Süddeutsche Zeitung

SZ-Wirtschaftsgipfel:Wenn die Grenzen der Mobilität verschwimmen

Kunde, Partner und Gegner gleichzeitig: Google-Deutschland-Chef Philipp Justus und BMW-Boss Harald Krüger vermessen das Auto der Zukunft.

Von Thomas Fromm, Berlin

Der eine, Philipp Justus, ist seit Sommer 2013 Chef von Google Deutschland, der andere, Harald Krüger, ist seit Sommer 2015 Chef des Autokonzerns BMW. Der eine Konzern baut seit 100 Jahren Motoren und Autos, den anderen gibt es seit 1998, er wurde als Suchmaschine geboren und ist heute eine Art digitaler All-Inclusive-Weltkonzern. Suchmaschine, Computerbrillen, Gesundheitsdienste - wo es um den Alltag der Menschen geht, da will auch Google sein. Zwei unterschiedliche Manager, zwei unterschiedliche Konzerne, und zwei verschiedene Geschichten.

Doch Bayern und Kalifornier sind sich näher gekommen - nicht erst, seit Google im Frühjahr sein neues Entwicklungszentrum für 800 Mitarbeiter an der Münchner Hackerbrücke eröffnet hat. Technologisch ist Google schon längst im Auto angekommen. Nun geht es um die Frage: Will der Internetkonzern nur Technologie wie sein Betriebssystems Android in die Autos bringen oder will er die Autos irgendwann gleich selbst bauen? Haben die BMW, Daimler und Volkswagen ausgedient, werden die neuen IT-Konzerne bald das große Geschäft machen?

Am Donnerstag nun saßen der Google-Mann Justus und BMW-Chef Krüger auf dem Podium des SZ-Wirtschaftsgipfels - der eine gilt als Jäger, der andere als Verteidiger einer alten Autoindustrie. Der eine krawattenlos, der andere mit Krawatte. Die Frage, gleich zur Eröffnung: Wird es BMW in zehn Jahren noch geben?

Nach 50 Minuten Diskussion steht die Antwort fest: Ja, BMW dürfte es in zehn Jahren höchstwahrscheinlich noch geben. Nur wird BMW dann ein bisschen mehr Google sein als heute. "Deutschland hat immer wieder bewiesen, dass es durch Innovationen nach vorne kommt", sagt der BMW-Chef. Das trifft sich gut, denn Philipp Justus sieht sein Unternehmen als Partner, nicht unbedingt als Gegner der traditionellen Hersteller. Fahrzeuge bauen? Ist nicht Kernaufgabe eines IT-Giganten.

In Ländern mit vielen Ladesäulen werden auch mehr Elektroautos verkauft als woanders

Justus sagt: "Elektromobilität ist nicht originär ein Google-Thema, Vernetzung schon." Google will in die Autos rein, will sie vernetzen, will seine Technologie verkaufen, will, wie Justus sagt, "Schnittstellen" für seine mobilen Geräte schaffen. Wenn das Android-Handy im Auto nicht funktioniert, dann "fehlt uns das", sagt er. Das müsse im Auto "nahtlos weitergehen", und deshalb sei man schon "seit vielen Jahren dabei, das im Auto umzusetzen".

Das klingt nicht so, als ob man unter die Autobauer gehen will. Nur warum laden die Kalifornier dann seit Jahren regelmäßig zur Auto-Schau? Schon vor einiger Zeit ließ der IT-Konzern Autos durch Mountain View in Kalifornien fahren und rüstete sie dafür mit eigener Technologie aus. 2014 dann begann Google, eigene kleine Elektroautos ohne Lenkrad, Bremse und Gaspedal zu bauen. Autos, die noch nicht aussahen wie ein, nun ja, 5er BMW, aber: Sie fuhren elektrisch und von ganz allein. In den Konzernetagen schrillten da die Alarmglocken: Will Google jetzt etwa auch noch eigene Autos bauen? Was wird dann aus den alten Marken, wenn jetzt neue, hippe Konzerne wie Apple und Google anfangen, junge Käuferschichten mit Autos auszustatten? Ganz so einfach ist es also nicht, und deshalb spricht Krüger von "drei Aspekten", um die es im Verhältnis zwischen Autobauer und IT-Industrie gehe: "Wir sind Kunde. Wir haben auch gemeinsame Interessen. Und wir sind natürlich auch Wettbewerber."

Die Hersteller planen daher Elektroautos in großem Stil und geben sich selbstbewusst. Fahrzeuge vernetzen sei eine Sache, sagt Krüger. Aber: "Das heißt nicht, dass jeder gleich ein Auto bauen kann. Wir verkaufen Emotionen und Fahrfreude."

Mit der Fahrfreude ist es aber so eine Sache, wenn Elektroautos nach etwas mehr als 100 Kilometern mit leerer Batterie liegen bleiben und weit und breit keine Aufladestation zu finden ist. Wie mit der Situation umgehen, dass man sein Geld derzeit vor allem mit großen Spritschluckern verdient, eigentlich aber ganz auf Elektromobilität setzen will? Der Automobilexperte Felix Kuhnert von Pricewaterhouse Coopers sagt keine leichten Zeiten voraus, da man auf allen Seiten investieren müsse: "Die Schwierigkeit wird jetzt darin bestehen, die nächsten E-Fahrzeuge auf den Markt zu bringen und gleichzeitig noch Verbrennungsmotoren zu bauen", sagt er. "Die Unternehmen brauchen viel Flexibilität."

Hat BMW, der Konzern, der jahrelang als der Elektroautopionier unter den deutschen Herstellern galt, die Entwicklung verschlafen? Krüger widerspricht. Die Münchner seien mit ihrem i3, einem Auto mit Elektromotor und Leichtbaumaterialien, schon sehr früh auf der richtigen Spur gewesen. "BMW hat in 2007 an die Elektromobilität geglaubt, nicht die Wettbewerber", sagt er.

Krüger, 51, forciert den Ausbau seiner Elektroflotte. "Es macht Spaß, wenn sie abends nach Hause fahren und sie keiner hört", sagt er. Gelächter im Publikum.

Ein Thema für den Autobauer BMW, nicht für den IT-Vernetzer Google: Reichweite und Infrastruktur. "Wo wir noch viel Bedarf haben, ist bei der Lade-Infrastruktur", sagt Krüger. Dass der Anteil von Elektroautos in Ländern wie den Niederlanden um ein Vielfaches höher ist als etwa in Deutschland, sei kein Zufall. Es gebe dort eben die richtige Infrastruktur. Zuletzt hatte es geheißen, die Autokonzerne würden zusammen mit dem Raststättenbetreiber Tank & Rast ein großes Schnellladenetz auf den Autobahnen bauen. Tank & Rast baut - aber bauen die Autobauer mit? Sie haben ein großes Interesse daran, dass die E-Autos, die sie heute in Planung haben, morgen irgendwo aufgeladen werden können. Nur wie viel Geld wollen sie sich dieses gigantische Projekt kosten lassen?

Ähnlich kompliziert ist die Frage, ob nicht alle Autohersteller gemeinsam in die Batterieproduktion einsteigen sollten? Krüger sagt: "Es wird häufig vergessen, dass wir bis auf die Zellproduktion schon alles machen." Nur solange nicht klar sei, wie die Batteriezellen der Zukunft aussehen, könne man keine gemeinsamen Fabriken bauen. Google-Deutschland-Chef Justus lächelt und nickt - Batteriefabriken braucht sein Konzern nun wirklich nicht.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2016
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