dem Luftverkehr konkurrieren können. Und wie so oft ist es auch eine Geldfrage. Wenn für die gleiche Strecke mit dem Flugzeug pro Person siebenmal so viel CO₂ emittiert wird wie mit der Bahn, muss sich dieser Unterschied endlich im Ticketpreis niederschlagen. Aktuell passiert genau das Gegenteil: Tickets - insbesondere für schnelle Sprinterzüge - sind meist teurer als ein Flug.

Auch aus Klimaschutzsicht ist es übrigens gar nicht so entscheidend, einzelne Kurzstreckenrouten per Flug zu verbieten. Greenpeace schreibt, so würden sich alleine bei in Deutschland startenden oder landenden Flügen etwa 1,5 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen lassen. Dabei seien bereits Emissionen eingepreist, die durch die Verlagerung auf die Schiene entstehen würden. Doch auch das ist nur eine vage Annahme, weil ja überhaupt nicht klar ist, ob die Menschen dann tatsächlich anstatt in den Flieger in den Zug steigen - oder nicht doch eher in ihren Diesel. Damit wäre dem Klima jedenfalls kaum geholfen.

Ein allgemeines Tempolimit würde laut dem Umweltbundesamt übrigens mindestens zwei Millionen Tonnen CO₂ jährlich einsparen. Doch diese deutlich sinnvollere Maßnahme haben sich die Grünen bei den Ampel-Sondierungen ja bereits ausreden lassen.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, die Emissionen bei der Verlagerung auf die Schiene müssten noch zusätzlich abgezogen werden. Diese sind jedoch bei den 1,5 Mio. Tonnen bereits eingepreist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5450436
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.