Immer dann, wenn Lauri Jouhki sein Unternehmen beschreiben soll, sagt der Finne einen widersprüchlichen Satz: "Wir sind ein Start-up mit 80 Jahren Produktionserfahrung." Letzteres spielt darauf an, dass die Firma Metz schon entsprechend lange auf dem Markt ist und ziemlich bekannt als Markenhersteller von Fernsehern und Blitzgeräten. Als Start-up empfindet Jouhki das Unternehmen, weil es mit einem gänzlich neuen Produkt wieder durchstarten soll: Elektro-Tretrollern.
Das Unterfangen erweist sich jedoch weitaus schwieriger als erwartet. Eigentlich hatte sich Jouhki vorgenommen, bereits in diesem Jahr 10 000 der "Metz-Moover" zu verkaufen, von denen ein jeder etwa 20 Kilogramm schwer und bis zu 25 Stundenkilometer schnell ist. Wendig, klein und leicht zu transportieren, wären solche E-Scooter vor allem für die ersten oder letzten paar hundert Meter zwischen U-Bahn, Büro oder Zuhause das ideale Fortbewegungsmittel. In den USA, aber auch in Österreich oder der Schweiz sind sie der letzte Schrei. "Auch in Deutschland wäre großer Bedarf", sagt Lauri Jouhki.
Doch das Verkehrsrecht hierzulande macht den Einsatz von Elektro-Tretrollern bislang praktisch unmöglich. Auch nach drei Tagen Wartezeit kann das Bundesverkehrsministerium auf eine SZ-Anfrage hin nicht präzise beantworten, wie man die Gefährte hier legal betreiben kann. Sie sind im öffentlichen Straßenverkehr noch nicht erlaubt; allenfalls auf Privatgrundstücken oder Werksgeländen dürfen sie benutzt werden. Eine Zulassungsregelung lässt seit geraumer Zeit schon auf sich warten.
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Das Tern GSD schließt die Lücke zwischen Pedelec und Lastenrad, dank Elektromotor kann es viele Autofahrten ersetzen. Doch wenn es dicht wird im Verkehr, ist Vorsicht angebracht.
Denn wegen ihres Elektromotors werden sie als Kraftfahrzeuge eingestuft. Was wiederum bedeutet, dass die Fahrer von E-Tretrollern einen Pkw-Führerschein, eine Zulassung und eine Versicherung brauchen. Doch es wird noch kurioser. Denn auch mit der Zulassung tun sich die Behörden schwer. Die Fahrzeuge "können keiner bestehenden genehmigungspflichtigen Fahrzeugart zugeordnet werden", teilt das Bundesverkehrsministerium mit. Eine spezielle Versicherung gibt es auch noch nicht. Werden Fahrer in Deutschland auf öffentlichen Straßen und Wegen mit E-Scootern erwischt, drohen Geldbußen und sogar ein Punkt in der Flensburger Verkehrssünderkartei. Und bei einem Unfall müssten sie den gesamten Schaden tragen.
Die Hersteller drängen darauf, diese Fragen endlich zu klären. Ihre Ungeduld wächst, schließlich steht für die Firmen viel auf dem Spiel. Es geht um eine komplett neue Fahrzeugkategorie, die technologisch entwickelt ist, mutmaßlich Abnehmer finden würde, aber hierzulande an der Bürokratie zu scheitern droht. Selbst der Autobauer BMW ist mit dem X2City in das E-Scooter-Geschäft eingestiegen. Für den Konzern kaum mehr als ein Zubrot, doch für Metz in Zirndorf bei Nürnberg eine Überlebensfrage.
Als die 1938 von Paul Metz gegründete und später zum Synonym für deutsche Wertarbeit in Sachen Fernseher und Blitzgeräte aufgestiegene Firma 2014 in die Insolvenz rutschte, wurde sie im anschließenden Verfahren aufgeteilt. Die TV-Gerätesparte übernahm der chinesische Skyworth-Konzern. Blitzgeräte- und Kunststofffertigung gingen an die Fürther Firmengruppe Daum. Das Familienunternehmen stellt unter anderem Antriebe für Fahrrad-Ergometer sowie E-Bikes her und firmierte die Neuerwerbung zur Metz Mecatech GmbH um. In deren Zirndorfer Werk bauen 160 Beschäftigte nach wie vor Kunststoffgehäuse und Blitzgeräte.
Doch Letztere seien ein endliches Geschäft, sagt Geschäftsführer Jouhki. "Seit 2016 geht der Verkauf von Blitzgeräten aufgrund immer besserer Handykameras stark zurück", sagt er. "Deshalb brauchen wir ein zweites Standbein." Der Moover lag als solches näher, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn viele der nötigen Bauteile, den Akku etwa oder den Rahmen, produzieren Firmen der Daum-Gruppe, Mecatech selbst entwickelt und baut die notwendigen SMD-Leiterplatten und die Elektronik. Daraus montiert die Firma derzeit E-Tretroller auf Halde. "Das Material ist schließlich bestellt und da", sagt Jouhki. Und das Zulassungsproblem werde irgendwann demnächst bestimmt gelöst.
Die "straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen" sollen bis Ende 2018 da sein
Befürworter sehen in den Tretrollern einen Beitrag zur urbanen Mobilität und einen einfachen Einstieg in die E-Mobilität. So weit möchte Klaus Bogenreuther, Verkehrswissenschaftler an der Bundeswehrhochschule in Neubiberg nicht gehen, aber er räumt ein: "Sie machen Elektro als Antriebsform erlebbar und besetzen das Thema positiv." Für eine Prognose, ob sich E-Scooter langfristig durchsetzen werden, sei es zu früh. Zumal es ja auch noch die unklaren Rahmenbedingungen gebe.
Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will nun bis Jahresende Abhilfe schaffen. Das Ministerium will eine neue Fahrzeug-Kategorie für Elektro-Kleinstfahrzeuge mit Tempo 12 bis 20 schaffen. Die "straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen" sollten so noch bis Ende 2018 geschaffen werden, teilt das Ministerium mit. E-Scooter-Fahrer dürfen dann Straßen und Radwege nutzen. Allerdings müssen sie ihre Vehikel bei der Versicherung anmelden und, wie bei E-Bikes, kleine Versicherungs-Kennzeichen anbringen.
Bis dahin versuchen sie bei Metz Mecatech, ihre Moover an Firmen für deren internen Fabrikverkehr zu verkaufen. Die würden am Anfang häufig skeptisch reagieren, sagt Geschäftsführer Jouhki. Doch kaum lasse man die Einkäufer probeweise eine Runde drehen, kämen sie "mit einem Lächeln im Gesicht zurück".